Category Archives: Analysen

Türkei: Gefängnisse, inmitten des Machtkampfes

Karrikaturen vom ehemaligen Gefangenen Zülfikar Tak, die Methoden der Folter und Vernichtung von Gefangenen im Gefängnis von Diyarbakir, in den 1980er Jahren zeigen.

Sobald die Bedingungen hinter Mauern besser werden, verwischt die Existenz der Mauern

Gerichte,
Verteidigungen,
Wahlen,
Signaturen…

Die Macht einer Demokratie, die Vergessen herbeiführt, ist das Schweigegeld, dass sie anerkennen lässt.

Es gibt keinen Unterschied zwischen Demokratie und Staatsstreich, Militär und Polizei, Kasernen und Parlament, König und Präsident. Staat kann Diktator, König und Sultan sein, ohne die Eigenschaft zu verlieren, Demokratie zu sein.

Am 15. Juli hat eine Gruppe Soldaten an einigen strategischen Punkten einen Machtkampf begonnen, den einige als Staatsstreich und andere als Theater auffassen. Wie immer, sind die Gefangenen diejenigen, die diesen Machtkampf im meist entblößten Zustand ausgesetzt sind. In diesem Machtkampf wurde jegliche Kommunikation mit der Außenwelt abgeschnitten. Es wurde mitgeteilt, dass es keine Entlassungen bis zu einer zweiten Verfügung geben wird.

Ob es einen Staatsstreich gibt, wer diesen Staatsstreich ausführte, wer sich ihm widersetzte, sind unserer Meinung nach nicht die Fragen, die gestellt werden müssen. Ein Staatsstreich schließt immer den Staat mit ein. Jede alltägliche Staatspraxis, besonders ein nicht-endender Staatsstreich, der auf politische Subjekte fixiert ist, die der Staat als Gegner erkennt, ist ein Ausnahmezustand. Weil, was die Staatshoheit ausmacht, ihr Vermögen ist, sich für den Ausnahmezustand zu entscheiden.

Wenn manche Gruppierungen ausgeschlossen sind, wenn Beschlüsse getroffen wurden, ändert es nichts, ob diese Beschlüsse durch einen sogenannten Konsens vorgenommen worden oder durch die Verwendung eines anderen Namens vertuscht wird.

Der Herrscher, die Herrscherin ist der/diejenige der/die entscheidet, wann die öffentliche Ordnung gestört wird, über Sicherheit, über Leben und Tod. Der / die Herrscherin entscheidet, was Verbrechen ist und was nicht, wer kriminell ist und wie man für das Verbrechen bezahlt. Es führt dazu, dass die Leute ihr System in einem Ausmaß internalisieren, dass viele Menschen, die an die Notwendigkeit von Gefängnissen glauben, sich nicht vorstellen können den Ort abzuschaffen, an dem sie nicht sein wollen, obwohl sie ihn kritisieren. Obwohl sie ihn als Bedrohung für sich selbst erkennen, billigen sie Gefängnisse. Aber wenn sie von der Macht angegriffen werden, beginnen sie, Gefängnisse als Institutionen zu erkennen, die dem Schutz der eigenen Macht des Staates dienen. Obwohl die politische Macht sich verändert, bleiben staatliche Institutionen erhalten. Eine Veränderung der Machtverhältnisse, bedeutet nur die VerbrecherInnen auszutauschen. Die HeldInnen von gestern, können die VerräterInnen von heute sein, die InhaberInnen des Rechts zu töten können sich im Handumdrehen ändern.

Leute, die noch nicht dem Einsperrungsapparat ausgesetzt waren, denken nicht immer darüber nach, wie es mit der Existenz von Gefängnissen weitergeht und wozu die absolute Macht, die über die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Mauern entscheidet, fähig ist. Während die Gesetze, die der Staat durchsetzt, sich verändern, ist es offensichtlich, dass die Existenz des Staates erhalten bleibt.

Für ein demokratisches Sultanat, ist es nicht nötig mehr als eine Person zu haben. Und wie es auch immer genannt wird, Leute die komplett oder teilweise ihre Rechte verlieren und von politischer Macht ferngehalten werden, leben immer noch unter dem Dach der Demokratie.

GefängnisreformistInnen vergessen, dass die Mauern erhalten bleiben und hinter den Mauern, der Staat mit seiner unbegrenzten Autorität einfach alles Beliebige zu jedem Moment entscheiden kann. Diese Realität ändert sich nicht mit einer gesteigerten Anzahl von Büchern, Ausweitung der Besuchszeiten und unzensierten Briefen.

Diese Realität wird so lange bestehen bleiben, so lange Mauern existieren. WächterInnen des Staates vorhanden sind, es Waffen der Gendarmerie gibt, nämlich so lange der Staat existiert. Anhörungen, reduzierte Strafen, Gesetzesänderungen ändern nichts an dieser Realität. Solange das Theater existiert, ist es nur eine Änderung der Rollen und Sprechtexte.

Konzepte, wie Rechte und Gesetze sind verbunden mit dem Willen des Herrscher / der Herrscherin und können im Handstreich geändert werden. Was eine(n) Herrscher(in) ausmacht, ist die Macht diese Konzepte in Kraft zu setzen, sie beizubehalten und über ihren Inhalt zu entscheiden. Die Obrigkeit mit ihren wechselnden Taktiken vergrößert manchmal das Aquarium und veranlasst mit ihren kleinen Belohnungen die größere Realität zu vergessen.

Eine Demokratie kann in militaristischer oder pazifistischer Form weiter bestehen, autoritär oder liberal, säkular oder konservativ, ohne irgendwelche Zugeständnisse an ihre Funktionsfähigkeit machen zu müssen. Von daher, obwohl sie ziemlich libertär erscheint, ist Demokratie wie ein leere Glasglocke, die jede Farbe annimmt, die sie im Inneren aufnimmt.

Wenn sich Bedingungen innerhalb von Mauern verbessern, verschwimmt die Existenz von Mauern.

Gerichte,
Verteidigungen,
Wahlen,
Signaturen…

Die Macht einer Demokratie, die vergessen herbeiführt, ist das Schweigegeld, dass sie anerkennen lässt.

Quelle: ABC Istanbul / auf Englisch / auf Griechisch

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 11 online

unruheherdDie Juli-Ausgabe der anarchistischen Zeitung UNRUHEHERD aus Wien ist pünktlich wie fast immer online zu haben…

Zum drucken, verteilen, kritisieren, als Klopapier (wehe!)

Format DinA4 beidseitig bedruckt. Die Zeitung lebt auch durch DEINE Initiative, also besorg dir eine Druckmöglichkeit wenn du Bock hast und los geht’s!

Leben wir die Anarchie!

Unruheherd 11 (pdf)

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 9 online

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Die Ausgabe 9 für Mai 2016 der anarchistischen Zeitung UNRUHEHERD aus Wien ist ab sofort online verfügbar.

Zum Ausdrucken, Verteilen, Kritisieren, Verbrennen, usw.

Diesmal im einzigartigen A4-Format, beidseitig bedruckt.

Aus dem Inhalt:

– “Greift ihr sie von hinten an und wir sie von vorne. Das ist unsere einzige Chance.“
Ein Vorschlag bezüglich der Grenzen

– Was wollt ihr eigentlich?!   Ein freies Leben und Anarchie!

– Die allerseits beliebte: Chronik rebellischer Akte

Für Lob und Kritik, Textbeiträge, Diskussionsvorschläge,Unruhenachrichten und was dir sonst noch alles einfällt, schreib uns:
unruheherd(at)riseup.net

Unruheherd 9 (PDF)

Koridallos Knäste: Revolutionärer Kampf Mitglied Nikos Maziotis über den Fluchtversuch und die lebenslängliche Strafe

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Ein Text von Nikos Maziotis über die Fluchtoperation aus dem Koridallos Gefängnis und die lebenslängliche Strafe, die im zweiten Revolutionärer Kampf Prozess vergeben wurden.

Der Fluchtversuch aus dem Koridallos Gefängnis mit einem Helikopter am 21. Februar 2016 – eine Operation, die von der Genossin Pola Roupa, Mitglied des Revolutionären Kampfes, ausging – war ein revolutionärer Akt, eine Guerillaaktion für die Befreiung von politischen Gefangenen. Es war ein Mittel der Fortführung der Aktivitäten des Revolutionären Kampfes, eine Antwort auf die repressiven Operationen des Staates gegen unsere Organisation und unsere politischen Gefangenen sowie GenossInnen, die ebenso wegen ihrer bewaffneten Aktivitäten im Knast sitzen. Es war daher eine beispielhafter Akt der Solidarität von großer und einzigartiger Wichtigkeit. Der Fluchtversuch war ein Schritt der Fortführung revolutionärer Aktivität, indem sie den Kampf für den Umsturz von Staat und Kapitel förderte; indem sie die Politik des Establishments der Ausverkaufsprogramme kippte, die von der Troika aus supranationalen Bossen, der Europäischen Komission, EZB und des IWF bis hin zu jenen aus der Syriza geführten Regierung, die im Rahmen des ESM das dritte Sparpaket initiiert und umgesetzt haben, angeordnet wurde. Der bewaffnete Kampf unter den gegenwärtigen Bedingungen ist angemessener und nötiger als je zuvor. Das Scheitern dieser Operation wird daran nichts ändern. Wir werden so lange kämpfen wie wir leben und atmen.

Der Revolutionäre Kampf hat bewiesen, dass er über die Jahre hinweg standhaft geblieben ist trotz der aufeinanderfolgenden repressiven Schläge und Opfer: Das Blut unseres Genossen Lambros Foundas, der am 10. März 2010 in einem Schusswechsel mit der Polizei im Bezirk Dafni (Athen) getötet wurde während einer Vorbereitungsaktion der Aktion; unsere Gefangennahmen einen Monat später am 10. April 2010 am Vorabend des ersten von Griechenland unterschriebenen Sparpakets; meine Festnahme am 16. Juli 2014 in Monastiraki (Athen), wo ich nach einer Verfolgungsjagd und Schusswechsel mit der Polizei verwundet wurde. Der Revolutionäre Kampf blieb standhaft, weil wir politische Verantwortlichkeit für unsere Teilnahme in den Organisationen übernahmen – wir waren in Griechenland die erste bewaffnete revolutionäre und anarchistische Organisation, die dies machte – und weil wir unsere Geschichte verteidigten; die Aktionen der Organisation und unseren Genossen Lambros Foundas, der sein Leben dafür hingab, dass das Sparpaket nicht umgesetzt werden würde; weil wir versuchten die Krise in eine Möglichkeit für die soziale Revolution zu wandeln. Wir blieben standhaft als eine Organisation, weil es uns egal war wie hoch die Kosten und der Preis war, weil wir uns selbst nicht in VerräterInnen und ÜberläuferInnen verwandelten, weil niemand von uns versuchte, seine eigene Haut im Moment von Repression zu retten. Es ist eben genau weil wir politische Verantwortung übernahmen; dass wir lebendig blieben als Organisation im Kanst 2010-11. Wir kämpften einen politischen Kampf gegen den Feind im ersten Sondergericht. Erstmalig auf freien Fuß nach 18 Monaten U-Haft entschieden wir uns, uns nicht der bevorstehenden Verhaftung hinzugeben und gingen stattdessen in den Unterground, um den bewaffneten Kampf und die Aktivität der Organisation fortzuführen.

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Malmö: Aktion gegen die schwedischen Grenzkontrollen und gegen die Festung Europa

Erhalten am 9. April, 15:30: In diesem Moment verweigern es AktivistInnen aus Südschweden bei einer Grenzkontrolle ihre Pässe zu zeigen. Sie sitzen in einem Zug, der vom Kopenhagener Flughafen Kastrup nach Malmö fährt. Im November 2015 führte Schweden wieder Grenzkontrollen ein, um Flüchtlinge daran zu hindern, das eigene Staatsgebiet zu erreichen. Dieses ist eine Aktion gegen die Festung Europa und aus Solidarität mit tausendenen eingesperrten und abgeschobenen Flüchtlingen in Europa und der Türkei. Es folgt das Kommuniqué ihrer Aktion.

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Wir werden die Pässe nicht vorzeigen!

Am 12. November 2015 führte Schweden Grenzkontrollen ein, um Flüchtlinge daran zu hindern das eigene Staatsgebiet zu betreten. Diese Entwicklung etablierte einen verstärkten und gut organisierten Grenzkontollapparat, obwohl der schwedische Ministerpräsident Stefan Löfvén im September 2015 erklärte, dass “mein Europa keine Mauern baut“. Plötzlich übernahm Europas „offenste und toleranteste Gesellschaft“ die Führerschaft für einen gewaltätigen Domino-Effekt geschlossener Grenzen über den europäischen Kontinent. Schweden war die erste Nation, die sich von den Flüchtlingen abwendete und eine Festung Europa “2.0” einführte. In einer Zeit, in der Anti-Rassismus und Solidarität am meisten benötigt werden, wenn Unterkünfte für Asylsuchende niedergebrannt und rassialisierte Personen auf der Straße angegriffen werden, entschied sich der schwedische Staat dazu, dauerhafte und erweiterte Grenzkontrollen einzurichten. “Wir brauchen Atempause” (PM Stefan Löfvén, 2015/11/2).

Nach positiven Meinungsumfragen für Grenzkontrollen in der schwedischen Presse und steigenden Prozenten für faschistische Bewegungen (so wie die Schwedischen Demokraten) übernahm das ganze schwedische politische System eine rassistische Flüchtlingspolitik. Der schwedische Parlamentarismus schloss Grenzen, Nazis führten Straßen-Patroullien gegen MigrantInnen durch und eine Krisenrethorik in den Massenmedien beheizte implizite wie explizite Propaganda über die „Risiken“ offener Grenzen. “Flüchtlingsströme verantwortlich für die Verbreitung des multi-resistenten Bakteriums MRSA” (Sydsvenskan, 2.1.2016).

Der zunehmende Faschismus ist nicht auschließlich ein schwedisches Phänomen. Das ganze Europa leidet an ähnlichen Tendenzen, die z.B. in der Migrations- und Grenzpolitik der EU zum Tragen kommen. Die Schaffung von FRONTEX, die Dublin Bestimmung und der letzte Deal mit der Türkei offenbaren das Europa den Handel von Waren ermöglicht, aber bedürftige Menschen außerhalb seinee Mauern lässt. Das Abkommen mit der Türkei kennzeichnet ein eindeutiges kapitalistisches Geschäft, an dem beide Partner gewinnen. Die EU besticht die Türke mit Geld, visa-freier Reise für türkische BürgerInnen in Europa und einem erneuten Versprechen einer Eu-Kanidatenschaft. Als Entschädigung wird die Türkei dafür sorgen, dass sehr viele Flüchlinge außerhalb der EU bleiben werden. In anderen Worten ausgedrückt, bedeut das, dass die humanitäre Flüchtlingskrise zu einem Geldthema wird; die EU verkauft nämlich ihre Verantwortung. Menschen daran zu hindern, Asyl zu beantragen ist aber gegen die westlichen liberalen internationalen Regulierungen, wie z.B. das Genfer „Abkommen über die Rechtstellung von Flüchtlingen“ Die Türkei ist kein sicherer Ort für Flüchtlinge, es ist absolut unmoralisch Flüchtlinge in ein Bürgerkriegsland abzuschieben.

Öffnet die Grenzen zwischen Schweden und Dänemark JETZT!
Freie Überfahrt für Flüchtlinge und MigrantInnen
Solidarität mit Flüchtlingen und allen, die mit ihnen kämpfen

Keine Rückführungen in die Türkei! Keine Abschiebungen! Niemand ist illegal!

ZERSCHLAGT DIE FESTUNG EUROPA!

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 8 online

unruheherd

Die neue Ausgabe der anarchistischen Zeitung aus Wien ist nun online verfügbar.

Zum Ausdrucken, Verteilen, Kritisieren, usw…

Format A3, beidseitig bedruckt.

Aus dem Inhalt:

– Reaktorunfall im Atomkraftwerk

– Schwendermarkt-Grätzl im 15. Bezirk soll aufgewertet werden…

– Endlich eine grundlegende Veränderung! Zu den Wahlen am 24. April

– “Gemeinsam sicher”?

– Fußfesseln

– “Pass auf deine Rolex auf, es ist die Stunde der Revolte!”

– Chronik rebellischer Akte

Für die soziale Revolte!

Unruheherd 8 (PDF)

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 7 online

UNRUHEHERD-1Die 7. Ausgabe der anarchistischen Zeitung aus Wien ist nun online verfügbar.

Zum Ausdrucken, Verteilen, Kritisieren, usw

Format A3, beidseitig bedruckt.

Aus dem Inhalt

-Zum Schutz Ihrer Sicherheit, was glauben Sie denn!

-Mietpreise…an die Substanz

-Die Initiative

-Die Klimakrise an den Wurzeln gepackt

-Das System braucht Arbeitslose!

-Akademikerball

-Unruhenachrichten

Für die soziale Revolte!

Unruheherd 7 (PDF)

Attacke! – Neue anarchistische Zeitung aus dem Norden

Attacke! – Die Revolte in die Köpfe, in die Herzen, auf die Straße tragen!

Los geht’s! Genug gegrübelt, gezweifelt, gehadert. Es wird sich nichts ändern an dieser ganzen Scheiße, wenn wir’s nicht in die eigenen Hände nehmen.

Wir bewegen uns tagtäglich, doch kommen keinen Schritt voran. Wir wandeln durch unsere Leben und bleiben Beobachter_innen, statt das Drehbuch zu zerreißen und einfach zu tun was wir wollen. Es ist nicht die Rede von all diesen Möglichkeiten, von diesen Chancen, von denen sie uns seit der Schule erzählen. Es geht nicht um Arbeit, um Karriere, um Besitz und Reichtum oder Macht. Es geht nicht um falsche Hoffnung, um Religion oder irgendwelche Ideologie. Es geht um gegenseitige Hilfe, um Solidarität, um Liebe, um Würde… es geht um Freiheit!

Wir ertappen uns selbst dabei wie wir die Welt, die uns umgibt als absolut, als für immer geschriebenes Gesetz empfinden, das weder gebrochen, noch nachhaltig erschüttert werden kann. Und fest steht Hier und Jetzt zu tun was wir wollen bedarf eine Menge Mut und Kraft. Doch nur eine selbstbestimmte Sekunde, ein Fünkchen von dem was vor uns liegt wird uns einen Vorgeschmack geben, den wir nicht mehr vergessen wollen.

Wir empfinden fast Scham, wenn wir heutzutage über die großen Ideen von Revolution sprechen, weil wir nicht als verwirrte Träumer_innen oder realitätsferne Irre da stehen wollen. Doch, ist nicht der tatsächliche Irrsinn in diesem System mitzuspielen? In diesem System, das so offen durch die Ausbeutung und Unterdrückung von ärmeren Menschen funktioniert, das mit den niedersten Mechanismen wie Nationalismus Identitäten prägt und so die Rolle des_der gehorsamen Bürgers_in besetzt. Irrsinn wäre es doch sein gesamtes Leben nach Arbeit auszurichten, die schlussendlich nichts mit unseren Leben zu tun hat, sondern für Andere bzw. konkret für den Reichtum Anderer funktioniert. Irrsinn wäre es die Orte und die Umwelt, in der wir leben, für die immer weitere Steigerung von Profiten zu zerstören. Irrsinn wäre es, vom Staat legitimiert, bewaffnet und uniformiert, Menschen zu bedrohen, zu foltern, einzusperren und zu ermorden, um diese Ordnung, die Aufrechterhaltung des Reichtums und der Macht derer die uns beherrschen zu verteidigen und zu sichern.

Wir werden uns nicht schämen über das vermeintlich Unmögliche zu sprechen und schon gar nicht dafür, nach unseren Ideen von einem vollkommen anderen Leben zu handeln. Es wird nicht darum gehen immer auf alles Antworten zu haben, aber alles in Frage zu stellen!

Die Anarchie ist das Leben ohne Herrschaft, ohne Autorität.

Die Subversion ist jegliche Tätigkeit mit der wir den Umsturz dieser Verhältnisse herbeiführen wollen.

Die Freiheit ist was uns antreibt, was wir erkämpfen wollen!

Attacke!

Die „Attacke!“ wird im Norden in verschiedenen Orten in den Straßen zu finden sein.

Inhalt:
-Editorial
-Refugees welcome ist nicht genug!
-Fracking in Norddeutschland und Hamburg
-Einige Gedanken zur Stadt der Reichen
-Technologie und Tunnelblick
-Die Herrschaft mordet in der Türkei!

Kontakt und Versand: attacke (ät) riseup.net

Griechenland: Text der Verschwörung der Zellen des Feuers – Stadtguerillazelle

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Hier als pdf (griechischsprachig)

Verschwörung der Zellen des Feuers – Stadtguerillazelle

Der Plan

Für die anarchistische „Szene“

1. Der Aufruf

Jeder Aufruf zur Aktion, wie der „Schwarze Dezember“, ist ein Versuch zur Koordinierung unserer Kräfte. Es ist eine Anstrengung, den normalen lauf der Dinge zu unterbrechen. Es ist ein Plan, um uns mit den uns gehörenden Eigenschaften einzumischen. Es ist ein Ausloten unseres Verlangens nach Anarchie, hier und jetzt, und unserer Fähigkeit, den Ordnungskräften die Stirn zu bieten. Es ist eine Gelegenheit für die Individuen sich kennenzulernen oder nicht, um sich auf dem Terrain der Aktion zu vereinen und anzufangen, die Gebäude des Staates organisiert und unerwartet anzugreifen. Es ist ein internationales und unsere Solidarität stärkendes Signal der Komplizität für alle GenossInnen hinter und ausserhalb der Mauern. Es ist ein anarchistisches Abkommen, das bestätigt, dass es Leute in allen Ecken und Enden der Welt gibt, die trotz unterschiedlicher Sprache den Schlag ihrer Herzen koordinieren, ihr Visier auf den Feind richten, die Fäuste ballen, eine Sturmhaube überziehen und Angriffe gegen den sozialen Motor der Autorität, ihre Strukturen und Beziehungen führen. Der Aufruf zum „Schwarzen Dezember“ war einer dieser Momente…

Und nun? Zurück zur Normalität?

Jeder Aktionsaufruf kann nur eine Fotokopie der sich immer gleichenden wiederholten Revolte sein, in Erwartung des nächsten Jahrestages, des nächsten „Aufrufs“ oder sich in Treffen mit der Geschichte verwandeln…

Für alle, für die Anarchie bedeutet „die Brücken zur Kapitulation und zum sozialen Frieden hinter sich abzubrechen“, hat die anarchistische Aktion weder ein Anfangs- noch ein Auslaufdatum…
Folglich eröffnete die Wette des Schwarzen Dezember eigentlich eine grössere Wette. Eine Wette für die, bei denen das Datum zum Angriff immer auf Heute, dem Hier und Jetzt steht. Eine Herausforderung zur Bildung eines autonomen anarchistischen Pols zur Organisierung der anarchistischen Stadtguerilla.

2. Erinnerung ist nicht Müll

Der Schwarze Dezember war ein für alle Welt offener Aufruf, wurde aber vor allem als ein Bezugspunkt für die Aufständischen, die Anarcho-NihilistInnen, die jüngeren GenossInnen, die nicht Linientreuen, die Rowdys gegen den Staat (und teilweise gegen die Tatenlosigkeit der offiziellen „anarchistischen Welt“, gegen ihre pazifistische Transformation) ausgelegt.

Wir beziehen uns nicht spezifisch auf den Aufruf für einen Schwarzen Dezember. Jeder Aktionsaufruf ist eine Instanz einer breiteren vorhergehenden Geschichte und manchmal der Beschleuniger der ihr folgenden Perspektive.

Wir hätten keinen Schwarzen Dezember, wenn es keinen November, Oktober, September gegeben hätte… wir hätten keine anarchistische Stadtguerilla, wenn es die Zusammenstösse auf den Demos, die Barrikaden und Molotows nicht gegeben hätte; es hätte keine Revolte 2008 gegeben, wenn es in den drei vorherigen Jahren keine Brand- und Angriffskommandos gegeben hätte, es wird keine Perspektive geben, wenn wir keine Erinnerung haben.

Im Verlaufe der Zeit gebiert die Anarchie – in ihrem Inneren – die eigene anarchistische Überwindung. Es entstehen Tendenzen der geschärften Extremitäten (anarchistischer Individualismus, anarchistischer Nihilismus, aufständischer Anarchismus, usw.), die entscheiden, sich an die Rändern der Bewegung, der „Szene“, der Revolution zu verlegen… Manchmal, wenn sie den Speer des anarchistischen Angriffs hochziehen, wirken diese Tendenzen für die Anarchie wie ein Detonator, andere Male kannibalisieren sie sich gegenseitig vor lauter Eigendünkel und Arroganz…

In Griechenland ist das Erscheinen von häretischen Tendenzen in der anarchistischen „Szene“ so alt wie die „Szene“ selbst… Tendenzen, die sich entweder zu intellektuellen KünstlerInnenzirkel reduziert oder verändert haben (z.B. die SituationistInnen) oder von der offiziellen „Szene“ assimiliert und integriert wurden… Jede von ihnen hat, ausnahmslos, den eignen Abdruck in einer Geschichte hinterlassen, die nie zu Ende geht.

2005 eröffnet ein Personenzirkel mit dem Schlagwort „denke revolutionär – agiere zur Offensive“ öffentlich und sehr sichtbar (Plakate, Zeitschriften, Teilnahme an Versammlungen) die Herausforderung zur Erhöhung der anarchistischen Gewalt. Eine aufständische Tendenz, die sich nicht nur gegen den Staat und die Autorität aufstellt, sondern auch gegen die Komplizität und die soziale Apathie, zeigt sich jetzt organisierter und mit einer konstanten öffentlichen Präsenz. Gleichzeitig wird die Frage der Verneinung der Arbeit öffentlich diskutiert, mit bewaffneten Raubüberfällen auf Banken als roter Faden… Tatsache ist, dass die partielle Thematik der Ablehnung der Arbeit mit der Verbreitung der anarchistischen Stadtguerilla liebäugelt und der reale Auslöser der entsprechenden Diskussionen ist. Aus dieser verbreiteten Gärung (Brandstiftungen, Raubüberfälle, Angriffskommandos, Vollversammlungen z.B. zur Aktionskoordination) entsteht im Januar 2008 die Verschwörung der Zellen des Feuers. Die Verschwörung der Zellen des Feuers erscheint als der organisierte Ausdruck einer klar auf den bewaffneten Kampf ausgerichteten häretischen, anarchistischen Tendenz, die sich auf den anarchistischen Individualismus, den Nihilismus, die Revolution im Alltagsleben und die Kritik am Komplex Staat-Gesellschaft bezieht.

Selbstverständlich war es nicht diese Tendenz, die den Dezember-Aufstand von 2008 auslöste. Eine Revolte kann man sich weder aneignen, noch hat sie ein Urheberrecht.

Aber vor allem, da die kleinen Basisstrukturen nun schon regelmässig mit koordinierten Angriffen operierten, war es die Tendenz mit der richtigen Reaktionsschnelligkeit zur Beschleunigung der konfliktträchtigen Ereignisse im Dezember 2008.

3. Mit der Gegenwart Schritt halten

Die ersten Verhaftungen wegen der Verschwörung der Zellen des Feuers im September 2009 (der Fall Halandri) verursachten einen Sturm der Angst. Die Mehrheit der häretischen Tendenzen (anarcho-nihilistische, anarcho-individualistische, antisoziale, usw.) brachen unter Panik ein und integrierten sich im sicheren Hafen der „offiziellen“ anarchistischen Bewegung und ihre grossen Reden von „Revolution oder Tod“ blieben hinter ihnen wie ein faulender Kadaver mit dem Aussehen eines Verrates.

Wenige GenossInnen blieben bei ihren Positionen und wollten weiterführen, was sie begonnen hatten… Aber darüber wurde schon geschrieben und geredet… Heute lebt ein grosser Teil der anarchistischen Bewegung mit dem Stempel der Niederlage, mit der Angst vor der Repression, mit der verlorenen Aussicht eines Aufstandes, der in diesen Zeiten der wirtschaftlichen Krise, der Introversion, der informellen Hierarchien nicht stattgefunden hat. Ausnahmslos stimmt aber auch, dass man nie wissen kann, wann das, was man gesät hat, wieder nützlich sein wird und sicher ist auch, dass nichts für immer verloren geht.

In den letzten zwei Jahren erscheint aus den Resten der Vergangenheit eine neue Generation unserer anarchistischen Tendenz und bahnt sich ihren eigenen Weg. Eine Tendenz, die sich nicht so sehr aus ähnlichen politischen Eigenschaften heraus gebildet hat, sondern eher wegen der gemeinsamen Sehnsucht nach etwas anderem als dem, was in der anarchistischen Bewegung in Griechenland existiert. Eine Tendenz, die dank ihrer KritikerInnen viel homogener erscheint, als sie in Wirklichkeit ist. Eigentlich handelt es sich um eine Front von Leuten, die bewusste GenossInnen bis zu Leuten, die einfach die Polizei hassen und Radau machen möchten, einschliesst…

4. Die Kollision zwischen alt und neu

Jede Geburt ist gewaltsam. Jede neu entstehende Front stellt den Bauch, aus dem sie kommt in Frage, setzt sich mit ihm auseinander und versucht die Nabelschnur zu durchtrennen. Wegen des temporären Wesens haben alle im Inneren der Anarchie entstandenen Häresien ihre hitzige Kritik gegen die alten Strukturen gerichtet. (…) Vor allem heute sieht es so aus, als ginge die Verbindung und die Kommunikation zwischen alt und neu definitiv verloren… Die Gründe dazu sind zahlreich, aber die Geschichte wartet nicht auf unsere Introversion. Dringend ist eine neue Idee, ein Plan zur Weiterführung des Kampfes. Jede kleine neue anarchistische Front sagt regelmässig, was sie an der „offiziellen“ anarchistischen Bewegung hasst. Die Kritik gegen den Stillstand der Bewegung unterdrückt oft die Kritik der Tyrannei der Autorität. Jetzt denken wir, ist die innere Situation der anarchistischen Bewegung polarisiert wie nie zuvor. Darum ist es der Moment für den nächsten Schritt. Die neue anarchistische Tendenz kann die Introversion abschaffen, sich selbstbestimmen und ihre eigene autonome anarchistische Bewegung bilden.

Die Erinnerung ist eine grundlegende Komponente dieser Anstrengung. Erinnern wir uns unserer vergangenen Erfahrungen, aber nicht um sie zu imitieren, sondern um sie zu überwinden. Die Tatsache, dass die neue anarchistische Front an Defiziten in der Organisation der Aktion und in den Vollversammlungsmomenten leidet, weil die Leute denken, Organisation sei eine Eigenschaft der Bürokratie der offiziellen anarchistischen Bewegung, ist als würde man die Organisation ihr überlassen.

Organisation, Vollversammlung und politisches Handeln haben keine Urheberrechte. Es sind Mittel des Kampfes, die durch die am Kampf teilnehmenden politischen Leute bestimmt werden… Die als nicht konformistisch geltenden Maxime und Verhaltensweisen der Kategorie „Vorgehensweisen sind mir egal, ich tu was ich will…“ ist eine Furcht und eine perverse Beständigkeit vor der Pünktlichkeit und Verantwortlichkeit, die ein Anarchist und eine Anarchistin haben muss, um am Krieg der Stadtguerilla teilzunehmen. Ein Instrument hat keine positiven oder negativen Eigenschaften, im Gegenteil wird eine solche Eigenschaft je nach Gebrauch bestimmt, den man von einem Instrument macht. Eine politische Vollversammlung ist bürokratisch, wenn die teilnehmenden Menschen Bürokraten sind. Eine politische Vollversammlung kann allemal ein Mechanismus für Bildung, Koordinierung, für den Antrieb zur Analyse und ein Mittel zur persönlichen und kollektiven Entwicklung sein. Bilden wir jetzt unsere eigenen politischen Mechanismen ohne Bürokratie, unsere eigenen Vollversammlungen ohne Klatsch und Gerede, unsere eigenen Organisationen ohne Ränge… Erhalten wir unsere eigenen Infrastrukturen für die bewaffnete Revolte gegen die Herrschaft der Autorität.

5. Die 5 Punkte für eine autonome und offensive anarchistische Tendenz

Anarcho-Nihilismus, Anarcho-Individualismus und, allgemein, die offensivsten anarchistischen Häresien sind keine „Unfälle“ in der Geschichte der Anarchie, sondern im Gegenteil ihr stimulierendster Teil. Diese Tendenzen können jetzt eine autonome politische Bewegung bilden.

Eine Bewegung, die keine vollständige Einheit der Positionen in der Gewissheit des theoretischen Evangeliums und in den Statuten der ideologischen Klarheit anstrebt. Nicht eine Bewegung, die zur Erpressung greift um ein totales Einverständnis mit ihren Gesichtspunkten zu erhalten, sondern eine Bewegung, welche die politische Affinität in fünf grundlegenden Eigenschaften der teilnehmenden und sich begegnenden Gruppen anerkennt.

Vor allem sind wir AnarchistInnen, abgesehen von unserer besonderen Benennung (NihilistInnen, InsurrektionalistInnen, IndividualistInnen, usw.). Als AnarchistInnen verweigern wir unsere Anerkennung nicht nur dem Staat und der Autorität, sondern auch jedem Zentralkomitee der „Revolution“, allen ideologischen ExpertInnen und auch jedem hierarchischen Verhältnis in unserem Inneren. Wir organisieren uns auf informeller Basis und in der Koordinierung von Gruppen und Individuen mit politischer Affinität.

Zweitens, die Polemik gegen den Staat und die Autorität vernachlässigt nicht die Mittäterschaft der Gesellschaft durch ihr Schweigen, ihre Apathie und ihre Unterwerfung. Unsere Aktionen greifen den Staat, seine VertreterInnen und seine Strukturen an, aber gleichzeitig wollen wir die sozialen Verhältnisse brechen, die sie hinnehmbar machen und die Autorität im Alltag häufig reproduzieren.

Drittens, wir unterstützen den Internationalen Anarchistischen Bund (FAI – Federazione Anarchica Internazionale). Wir wollen, dass unsere Feindseligkeiten innerhalb der Staaten, in denen wir leben, auf internationaler Ebene als Momente eines globalen anarchistischen Kriegs zusammenhängen. Wir tauschen Ideen aus, wir tauschen Erfahrungen aus. Wir bilden solidarische Beziehungen und wollen einen internationalen anarchistischen Bund aufbauen, in dem die Splitter einer Explosion in Santiago de Chile bis nach Athen reichen und sich vermehren…

Viertens, wir lassen uns mit unseren verhafteten GenossInnen zusammen nicht unterkriegen. Unsere offensive Solidarität ist die Rache für ihre Gefangenschaft. Was nicht heisst, dass wir uns mit ihren Vorstellungen identifizieren. Die Gefangenen sind weder heilige Idole noch Symbole des Kampfes, aber sie sind jene, die uns dann an unserer Seite fehlen… Die Kohärenz all jener Gefangener, die in den Gefängnissen unbeugsam bleiben und nicht wanken, ist ein Beweis, dass sich der Kampf lohnt…

Schliesslich, wir fördern die Verschiedenheit im anarchistischen Agieren. Wir sind dazu fähig, unsere eigenen Squats, unsere eigenen politischen Instanzen, unsere Verlagsprojekte, unsere Informationsmittel zu bilden. Da die Berufung auf die Verschiedenheit oft zur Ausrede für die Ausgrenzung der bewaffneten anarchistischen Praktiken verkommt, müssen wir allemal klarstellen, dass sich Verschiedenheit nicht von allein einstellt. Squats, Manifeste, Initiativen, Drucksachen, Informationsmittel, die sich hinter der Linie der Kontinuität ihrer eigenen Projekte verschanzen, verwandeln sich in Inseln angeblicher Freiheit ohne die Autorität zu bedrohen. Wahrhafte Verschiedenheit des Kampfes muss die bewaffnete Auseinandersetzung mit dem System essentiell unterstützen und fördern. Es ist die Begegnung von Bewegung und aufständischem Lager. Es ist das Ritual des Übergangs von der Theorie zur Aktion, vom Riskanten zum Organisierten, vom Zufälligen zum Geplanten.

Es ist die Propaganda der Tat.

Diese 5 Schlüsselpunkte (einige wurden schon in Texten der Verschwörung der Zellen des Feuers und der FAI – siehe „Feuer und Pulver“ angeführt) sind Teile eines Vorschlags, der für alle offen ist, die interessiert daran sind, teilzunehmen, ihn zu bereichern, zu kritisieren und umzusetzen.

Es handelt sich keinesfalls um ein ideologisches Gehege, sondern um die Gelegenheit zur praktischen Diskussion. Das Verständnis liegt im Kern des Vorschlags zur Bildung eines autonomen Raumes der häretischen anarchistischen Tendenzen.

Das erste kollektive Projekt, in dem das Verständnis wirklich auf die Probe gestellt wird, ist eine anarchistische Gruppe. In der Optik der Anregung dieser Diskussion werden wir in den nächsten Monaten eine reihe von persönlichen Texten einiger gefangener GenossInnen der Verschwörung der Zellen des Feuers (Olga Economidou, Georgios Polidoro, Christos und Gerasimos Tsakalos) veröffentlichen.

Die persönlichen Erzählungen der Erfahrungen, der Sorgen und der Perspektive des Projektes einer anarchistischen Gruppe sind nicht Anleitung zur bewaffneten Praxis, können aber sicherlich zur Debatte über die Stadtguerilla und ihrer Entwicklung beitragen.
Erfahrung kann ebenfalls nicht übertragen werden. Darum besteht die Herausforderung im Übergang von der Theorie zur Aktion.

Als Anfang dieser Diskussion werden wir in Kürze die Broschüre „Individualität und anarchistische Gruppen“ des Genossen  Gerasimos Tsakalos der Verschwörung der Zellen des Feuers ausdrucken und verbreiten…
Vom Lesen… zur Komplizität…

Verschwörung der Zellen des Feuers – Stadtguerillazelle

Üb. aus dem Italienischen mc, Knast salez, CH 

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 6 online

UNRUHEHERDPünktlich zum Start des neuen Jahres die 6. Ausgabe der anarchistischen Straßenzeitung UNRUHEHERD

Zum selber Ausdrucken, Verteilen, Kritisieren, usw.

Format A3, beidseitiger Druck

Aus dem Inhalt:

– Was wurde eigentlich aus dem Knast in Vordernberg?

– Drei Augen für den Polizisten?

– Kritik gerne, aber konstruktiv bitte!

– Von den Händen zu den Beinen zum Genick: Brechen wir die Stabilität der Herrschaft

– Wiener Linien rüsten auf

– Bis zum letzten Atemzug gegen die Gefängnisgesellschaft!

– Terrorismus: Bald auch bei Ihnen zu Hause?

Auf ein kämpferisches 2016,
Für die soziale Revolte!

Unruheherd 6 (PDF)

[Paris] Einige Überlegungen für ein Projekt gegen Grenzen

Jeden Tag sehen wir zu, wie die Massaker an den staatlichen Grenzen zunehmen. Tausende Menschen die vor Kriegen, Armut und vor ökologischen Katastrophen flüchten, welche direkt auf die Ausbeutung der Rohstoffe zurückzuführen sind, und Menschen, die selber zu Rohstoff gemacht werden. Wir sehen jeden Tag dabei zu, und es nimmt immer mehr die Form eines Blutbades an. Blut, das vor unseren Haustüren gegossen wird. Wir gewöhnen uns daran, der Abscheu der Normalität zuzuschauen. Während diese Masse von Menschen ihr Leben riskiert, den Grenzen trotzt und alles aufs Spiel setzt, wenn sie vor den Wachhunden Europas stehen, prahlen die Politiker*innen mit ihren demokratischen Werten und erklären die Notwendigkeit, einen Teil von ihnen zu legalisieren, indem man Aussortierungskriterien einführt, die gute Ware auswählt und die verdorbene zurückweist. Sie erlassen gemeinsame Gesetze, bauen grosse Zentrale Aufnahmestellen, stärken die Verwaltungs- und Militärapparate, sowie die Überwachung der Grenzen. Diese Grenzen sind nicht nur Markierungen zwischen den Staaten, sondern sie werden nun auch durch Kontrollen und Razzien in den Verkehrsmittlen und Bahnhöfen materialisiert, an den Arbeitsplätzen und innerhalb der Machtbeziehungen, in Banken und Verwaltungen, in den Abschiebeknästen und durch die Arbeit der humanitären Hilfsorganisationen.

Die letzten Monate spürten tausende von Menschen auf den Pariser Strassen den Empfang des französischen Staats an Leib und Seele. Sie wurden aus jeglichen Parks, Strassen, Grünanlagen, Brücken, unter den sie versuchten, Zuflucht zu finden, rausgeschmissen. Sie wurden von den Bullen zusammengeschlagen und mit Tränengas zurückgedrängt, weil sie zusammen bleiben wollten. Unterstützungsgruppen unterschiedlicher Prägungen sind rasch entstanden. Unter ihnen befinden sich aufrichtige Menschen, für die das Helfen an sich der Zweck ist, die durch ihre Wut oder ihre Empörung motiviert sind. Andere vertreten Parteien oder humanitäre Organisationen, für die die Geflüchteten ein Mittel sind, mehr Sichtbarkeit auf den Strassen und in den Medien, mehr politische Macht und mehr private und öffentliche Finanzierungen zu bekommen. Insgesamt versuchten sie, sie materiell zu unterstützen und ihre Forderungen politisch zu begleiten, welche die Mehrheit dieser Menschen stellen: den Erfolg ihrer Asylanträge und das Finden einer Bleibe. Diese Forderungen berufen sich auf die Menschenrechte und nehmen den Staat als Ansprechpartner wahr. Diesen Staat, der mehr oder minder direkt an blutigen Angelegenheiten in ihren Herkunftsländern beteiligt ist, der sie an den Grenzen niedermetzelt, der sie verfolgt weil sie auf der Strasse schlafen, und der sie mit Tränengas und Schlagstöcken empfängt, da er darum besorgt ist, das touristische Schaufenster Paris von dieser Plage zu säubern. Continue reading [Paris] Einige Überlegungen für ein Projekt gegen Grenzen

Gabriel Pombo Da Silva: „Doktrinäre Ernährung“ (November 2015)

Vom it. (Üb. Vom Kastilischen)

„Dort, wo es eine untere Klasse geben wird, werde ich ihr angehören; dort wo ein kriminelles Element existieren wird, werde ich dazugehören; solange nur eine Seele im Gefängnis sein wird, werde ich nicht frei sein.“
Eugene Debs

GenossInnen!

Heute bin ich bester LauGabriel-Pombo-da-Silva-e1366039573695ne (wie ihr wisst, ist das Leben nicht etwas Lineares, weder Konstantes, noch Statisches…) und wer mich persönlich kennt, weiss, dass ich einen ziemlich schwarzen (was einige „skandalisiert“, bringt mich zum Lächeln, usw…), oder sogar zynischen Sinn für Humor habe (vor allem wenn es darum geht, über Dinge des „Gesetzes“, der „Rechte“, der „Autorität“ usw. zu sprechen oder sie zu beschreiben…); denn es gibt „Dinge“, die ich nicht ernst nehmen kann (obwohl es bei allem um mein Leben geht), so ernst diese „Dinge“ auch sein mögen.

Also schreibe ich informell und mit einem Lächeln auf den Lippen (obwohl ich mich auf ernste „Dinge“ beziehe) denn der Sinn für Humor gehört zu den „Dingen“, die mir immer erlaubt haben „weiterzumachen“. Ich höre nicht auf, mich zu wundern, wenn ich sehe, wie diese SalonpolitikerInnen den Mund mit Worten/Begriffen wie „wir leben in einem Rechtsstaat“, „alle sind vor dem Gesetz gleich“ usw. usw. usw. voll nehmen.

Das „Label Spanien“ (wie sie es jetzt nennen) weiss nicht, was eine Demokratie ist (in Anbetracht dessen, dass ich kein Demokrat bin); das Recht ist eine „Mino-kratie“ (d. Üb.: ? ) und das Gesetz dient bloss den Interessen der Kaste (mir gefällt das mit der Kaste weil es das ist, was wir in diesem Land haben) und „Antisystem“ sind wir alle, die bei ihren Witzen nicht lachen. Zweifelt jemand daran?

In diesem Land sind jene, die sich mit diesen Begriffen den Mund füllen „HühnerdiebInnen“ (oder potentielle) weil die „normalen“ Leute ohne dass „anarchistisch“ sein oder sich so zu nennen nötig wäre, wissen, dass die politisch-unternehmerische (genau, jene der „Drehtüren“, jene der Fälle Filesa und Malesa, der Gal, des Falles Gürtel, der „schwarzen Bankkarten“, der ERE[1], usw. usw. usw.) Kaste in allen Justizkasten (C.G.P.J., T.S., T.C.[2], usw. usw.) ein Sammelsurium an „gekauften Schreiberlingen“ gehievt hat, die, sobald sie einen der ihren „prozessieren“ (oder gegen sie „ermitteln“, sie anklagen oder „niedermachen“) durch eine Türe eintreten und durch die andere hinaustreten… denn die Banken, die Telekommunikations- und Energieunternehmen (nicht zu sprechen von den Zement- und Transportkartellen oder von den Kartellen der Ramsch-Verträge, usw.), die IWF-Fonds und das „Konsortium Europa“ verteilen viel Geld… soviel Geld, dass sie alle kaufen und die Mehrheit zum Schweigen bringen können. Das Schlimmste daran ist zu sehen, wie diese endemische Korruption, diejenigen, die am schlimmsten dran sind, ohne Dach über dem Kopf, ohne höhere Bildung, ohne Nahrung und hilflos zurücklässt… ich weiss, das ist „nichts Neues“, aber nie zuvor wusste man soviel über die „Machenschaften“ dieser Schamlosen wie jetzt, in der heutigen Ära der „Kommunikation“… und Tatsache ist, dass die diebischsten und gierigsten politischen Parteien, die „demokratischsten“ und freiheitsfeindlichsten in den „Umfragen“ trotz allem am besten abschneiden… und sähe ich um mich herum nicht so viele arme oder ungebildete, ausgegrenzte und kranke Leute sterben ( und verrotten), würde ich zynisch sagen: wir haben die PolitikerInnen, die wir verdienen. Aber verdienen wir das alles wirklich? Sind wir bloss imstande den Zustand der „Empörten“ zu erreichen? Können wir nur hoffen (und erstreben), dass uns ein Messias, eine politische Partei kommen wird, um uns zu retten?

Die eherne Anrufung der „Konstitution“ (und ihrer „verfassungsfeindlichen“ Gegner), der „Demokratie“, der Achtung der „Justizentscheide“ (falls sie nicht davon betroffen sind, versteht sich), der „laufenden Ermittlungen“, des angeblichen Unterschiedes zwischen „Angeklagten“ und unter „Ermittlungen stehenden“ und, seitdem die Hand des Gesetzes am Kragen von „Rodrigo Rato“ gelandet ist (ihr wisst doch, der grosse Ökonomist) spricht man plötzlich vom „Recht auf das Bild und Achtung der Gefangenen“… Wann scherte sich dieses Land denn je um das Bild und die Achtung der Gefangenen? Von welchen Gefangenen wohl?

Hätten wir noch etwas Blut und Stolz im Körper, müssten wir alle Institutionen (wenn möglich mit allen drinnen) dieses Landes und ganz Europa abfackeln! Sorry, da kommt meine nihilistische Ader zum Vorschein… oder wenn ihr wollt „entschuldigt“ nicht, sondern nehmt Notiz…

Wo war ich schon? Ach ja, bei der Achtung der Gefangenen! Continue reading Gabriel Pombo Da Silva: „Doktrinäre Ernährung“ (November 2015)

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 5 online

160980Aufgrund aktueller Ereignisse sogar schon einen Monat früher als erwartet und geplant: Die 5. Ausgabe der anarchistischen Straßenzeitung “Unruheherd” ist ab sofort online verfügbar.

Zum selber ausdrucken, verteilen, kritisieren…

Aus dem Inhalt:

  • Der wirkliche Terrorist ist der Staat!
  • Wir sind gegen jeden Krieg, denn jeder Krieg ist gegen uns
  • Der Staat beobachtet uns – stechen wir ihm die Augen aus
  • Luxus für Alle. Oder die Suche nach einem Ausgang im ideologischen Labyrinth
  • Unruhenachrichten

Format A3, beidseitig bedruckt

Für die soziale Revolte!

unruheherd 5 (PDF)

Paris: Weder ihren Krieg, noch ihren Frieden

Die englischsprachige Übersetzung wurde Contrainfo zugesendet, die folgende wurde von Indymedia Schweiz übernommen. Dieser Text ist ein in Paris verteiltes Flugblatt (pdf), das auch auf  Indymedia Nantes veröffentlicht wurde.


„Wir müssen die Feinde der Republik vernichten… und jene der Nationalität entheben, die den französischen Geist verspotten.“
Manuels Valls, Premierminister
14.  November 2015

Wenn man der französischen Republik eine gewisse Kontinuität anerkennen muss, dann ist das wohl jene der Massenmorde. Vom Staatsterror von 1793-94, der eben dem Wort Terrorismus Ursprung gab, bis zur Niederschlagung der Aufständischen von 1848 und derjenigen der Kommune von 1871; von der Kolonisation oder der Deportation der Juden, welche durch frühere Karteien erlaubt war, bis zum Massaker von algerischen Demonstranten 1961 mitten im Herzen von Paris: alle französischen Republiken haben ohne Nachsicht massakriert, damit die Machthaber weiter alle beherrschen und ausbeuten. Die französische Republik ist ein Leichenberg, deren Unrat, der ihre Spitze bildet, sich nur halten konnte, indem er ihre wahren Feinde zerschlug, die Revoltierenden und die Revolutionäre, welche für eine Welt der Gerechtigkeit und der Freiheit kämpften. Der ”französische Geist”, wenn solch ein unsäglicher Blödsinn jemals existieren könnte, wäre ein zum Zerbersten volles Schild mit nach Rache schreienden Stimmen gegen die Bürgerlichen, die Politiker, die Bullen, die Soldaten und die Priester, die sie mit den Füssen getreten haben, um ihre Macht zu festigen.

Ach, aber das ist doch alles Vergangenheit. Nicht? Haben etwa Jahrzehnte der Bürgerbeteiligung, der Warenintegration und der generalisierten Enteignung diejenigen, die noch eine Spur von Sensibilität bewahren, wirklich vergessen lassen, dass in die Menge zu schiessen nicht eine Exklusivität von fernen Terroristen ist? Dass der französische Staat seit einigen Jahren sein grosses Comeback auf der internationalen Bühne des staatlichen Terrorismus gehabt hat, indem er seine militärischen Angriffe in allen Ecken des Planeten multiplizierte (Libyen, Mali, Afghanistan, Elfenbeinküste, Somalia, Zentralafrika, Irak, Syrien)? Der Vorwand ändert sich jedes Mal, aber die Gründe bleiben dieselben: die Kontrolle über strategische Ressourcen wahren, neue Märkte und Einflusszonen erschliessen, seine Interessen gegenüber seinen Konkurrenten schützen, vermeiden, dass Aufstände sich in Experimente von Freiheit verwandeln. Und falls es noch nötig war, so wurden sogar Warnungen lanciert, um den Schläfrigen verständlich zu machen, dass diese Kriegslogik keine territorialen Grenzen kennen wird: der Tod von einem Demonstranten im vergangenen Jahr in Sivens oder die von Splittern durchbohrten Körper von denjenigen von Notre-Dame-des-Landes und von Montabot rufen in Erinnerung, dass man, auch hier, nicht zögert, kakibraune Angriffsgranaten gegen Mengen zu werfen, um Terror zu sähen.

Denn was ist der Terrorismus, wenn nicht, unterschiedslos in die Menge zu schlagen, um zu versuchen, die Macht zu bewahren oder zu erobern? So ähnlich wie es die Reichen tun, indem sie tagtäglich Millionen von Menschen bei der Arbeit töten und verstümmeln im Namen der Kohle, die sie aus ihrer Ausbeutung ziehen. So ähnlich wie es die Industriellen und ihre Lakaien in den weissen Hemden tun, indem sie nachhaltig alles Leben auf der Erde vergiften. So ähnlich wie alle Staaten, die die Ausgeschlossenen aus ihrem Warenparadies und die Rebellierenden gegen ihre Gesetze einsperren und auf kleiner Flamme foltern, indem sie sie während Jahren zwischen vier Mauern einschliessen. So ähnlich wie jene grrrossen Demokratien, die das Mittelmeer in einen Friedhof verwandelt haben, der von Tausenden von Unerwünschten bevölkert wird, die das Verschulden hatten, nicht über den geeigneten kleinen Fetzen Papier zu verfügen. Aber das ist, was der Frieden des Staates und des Kapitalismus kostet. Der Frieden der Mächtigen ist der Krieg gegen die Beherrschten, innerhalb wie ausserhalb seiner Grenzen.
Am 13. November in Paris wurden die Regeln des Spiels respektiert. Ob er sich nun islamisch nennt oder Republik, Kalifat oder Demokratie, ein Staat bleibt ein Staat, das heisst eine autoritäre Macht, deren massenhafte Gewalt gegen all jene eingesetzt wird, die sich seinem obersten Befehl nicht unterwerfen. Eines der Prinzipien von jedem Staat ist es, nur Untertanen anzuerkennen. Untertanen, welche Gesetzen gehorchen müssen, die von oben diktiert werden, das heisst, das völlige Gegenteil von freien Individuen, die sich ohne Geführte noch Führer selbst-organisieren können. Von den Bombardierungen von Dresden und Hiroshima bis zu den Dörfern von Vietnam, die dem Napalm unterzogen wurden, oder jenen von Syrien unter den TNT-Fässern: die Staaten haben in ihren schmutzigen Kriegen nie gezögert, einen Teil ihrer eigenen Bevölkerung, oder jene ihrer Konkurrenten zu opfern. Indem sie wahllos auf Pariser Passanten schossen, um deren Staat zu bestrafen, haben die kleinen Soldaten von Daesch nichts anderes getan, als die erbarmungslose Logik ihrer Gegner zu reproduzieren. Eine schreckliche Logik, so schrecklich, wie jede staatliche Macht es sein kann.

Der Ausnahmezustand, der in Frankreich seit gestern verhängt wurde, als interne Kriegsmassnahme von einer Regierung, die das Land in Adäquanz mit seiner internationalen Terrorismuspolitik bringt, ist nur ein Schritt mehr in der grundlegenden Praxis von jeder Regierung, auf die gezwungene Normalisierung des Lebens, auf seine institutionelle Kodifizierung, auf seine technologische Standardisierung abzielend. Denn, wenn der Staat in die Zukunft schaut, was sieht er? Wirtschaftliche Zusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, eine Erschöpfung der Ressourcen, internationale militärische Konflikte, Bürgerkriege, ökologische Katastrophen, Bevölkerungsexodusse… Er sieht kurzum eine Welt, die immer instabiler wird, worin die Armen immer zahlreicher und konzentrierter werden, eine Welt, die vor Verzweiflung schwitzt, die sich in ein enormes Pulverfass verwandelt, aller Art von Spannungen ausgeliefert (soziale, identitäre, religiöse). Eine Welt, worin die Entzündung des geringsten Funkens, was auch immer er sei, von einer immer totalitäreren Demokratie nicht toleriert werden darf. Dann bedeutet der „Krieg gegen den Terrorismus“, ebenso wie „Bürger“ ein anderes Wort für „Bulle“ ist, vor allem Krieg gegen all diejenigen, welche die Ränge der Macht durchbrechen. An alle, welche sich der sozialen Befriedung nicht unterwerfen, an alle, welche den Kriegen zwischen Mächtigen und Autoritären desertieren, sabotieren wir die nationale Einheit…

Ein schlechter Untertan,
Feind der Republik und aller Staaten
Paris, 14. November 2015

 

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 4 online

UNRUHEHERD

Die vierte Ausgabe der anarchistischen Straßenzeitung “Unruheherd” ist ab sofort online verfügbar.

Zum Selbstausrucken, Verteilen, Kritisieren…

Aus dem Inhalt:

  • Arbeit, Raub des Leben
  • Aus der Historie des Anarchismus
  • Das Gefängnis breitet sich aus…über die ganze Stadt!
  • Diskussion: Schulen sind Gefängnisse und Gefängnisse brennen!
  • Unruhenachrichten

Format A3, beidseitig bedruckt

FÜR DIE SOZIALE REVOLTE!

unruheherd 4(PDF)
 

 

Wien: UNRUHEHERD Ausgabe 3 online

Die 3. Ausgabe der (relativ neuen) anarchistischen Straßenzeitung ist nun Online verfügbar.

Zum Selbstausdrucken, Verteilen, Kritisieren…

Aus dem Inhalt:

– Wählt sie nicht rein, schmeißt sie raus! Gedanken gegen das Wählen

– Das “Problem Asyl” : Traiskirchen & Co.

– Wiener Linien vor die U-Bahn schubsen : Überlegungen zum öffentlichen Nahverkehr

– Über die Arbeitslosigkeit…

– Unruhe-Nachrichten

– Kontakt

PDF Seite 1, PDF Seite 2

Es lebe die Revolte!

„Avalanche – Anarchistische Korrespondenz“ auf Deutsch (Ausgabe 5)

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Editoral:

Die Basis für die Revolte gegen die alltägliche Misere ist eine Kritik der Gesellschaft. Um sich nicht länger den Mechanismen der Kontrolle zu unterwerfen müssen wir aufhören, auch nur temporär oder teilweise an das ideologische Fundament dieser Mechanismen zu glauben. Für AnarchistInnen ist diese Kritik eine radikale, denn sie ist nicht auf eine bestimmte Form von Herrschaft beschränkt, sondern zielt auf alle Manifestationen der Herrschaft in der Gegenwart, der
Vergangenheit und der Zukunft. Die anarchistische Kritik bewegt und provoziert, denn sie demystifiziert die moralischen Grundlagen der Gesellschaft. Potenziell kann sie die sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen der Herrschaft ausrenken. Sie kann Wege öffnen zur Subversion der Gesellschaft. Diese Kritik kann natürlich nicht nur auf der Ebene
der Theorie entwickelt werden. Sich nicht am direkten Konflikt mit der Gesellschaft zu beteiligen bedeutet, sich selbst die notwendigen Erfahrungen vorzuenthalten, mithilfe derer die Dynamiken von Vereinnahmung und Repression erst zu verstehen sind. Sie würde so stagnieren, und um dies zu verschleiern, würde sie in unverständlicher Sprache
vorgebracht. Sie würde so im schlechtesten Fall zum Werkzeug der Repression und Vereinnahmung werden, in den Händen der Macht. Die Dynamik zwischen kritischer Aktion und Analyse ist eine Lebendige. Sie soll vermeiden, dass während andere spezifische Machtstrukturen demystifiziert werden, andere Formen der Autorität wiederum mystifiziert
werden und neuen Kreisläufen von Repression und Unterdrückung der Boden bereitet wird.

Die Repression gegen AnarchistInnen hat nie gewartet, bis es eine anarchistische Bewegung gab die groß genug wäre eine Armee, Guerilla, eine Gegenmacht zu stellen, um die Macht gewaltvoll anzugehen. Sie hat erkannt, dass die Stärke der Anarchie nicht in der Menge der mobilisierbaren SoldatInnen oder Ressourcen liegt, sondern in den subversiven Ideen und den Taten, die sie hervorbringen kann. Jeden Repressionsschlag darauf zurückzuführen, dass die Repressionsorgane eine wachsende Bedrohung in den betroffenen AnarchistInnen sehen, wäre voreilig – und manchmal eine Fehlannahme bezüglich der Möglichkeiten der AnarchistInnen und/oder der Polizei. Andere Motive mögen relevanter erscheinen – um die Produktivität der Polizei zu zeigen (und ihre eigene Existenz und ihren Ausbau zu legitimieren), um ein Spektakel der Krise zu erzeugen (um z.B. politische Entscheidungen als unabwendbar erscheinen zu lassen), um ein Exempel zu statuieren (um RebellInnen abzuschrecken)…

Aber die Macht wird anarchistische Angriffe auf die sozialen Beziehungen, die sie zum Existieren braucht, niemals tolerieren. AnarchistIn zu sein oder nicht war nie die zentrale Frage, weil eine radikale Kritik der Autorität in keine Identität oder Adjektive gepresst werden kann. Sie ist eine nie endende Dynamik der Praxis und Theorie einer Kritik, deren Ziel die Subversion der Gesellschaft ist. AnarchistInnen und anarchistische Kämpfe können sich dieser Dynamik
nicht entziehen. Diese Publikation wurde als Werkzeug eben hierfür geboren – Raum für Gedanken zu Möglichkeiten,
die anarchistische Kritik zu einer potenziell subversiven Kritik zu machen, sie eintauchen zu lassen in eine Dynamik von Analyse und Aktionen. Die Projekte des Kampfes (oder die Interventionen von AnarchistInnen in Kämpfen) sind die Erfahrungen, die wir miteinander teilen sollten, um zu verstehen und zu reflektieren.

Die Texte, die auf dieser Basis entstanden sind, sind die Beiträge, die wir für eine Korrespondenz, die eine anarchistische, radikale Kritik der Gesellschaft bestärken, für notwendig halten.

Inhalt:
Mexiko – Rekuperateure des Bestehenden
Mexiko – Wählt sie nicht rein, schmeißt sie raus!
Mexiko – Zu anarchistischem Internationalismus
Chile     – Umweltzerstörung und die Konfrontation mit der Macht. Den Feind durch die Propagierung seiner Zerstörung bloßstellen
Spanien –  Brief über die kürzlichen Verhaftungen und Inhaftierungen während der „Operation Piñata“ an die Anarchisten und antiautoritären Gefährten
Spanien –  Halluzinationen, Einschüchterung und Kontrolle
Spanien –  Der Hashtag-Effekt
Deutschland –  Denkanstöße und Diskussionsvorschläge zur möglichen Entwicklung von Projekt(en) und Bewegung(en)
Belgien –  Feuer dem Maxi-Gefängnis!
Griechenland – Reflexionen über den Hungerstreik gegen die C-Typ Knäste
Europa – Vorschlag für eine internationale Debatte betreffend der repressiven Restrukturierung

Für Kontakt oder um die „Avalanche“ geschickt zu bekommen, schreibt an: avalanche-de@riseup.net

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Avalanche.noblogs.org

Text von Nikos Maziotis (Revolutionärer Kampf): Griechenland’s Insolvenz und der Austritt aus der EU und dem EURO

Die SYRIZA Regierung bricht zusammen. Der griechische Zahlungsausfall und der Austrittsprozess aus der Eurozone, von den Kreditinstitutionen vorgesehen, begann schon 2010 und steht heute für den Anfang vom Ende der SYRIZA-Regierung. Die Umsetzung des Memorandums von 2010 steht für eine Phase im planmäßigen griechischen Zahlungsausfall. Dieses Memorandum ist ein Beschluss der supranationalen Wirtschaftselite zur Unterstützung und Sicherung des Euros und den Ausschluss eines Mitglieds, was mittlerweile als Krebsgeschwür, der Krise und der Verschuldung, wahrgenommen wird. Der Zahlungsausfall wurde von der supranationalen Wirtschaftselite stets als Voraussetzung für die Rettung des Landes gesehen. Man hat auch nie die Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern vernachlässigt. Dies wurde durch den Miteinbezug des IWF, EZB und der Europäischen Kommission nochmals versichert. Seit 2009 war Griechenland ein bankrottes Land, dies wusste sowohl die damalige Regierung von Georgios Papandreou als auch die EU. Seit 2010 vertrat die supranationale Wirtschaftselite eine Taktik, die die Zahlungseinstellung zur Folge hatte, was den Gläubigern, die damals im Besitz von Griechenlandbonds waren, zugute kam – namentlich: französische, deutsche, britische und amerikanische Banken.

Gleichzeitig stimmte die SYRIZA am 20. Februar für die Unterzeichnung, dass es keinen unilateralen Bruch der Schuldenrückzahlung geben kann, dass die staatlichen Vermögenswerte Griechenlands eingefroren und im Falle von Zahlungsausfällen verkauft werden können.

 Zusätzlich wird nun nicht mehr griechisches, sondern angelsächsisches Recht angewendet. Dieses verbietet die Umwandlung des Kredits vom Euro in eine andere unterbewertete Währung. Der griechische Staat verzichtet auf die Souveränität der eigenen Güter, die nun alle unter Verwaltung der Kreditoren stehen. Das zweite Ziel des Memorandums war die Rückerstattung der griechischen Bonds und des Schuldentransfers an internationale Organisationen wie der IWF, EZB und Mitgliederstaaten der EU. Dies gelang durch einen weiteren Kredit von 110 Milliarden, welcher die alten Schulden mit neuen ersetzt hat. Durch diesen Prozess der Vergrößerung des griechischen Bankrotts, konnten die Besitzer der griechischen Bonds ihre Abfall-Aktien mit kleinstem Verlust loswerden.

Dieser Prozess wurde auch mit dem PSI (Private Sector Involvement) vorangetrieben, als im März 2012 die Schulden umstrukturiert wurden. Die großen Gewinnerinnen waren die ausländischen Banken und die großen Verliererinnen die griechischen Banken, die griechischen Fonds für die soziale Sicherheit und die Kleinanleger.

Gleichzeitig drängte die supranationale Wirtschafts- und Politikelite das Land in den Ruin. Dafür benutzte sie das Dilemma „Austerität oder Bankrott und Desaster“ und vertrat für fünf Jahre eine Politik gesellschaftlichen Völkermords und Euthanasie gegen verschiedene Bevölkerungsgruppen. Das Ergebnis sind tausende Tote und Arme, Hunger und Verelendung.

Das endgültige Ziel der Kreditgeber ist die Schaffung einer EU zweier Geschwindigkeiten: Mit mächtigen Ländern mit einem großen Überschuss und schwächere,  die sich bei den anderen verschulden.

Wie wir von „Revolutionärer Kampf“ schon im Dezember 2008 in unserem Papier „Griechenland als Ausgangslage für den revolutionären Kampf” sagten:* Unser Austritt aus der EU und dem Euro ist heute eine Tatsache, die der Stärkung des Euros dient. Mit dem Voranschreiten der Krise und dem finanziellen Zusammenbruch eines europäischen Landes nach dem anderen, wird es für die EU, dem Euro und der ganzen Europäischen Union immer schwieriger zu überleben. Ein optimistisches Zukunftsszenario für die Union wäre eine Aufteilung, in der die stärkeren Länder mit grossem Überschuss über die schwächeren Länder bestimmen können. Periphere und bankrotte Länder der EU wären dann Protektorate, weil sie ihre politische und wirtschaftliche Souveränität aufgeben würden und den politischen wirtschaftlichen Direktiven der EU folge leisten müssten. Dieses Verhältnis wird von der EU gefördert und schafft einen Mechanismus der kontrollierten Verarmung.

Fünf Jahre später konkretisiert sich dieser Prozess innerhalb der EU: der griechische Insolvenz und der Ausstieg aus der Währungsunion. Durch diesen regelrechten Konkurs weiht Griechenland nun die zweite Spur der EU ein. Alle griechischen Regierungen sind, seit dem Jahr 2010, diesen Ambitionen der supranationalen Wirtschaftselite treu geblieben.

Die SYRIZA – Regierung geht noch schneller unter als ihre Vorgänger Samaras und Papandreou. Die Kreditinstitute haben sich für den Zahlungsausfall und den Ausstieg aus der Währungsunion entschieden. Selbstverständlich ohne irgendwas an den Rückzahlungsverpflichtungen zu ändern. Dies obwohl die SYRIZA schon nach den ersten fünf Monaten ihr Wahlprogramm verworfen hatte. Sie stimmte einer Rückzahlung zu und der Erweiterung des Memorandum Nr. 2. Sie überschritt in den Verhandlungen viele ihrer sogenannten „roten Linien“ und erhoffte sich dadurch ein neues Memorandum zu unterschreiben. Ein Memorandum, das SYRIZA selbst als rigider bezeichnet hat, als das vom ehemaligen Finanzminister Hardouvelis. SYRIZA hat in fünf Monaten folgendes bewiesen: die Nichtumsetzbarkeit ihres Programms, wie unmöglich es ist, ihre keynesianischen Reformen im heutigen globalisierten Neoliberalismus innerhalb der EU anzuwenden, wie widersprüchlich es war die Rückzahlungsverpflichtung zu akzeptieren und gleichzeitig den Mindestlohn erhöhen zu wollen, den Privatisierungen zuzustimmen und dennoch innerhalb der privatisierten Unternehmen als Staat vertreten zu sein. Man wollte weitere Kredite verlangen, obschon man sich weigerte die vertraglichen Bedingungen einzuhalten, nachdem diese explizit angenommen wurden als Gegenleistung für eine Rückzahlungsverlängerung bis zum 20 Februar 2015. Man verstrickte sich in heiklen Verhandlungen und überschritt die „roten Linien“ als neue Maßnahmen des Memorandums akzeptiert wurden. Es wurden neue Steuern erhoben, die Mehrwertsteuer stieg, das Einkommen und die Arbeitslosenversicherung sanken, dafür stieg die Arbeitslosigkeit. Dadurch erhoffte man sich die Kreditinstitute zu erpressen und drohte die Raten des Darlehens nicht zu bezahlen. Gleichzeitig hatte SYRIZA am 20 Februar zugestimmt, dass es keine einseitige Aufhebung der Rückzahlung gäbe und dass die griechischen staatlichen Vermögenswerte eingefroren werden, wenn sie nicht zahlen.

Offensichtlich hielten die Geldgeber die SYRIZA –Regierung für einen vertrauenswürdigen Partner und eine gute Administration der griechischen Krise. Der Vorschlag der Regierung eine Abstimmung am 5. Juli zu veranstalten, um auf die Vorschläge der KreditorInnen einzugehen oder verwerfen, ist lediglich ein Nachrichtenmanagement des sinkenden Schiffs. Hinzu kommen Verschwörungstheorien, Putschverdachte und eine Wiederholung der Geschehnisse des vom Juli 1965, welche den Umsturz wollen.

In Wahrheit bricht die SYRIZA unter ihren Widersprüchen und Stillstand zusammen. Für die Abstimmung gibt es keine Grundlage. Fünf Tagen vor der Abstimmung, am 30 Juni, endet das Austeritätsprogramm. Das Land befindet sich schon im Zahlungsverzug. Somit gibt es weder Neuverhandlungen noch einen Einigungsvorschlag mit den Kreditinstitutionen. Übrigens, das Ergebnis wird keinen Einfluss auf den Staatsbankrott und den Euroaustritt haben. Beides ist nicht mehr aufzuhalten, genau wie der Untergang der Regierung.

Bei einem „JA“ für den Vorschlag der Kreditinstitute, wäre der Untergang unmittelbar, da die Regierung ein „NEIN“ empfiehlt. Gäbe es eine „NEIN“-Mehrheit, würde die Regierung ein wenig Zeit gewinnen. Sie ist dennoch völlig unvorbereitet und unfähig mit den Konsequenzen eines Staatsbankrotts und den Euroausstieg umzugehen. Sie wird irgendwann Untergehen.

Unabhängig vom Wahlergebnis bietet diese Abstimmung keine Lösung. Es geht um das Dilemma Drachme oder Euro, es bietet aber keine Lösung für die Probleme der Bevölkerung.

Wie wir vom „Revolutionären Kampf“ schon gesagt haben, tilgt der Euroausstieg und die Wiederaufnahme der Drachme innerhalb der EU keineswegs die Schulden oder die Verpflichtungen gegenüber dem Memorandum. Eine der Richtlinien des Memorandum verbietet die Umwandlung des Kredits vom Euro in eine andere unterbewertete Währung. Die Drachme würde die Schulden sogar vergrößern.

Die Anwendung der entwerteten Drachme würde zusätzlich die Kaufkraft der ArbeiterInnen senken und somit den gesamten Lebensstandard. Was Armut und Verarmung steigern würde. Das Problem wird nicht einfach durch die Währungsfrage gelöst. Wer glaubt, der Euroaustritt innerhalb der EU sei eine radikale Lösung, macht einen grossen Fehler. Der Euroaustritt ist ein Wunsch der Kreditinstitute, um aus einem Land ein Protektorat innerhalb der EU zu machen. Somit vereinfacht es den Verkaufsprozess für die Schuldenrückerstattung.

Nur eine Mobilisierung von unten, der Umsturz von Staat und Kapital durch eine revolutionäre Bewegung wird die Schulden tilgen, das Land von der EU, der NATO und der Marktwirtschaft befreien und eine radikale Lösung darstellen. Sie würde einen neuen Gesellschaftsvorschlag einbringen. Eine Gesellschaft. die auf den libertären Kommunismus basiert, aufbauend auf eine Föderation einzelner Gemeinschaften, Arbeiterräte und Volksversammlungen. Die Bankrottpolitik der SYRIZA, der Staatsbankrott und der Euroaustieg, dessen Konsequenzen nicht mal die GeldgeberInnen selbst kennen, schaffen für revolutionäre Kräfte eine Vielzahl von Möglichkeiten für die von uns vorgeschlagene Umsturzperspektive.

Stimmenthaltung beim Referendum

Nein zum Euro oder Drachme Dilemma

Die einzige Lösung ist die soziale Revolution und die Bewaffnung des Volkes

Nikos Maziotis
Koridallos Gefängnis

[28. Juni 2015]

[Belgien] An die Unkontrollierbaren

Ordnung muss herrschen: dies ist die Devise von jeder Macht. Und ihr Ordnung, die kennen wir: ihre Massaker an den Grenzen, ihre Ausbeutung bei der Arbeit, ihren Terror in den Gefängnissen, ihren Genozid in den Kriegen, ihre Vergiftung in unseren Lungen, ihre Verwüstung von allem, was schön und frei ist, ihre Ideologie in unseren Köpfen und ihre Erniedrigung in unseren Herzen. Und in Brüssel hat die Macht einen Gang höher geschaltet. Ob es die Läden für die Eurokraten oder die neuen Lofts für die Reichen sind, die Bullen, die sich vervielfachen wie Hasen, oder die Kameras, die wie Pilze aus dem Boden schiessen, die neuen Einkaufszentren oder die Stadtaufwertung, um die Kontrolle zu verstärken, die Mitteilung ist klar: Ordnung muss herrschen und die Armen, die Ausgeschlossenen, die Sans-Papiers, die Kriminellen, die Revoltierenden, wir sind unerwünscht in dieser Stadt, wir sind nur gut dafür, zu gehorchen, nur dafür, den Rücken zu beugen oder zu verrecken.

Heute ist eines der Scheinwerferprojekte der Macht in Brüssel der Bau von einem Maxi-Gefängnis, des grössten Gefängnisses der belgischen Geschichte. Der Schatten seiner Mauern und die Verzweiflung seiner Bunker drohen allen, die sich abrackern, um in dieser Welt zu überleben, die nicht in den Reihen bleiben, welche diese Welt auferlegt, die gegen die Unterdrückung revoltieren. Ein düsterer Ort, um die Unerwünschten beiseite zu stellen, jene, welche dem strahlenden Marsch der Ökonomie und der Macht schaden; ein Ort, der all jene Bauwerke wiederspiegelt, in denen sich die Gewalt der Macht konkretisiert, wie die geschlossenen Zentren für illegale Migranten, die psychiatrischen Kliniken, die Kommissariate… – und, wieso nicht, die Einkaufszentren, die Institutionen, die Strassen der Städte, die zu breiten Anbauten eines enormen Gefängnis unter offenem Himmel geworden sind.

Gegen dieses Maxi-Gefängnis zu kämpfen, heisst also, wieder den Geschmack der Freiheit zu finden. Seinen Bau zu verhindern, heisst, gegen den Marsch der Macht in Richtung immer mehr Kontrolle und Unterwerfung zuzuschlagen. Seine Realisierung zu sabotieren, heisst, gegen alles in den Kampf zu ziehen, was es repräsentiert, ein Kampf, der sich nicht auf die Legalität beschränken lässt, sondern sich mit allen Waffen ausrüstet, die er für angemessen hält. Es ist ein Kampf, den es selber zu führen gilt, auf selbstorganisierte und autonome Weise, ohne politische Parteien oder offizielle Organisationen, ohne gewählte oder werdende Politiker.

Die letzten Jahre von Kampf gegen dieses Maxi-Gefängnis sind ein Parcours gewesen, der von Kampfinitiativen in den Quartieren von Brüssel (fern von Scheinwerfern von Medien und vom Gestank der Institutionen), direkten Aktionen gegen die Verantwortlichen von diesem Projekt (Bauunternehmen, Architekten, Ingenieure, Politiker, Polizisten, Bürokraten) und Sabotagen in allen Ecken der Stadt und von Belgien durchsäht. Unkontrollierbar, weil sich nicht an die Grenzen haltend, die von dieser demokratischen Macht auferleget werden, unverwaltbar, weil aus der freien Initiative hervorkommend, welche keiner Hierarchie gehorcht, unregierbar, weil jeglichen Dialog mit der Macht verweigernd, um die Räume des wahren, freien Dialogs unter kämpfenden Personen wieder zu kreieren. Drei Charakteristiken, die mit keiner Macht werden vereinbar sein können, und die darin den süssen Geschmack und den stolzen Charm der Freiheit haben. Drei Charakteristiken, die in alle laufenden sozialen Konflikte einbrechen können, überall, wo sich die Demarkationslinie zwischen der Macht und jenen, die sich ihr entgegenstellen, abzeichnet, im Leben von jedem und jeder.

Und all dies gefällt der Macht nicht. Es gefällt ihr nicht, dass man das sagt, dass man darüber spricht, dass man das vorschlägt, dass man in diesem Sinne handelt. Wenn vor kaum einer Woche die Journalisten Tonnen von Scheisse über diesen Kampf gegen das Maxi-Gefängnis verschütteten (und somit gegen jede Person, die auf selbstorganisierte und autonome Weise gegen die Macht kämpft), so waren es am Mittwoch, dem 10. Juni 2015, die Bundespolizisten, die früh morgens die Türen von vier Häusern von kämpfenden Gefährten und des Passage, einem Lokal des Kampfes gegen das Maxi-Gefängnis in Anderlecht, einbrachen, um die Worte von Revolte zu durchsuchen und zu beschlagnahmen, welche die Macht nicht tolerieren könnte. Eine Repression, deren Ziel es deutlich ist, zu versuchen, diesen Kampf zu bremsen, dem es, durch das Wort und durch die Geste, durch das Flugblatt und durch das Feuer, durch die direkte Aktion und durch den Angriff, zu Tag wie zu Nacht, zu vielen oder zu wenigen, gelingt, sich einen Weg zu schlagen. Dieses Manöver der Bullerei spiegelt die Repression wieder, die der Alltag von allen Unerwünschten in Brüssel und in der genzen Welt ist: von den Foltern in den Kommissariaten bis zu den Morden in den Gefängnissen, von den im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen bis zu den durch die Arbeit und die Warenerstickung ausgelaugten und zerschindeten Leute.

Wenn die Macht Angst säht, um besser zu kontrollieren und zu herrschen, « c ’est reculer que d’être stationnaire* »: bekräftigen wir also die Freude, frei zu kämpfen, den Stolz der Ideen, die sich ihren tödlichen Werken entgegenstellen, und die Solidarität unter all jenen, die noch immer den Tram von einer Welt hegen, die der Macht entledigt ist. Setzen wir die Feindlichkeiten fort gegen alles, was uns erstickt.

Wir ziehen uns nicht zurück – greifen wir das Maxi-Gefängnis, seine Erbauer und seine Verteidiger an

Mut und Entschlossenheit all jenen, die gegen die Macht und für die Freiheit kämpfen

* eine Strophe des Liedes „Le triomphe de l’anarchie“ von Charles d’Avray (1878-1960): «stehen zu bleiben, bedeutet, einen Schritt zurück zu machen».

Quelle: La Cavale [Juni 2015] — auf Italienisch

Psychiatrie übernehmen bitte!

marcoEs ist mit Sicherheit keine neue Erfindung, dass Systeme die Menschen, die sie eher fürchten als mögen zu pathologisieren versuchen, zu psychiatrisieren. Ein perfides, widerliches und auch zutiefst feiges „Spiel“.
https://linksunten.indymedia.org/de/node/143229

Marco Camenisch, unser Genosse, der nun seit über 20 Jahren eingeknastet ist, erhielt von der forensisch psychologischen Abteilung des Amtes für Justizvollzugs (AJV) in Zürich die ROS-Abklärung (Risikoorientierter Sanktionenvollzug).
Da haben die sich tatsächlich alle Mühe gegeben ihn kleinzukriegen, kaputt zu machen, zu demütigen und der Typ weigert sich einfach, dass mit sich machen zu lassen. Nichts hat sich geändert an seiner „deliquenzfördernden Weltanschauung“ und so wäre eine Versetzung in den offenen Vollzug „aufgrund einer erhöhten Rückfall- und Fluchtgefahr nicht zu verantworten,…“

Die „deliquenzfördernde Weltanschauung“ ist eine Weltanschauung, die der Psychiatriebetrieb u.a. unter Frank Urbaniok, der sein Unwesen als forensischer Psychiater im Kanton Zürich treibt, entwickelt hat und die da sagt, dass „die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Straftaten“ erhöht werden durch „Überzeugungen und Glaubenseinstellungen“. Das heißt, wenn ich z. B. der Meinung bin, dass meine Zivilisation besser ist als eine andere, dann verteidige ich mal eben meine Freiheit am Hindukusch oder so? Wahrscheinlich heißt es einfach nur, wenn wer nicht so tickt wie vorgeschrieben und das auch noch offensiv lebt und kämpft, wird er/sie als psychisch gestört betrachtet. Wer die ausbeuterischen und machtgeilen Zwecke derjenigen die null Respekt vor Leben aller Art haben nicht anerkennt, ist krank und gemeingefährlich.

Sie führen Kriege, foltern Menschen, lassen sie krepieren auf vielfältige Art und Weise, da ist der Kreativität keine Grenze gesetzt. Aber wehe, ein Bulle kriegt mal was ab, da wird gejammert und gewehklagt über die böse Gewalt. Sie verstrahlen und vernichten ganze Regionen mitsamt sämtlicher Flora und Fauna, aber wehe da wird ein Strommast gesprengt. Heultiraden werden dann angestimmt und nach Bestrafung geschrien.

„Deliquenzfördernde Weltanschauung“ und damit im Zusammenhang „chronifizierte Gewaltbereitschaft“…wer jetzt! Genossen wie Marco? Nee, ihr Arschlöcher seid es, die permanent auf dem Leben herumtrampeln, erniedrigen, krank machen, töten. Es ist das Wesen eurer Weltanschauung, nicht unseres. Leute wie Urbaniok dienen da vorzüglich und mit Sicherheit nicht aus altruistischen Gründen. Leute wie Urbaniok gehen wie all die, die dem Kapitalismus huldigen über Leichen und das nicht nur im bildlichen Sinne.
Menschen wie Marco sollen genauso tot gemacht werden, denn nichts anderes würde es bedeuten, wenn er sich, wie von ihm in dieser ROS-Abklärung verlangt wird „ein neues, deliquenzfernes Umfeld aufzubauen“ und sich kontrollieren zu lassen („freiwillig“) ob er dies auch einhält. Nach ihrem Verlangen soll er all den Menschen, die ihm nahe sind, den Gefährt_innen in all den Jahren den Rücken kehren und seiner innersten Lebenseinstellung abschwören. Dies käme einem sozialen und seelischen Tod gleich. All die Jahre Knast haben es nicht geschafft, ihm seine Überzeugungen zu nehmen. Klar, dass verstehen die nicht, die bereit sind, sich für eigene Vorteile zu verkaufen und da drehen sie nochmal am Rad. Letztlich auch hilflos, denn 2018 müssen sie Marco rauslassen und haben weder seinen Geist, noch Herz und Seele schlucken können. Tja verloren, ihr rechtschaffenen Bürger_innen!

Im Sinne einer „chronifizierten Gewaltbereitschaft“ für eine Welt ohne Herrschaft! Für die Anarchie!

Marco Libero! Und nicht nur Marco!

Ann Arkia

Domokos Gefängnis: Text von Nikos Maziotis zu den Wahlen am 25. Januar und der SYRIZA/ANEL Koalition

your ballot boxDieser Text wurde von Nikos Maziotis verfasst. Er behandelt die griechischen Wahlen vom 25. Januar 2015 und die Koalition zwischen der SYRIZA und ANEL.

Die Wahlen vom 25. Januar gehören zu den grössten „Errungenschaften“ zivilisierter Demokratie. Sie waren auch der Beweis, in was für eine Missgunst dieses verfaulte politische System geraten ist. 1/3 aller Wahlberechtigten kehrte diesem „Fest“ den Rücken zu ging nicht zur Wahl. Von den ca. 9.800.000 Wahlberechtigten, haben lediglich 63.5% daran teilgenommen. Das heisst, die Zahl gültiger Stimmen belief sich auf ca. 6.180.000. Hingegen gingen 3.620.000, das sind 36.5% gar nicht Wählen. Von allen Wahlstimmen erreichte SYRIZA 36%, das sind ca. 2.200.000 Stimmen. Was heisst, dass die SYRIZA Regierung lediglich von ¼ der Wahlberechtigten gewählt wurde.

Es war ein Triumph der Wahlfavoriten, und durch demokratischen Zentralismus gekennzeichnet. Es ist nicht die Mehrheit die durch ihre Stellvertreter „herrscht“, wie es sein sollte. Es ist die Minderheit. Es hat sich wieder mal gezeigt, dass das politische System gestützt vom bürgerlichen Parlamentarismus, bei Millionen von Bürgern in Verruf geraten ist. Es ist der Beweis dafür, dass durch dieses Misstrauen welches mit der ökonomischen Krise wuchs, jede Regierung der letzten Jahre eine Minderheitsregierung ist und man ihr nicht mehr trauen kann. In Wirklichkeit müsste man sagen, liegt die Macht in den Händen derer, die nicht mehr an die Wahlillusion der linken und rechten Schwindler glauben.

Million von Bürgern glauben nicht mehr an politische Parteien und erwarten auch nichts mehr von ihnen. Aber die reine Wut führt zu nichts, solange sie nicht an politische Aktion gebunden wird. Das Ziel sollte der Machtsturz der überstaatlichen ökonomischen Elite und deren Stütze, der bürgerliche Parlamentarismus, sein. Der einzige Ausweg aus diesem Leiden, ist wenn die Wut und Groll von Millionen von Bürgern, sich in politische Aktion und Dynamik verwandelt. Das heisst, der Hang der Klasse und der Gesellschaft zu einer revolutionären Perspektive, der bewaffnete Aufstand gegen Staat und Kapital. Die Perspektive einer direkten Demokratie, statt die sozialen und politischen Anliegen in die Hände Berufspolitiker zu geben. Diesem System müssen wir mit selbstverwalteten Strukturen gegen halten. Wie zu erwarten war, ist das Ergebnis dieser Wahlen eine Links-Rechts Koalitionsregierung.

Man kann die ANEL auch nicht anders als Rechts bezeichnen. Die Partei der „Unabhängigen Griechen“, mit denen der rechte Flügel der SYRIZA die Koalition formiert hat, stammt aus dem Umfeld der traditionellen nationalistischen Rechten. Ihr Programm stützt sich auf orthodoxen und nationalistischen Dogmatismus: „Nation – Religion – Familie“. Ihre politische Linie befürwortet den autoritären Staat, Dogmen in deren Mittelpunkt Ordnung und Disziplin stehen, wachsende Intoleranz, Rhetorik aus dem Umfeld von Verschwörungstheorien, Panikmache und die harte Bekämpfung aller Gefahren für das Land. Zu diesen Gefahren gehören MigrantInnen, AnarchistInnen und Militante des bewaffneten Kampfes.

Es fehlen nur noch die Hakenkreuze. Der Machthunger von SYRIZA und ANEL hat diese eigenartige Ehe zwischen Links und der extremen Rechten ermöglicht. Die abscheuliche Ehe ist auf einen schleierhaften „Anti-Memorandum-Block“ aufgebaut. So etwas hat man noch nie gesehen, weder in Griechenland, noch weltweit. Auch die Nazipartei „goldene Morgenröte“ ist eine Anti-Memorandum Partei. Sie ist aber, im Gegensatz zur SYRIZA, gegen die EU. Die Mehrheit Ihrer Wählerschaft stammt aus dem Umfeld der nationalistischen und traditionalistischen Rechte. Diese ist enttäuscht von der Partei „Neue Demokratie“ (eine Rechte Strömung der vorherigen Regierung). Bis vor kurzem war die Partei die stärkste Vertretung der griechischen Rechte. Ein Teil davon sah die Kollaborateure und Verräter der deutschen Besetzung, die „Chites“ (Mitglieder der Militärgruppe „X“ welche die Nazis während der Besatzung unterstützte) sowie die Mitglieder des „Sicherheits-Bataillon“ (Paramilitärische Gruppen die mit den Deutsch-Italienischen Truppen kollaboriert haben) stets als „griechische Patrioten“, die das Land vor dem Kommunismus gerettet haben indem sie sich mit den Deutschen vereinten.

Viele ANEL Wähler teilen diese Meinung. Es ist ein paradox, dass viele, auch AnarchistInnen, die SYRIZA als Bollwerk gegen die extreme Rechte gewählt haben, und genau diese Partei nun mit einem Teil der extremen Rechten kooperiert um zu regieren. Tatsache ist auch, dass viele die SYRIZA aus Verzweiflung gewählt haben, und sich für das kleinere Übel entschieden haben. Das gleiche gilt auch für die AnarchistInnen, die SYRIZA, gegen ihre Prinzipien, gewählt haben. Die Partei versprach die Hochsicherheitsgefängnisse Typ C für alle politischen Gefangenen und Militanten des bewaffneten Kampfes abzuschaffen. Sie glaubten an eine Abschwächung der Repression in Bezug auf die Mobilisierungen und Demonstrationen. Selbst wenn die SYRIZA-ANEL Regierung mittels eines taktischen Zuges die Typ C Gefängnisse abschaffen würde, wäre es keine Entschuldigung für den Verrat an die anarchistisch-revolutionären Werte.

Siege erreicht man durch Kämpfe, wie uns die Geschichte revolutionärer Bewegungen bewiesen hat. Nicht durch Zugeständnisse von oben, die dazu noch, aus taktischen Gründen gewährt wurden. Das Ziel dieser Zugeständnisse ist die Vereinnahmung der anarchistischen/antiautoritären Bewegung. Diese Regierung weiss, wie man das Zuckerbrot und wenn nötig auch die Peitsche benutzen kann. Die Stimmen der Anarchisten für die SYRIZA wurden gekauft. Es ist ein lächerliches Phänomen Anarchisten zuzuschauen, wie sie zusammen mit den Jugendsektionen der Regierungspartei, die sich mit der extremen Rechten zusammengeschlossen hat, zum Jahrestag des Imia-Vorfalls, gegen die „goldene Morgenröte“ demonstrieren.

Es waren die sozialen Bewegungen, welche den antifaschistischen Kampf, den bewaffneten antifaschistischen Kampf, wie die spanischen Anarchisten 1936, vorangetrieben haben. Nicht gewählte Regierungen. Der Staat und die Koalition zwischen SYRIZA und der rechtsextremen ANEL ist „antifaschistisch“!! Genauso wie die Samaras Regierung angeblich „antifaschistisch“ gewesen ist, weil sie Mitglieder der „goldenen Morgenröte“ einsperren liess!! In Wahrheit haben alle die sich selbst oppositionell oder anarchistisch bezeichnen und gewählt haben, einen schlechten taktischen Zug gemacht. Sie haben politische Schwäche gezeigt. Sie haben gezeigt, keinen Willen zu haben eine revolutionäre antikapitalistische Bewegung aufbauen zu wollen. Eine Bewegung die das Regime stürzen kann, welches diese Krise überhaupt verursacht hat.

Alle, die sich selbst oppositionell oder anarchistisch bezeichnen und gewählt haben, haben sich vereinnahmen lassen. Haben sich entschieden, sich einer Regierung anzupassen, die das linke Standbein des Kapitalismus ist. Sie haben die historische Parole vergessen:“ Die Bosse sind immer die gleichen, egal ob rechts oder links!“. Die Machtergreifung der SYRIZA sollte nicht die Positionen der AnarchistInnen ändern, die konsequent den revolutionären Kampf weiterführen. Den Kampf für den Sturz von Staat und Kapital. In diesem Kampf stellt sich uns die SYRIZA, wie jede Regierung, als Hindernis, als Feind entgegen.

Wie ich schon in meinem Text:“ Die Lösung findet man nicht mit dem Wahlzettel in der Hand, sondern mit der bewaffneten Bevölkerung“ festgestellt habe, wird die Koalition SYRIZA-ANEL kein langes Leben haben. Sie wird genauso enden wie die Regierungen von Samaras oder Papandreou. Sie wird auseinanderfallen, unter dem Gewicht ihrer Widersprüche und der nicht eingehaltenen Wahlversprechen. Sie wird sich weder der politischen Verantwortung, ihrer erzwungenen Entscheidungen, entziehen können, noch den Kompromissen die sie eingehen muss, mit der überstaatlichen ökonomischen Elite. Die grosse Frage für die Nach-SYRIZA-Zeit ist welche politischen Reserven das System hat, um die Krise in Griechenland zu verwalten. Die pluralistische Tendenz der Regierungszusammensetzung, sowie die Allianz mit der ANEL, sind Beweise für die Instabilität der jetzigen Regierung, welche die Krise weiter vorantreibt und deren Sturz herbeiführen wird.

Tatsache ist, dass diese Regierung aufgrund der Erwartungen der Wähler und ihrem „Linksprofil“ als Partei viele enttäuschen wird. Die Aussagen von Tsipras, man würde sich nicht mit Kreditinstituten oder Institutionen der überstaatlichen Wirtschaftselite anlegen, lassen künftige Kompromisse erahnen. Es gibt keinen Mittelweg zwischen Konflikt und Unterwerfung. Da die neue Regierung keinen Konflikt provozieren will, wird sie sich unterwerfen.

Es hat sich bewahrheitet, was wir von „Revolutionärer Kampf“, schon immer behauptet haben. Weder SYRIZA noch eine andere Regierung möchte in den Krieg ziehen gegen die Kreditinstitute und Institutionen der überstaatlichen Wirtschaftselite. Ihr einziges Interesse ist die Macht und sich ein Stück von der Torte zu sichern. Die zu Beginn des Wahlkampfes versprochene Abschaffung aller Bedingungen des Memorandum ist nun Geschichte. Vorhersehbar ersetzt durch Neuverhandlungen des Memorandum und der Schulden.

Sie widersetzen sich nicht dem Memorandum und den Schulden, den Ketten der Bevölkerung Griechenlands. Bevor der Hahn krähen konnte ereignete sich der erste Verrat. Die Wahlversprechen, der Grund ihres Wahlsieges, wurden gebrochen. Sie sagen sie würde die Privatisierungen stoppen. Gemeint ist die Teilprivatisierung des Hafens in Piräus (OLP), der Stromgesellschaft (DEI) oder des Naturgas (DEPA). Sie sagen sie würden nach wie vor die Konventionen berücksichtigen, um die Investitionen zu begünstigen, um die Bevölkerung auszubeuten, die Arbeiter und die natürlichen Ressourcen für das Kapital. Der Minister für den Wiederaufbau von Produktion, Umwelt und Energie Lafazanis, Mitglied der linken Plattform und Verfechter der Drachme (griechische Währung vor dem Euro), befürwortet die Privatisierung der DEPA und sagt, dass alle Memoranden schrittweise abgeschafft würden. Der neue Wirtschaftsminister Varoufakis befürwortet die Privatisierung im allgemeinen, und im speziellen die des OLP. Der Premier Tsipras versicherte auf Bloomberg, Griechenland würde seine Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Zentralbank (BZE) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) nicht vernachlässigen. Varoufakis versicherte seinem französischen Pendant in Paris, er befürworte einen neuen Entwurf oder Neuverhandlungen mit den Finanzpartnern. Das heisst einem neuen Vertrag zuzustimmen, egal ob dieses nun Memorandum heisse oder nicht, mit neuen Massnahmen, Kürzungen und strukturellen Veränderungen. Dies wurde auch am Londoner Dinnerbankett der deutschen Band und Merrill Lynch wiederholt. Ich möchte daran erinnern, dass die Samaras Regierung kurz davor Stand neue Massnahmen anzunehmen. Dies nach der neusten Einschätzung der Troika (EZB, EU, IWF). Von denen wurde behauptet es handle sich nicht um ein neues Memorandum.

Der Verzicht die Wahlversprechen einzuhalten wird rastlos vorangetrieben, besonders nachdem die EZB beschlossen hat keine griechische Obligationen mehr anzunehmen. Diese Entscheidung wird erst am 28. Februar, also am Ende des aktuellen Memorandum, in Kraft treten. Dies geschieht um Druck gegen die griechische Regierung aufzubauen. Man will sie durch Angst unterwerfen. Angst nicht mehr flüssig zu sein, vor der Mangelwirtschaft und des Bankrotts, denn die Reserven werden immer knapper. Der Regress, die eindeutigen Widersprüche und die Leugnung von Behauptungen und Versprechen werden grösser. Varoufakis behauptete bei Dijsselbloem das Memorandum zu zerreissen. Dem deutschen Finanzminister Schäuble versprach er wiederum 67% der Verpflichtungen einzuhalten.

Der neue Wirtschaftsvizeminister, Valavanis, verlangte anfangs den Rücktritt vom TAIPED (Privatisierungsbehörde) und bot eine Weiterentwicklungsperspektive an. Eine Woche später nahm er sein Versprechen wieder zurück angesichts der aktuellen Entwicklungen. Trotzdem versprechen sie weiterhin das Ende des Memorandum. Sie sind die gemeinsten Hoffnungsversprecher einer ganzen Bevölkerung.

Schon damals als wir von „Revolutionärer Kampf“, kurz nach den Wahlen, das Controlling der Unternehmensführung der griechischen Bank angriffen, zeigte sich wie realitätsfremd und utopisch die sozialdemokratischen Vorschläge der SYRIZA waren. Schliesslich dann der totale Rückschritt zu allen Themen, von der Krisenüberwindung hin bis zum Wandel in eine sozialistisch-liberale Partei. Noch nie gab es eine so schnelle Abwendung von den Wahlversprechen in der Geschichte der griechischen Politik.

Die SYRIZA-ANEL Politik unterscheidet sich nicht von der Politik der Vorgänger. Auch sie wird irgendwann zum politischen Zusammenbruch führen, wie bei ihren Vorgängern. Man muss die Ketten der Bevölkerung Griechenlands komplett aufbrechen, besonders die der Schulden und des Memorandum.

Man darf nicht über eine Verlängerung verhandeln. So etwas kann nur nach der Revolution stattfinden, wenn die Bevölkerung bewaffnet wurde. Nur können die Schulden, das Memorandum und jede vertragliche Verpflichtung zwischen der Bevölkerung Griechenlands und den Banken einseitig verweigert und ganz gestrichen werden. Kleines Eigentum, welches sich die Banken angeeignet hatten, wird rückerstattet. Das Bankensystem wird abgeschafft und der Habezins wird vergesellschaftet.

Genauso werden auch die Reichtümer von Staat und Kapital, der grossen Unternehmen und der multinationalen Konzerne angeeignet und vergesellschaftet.

Diese Aneignung verschafft uns Liquidität, Grundstücke und Immobilien. Der ökonomische Wiederaufbau wird dann von Selbstverwaltungen und Selbstorganisationen finanziert und materiell gefördert. Genau so wird auch der Wiederaufbau von Produktion, Industrie, Landwirtschaft und die Selbstorganisierung des sozialen Lebens von überall und allen unterstützt werden. Nur so ein revolutionärer Prozess wird eine Lösung für das Elend der kapitalistischen Krise bringen. Klassenunterschiede werden überwunden, die Bevölkerung wird selbst über sich entscheiden in selbstverwalteten und selbstorganisierten Strukturen. Es wird ein föderalistisches System sein, mit Versammlungen der Bevölkerung und ArbeiterInnenräten die einen libertären Kommunismus einleiten werden.

Jetzt ist es die Aufgabe aller KämpferInnen, die Pflicht für die anarchistische/antiautoritäre Szene, von uns allen den Aufbau einer revolutionären Bewegung zu arbeiten. Eine Bewegung, die Staat und Kapital stürzen wird, dazu müssen wir den politischen Zusammenbruch der SYRIZA, des Systems im Allgemeinen ausnutzen.

Kein Waffenstillstand – Keine Vereinnahmung
Für den Aufbau einer bewaffneten revolutionären Bewegung
Für den Gegenangriff und den Sturz von Staat und Kapital

Nikos Maziotis
Mitglied von „Revolutionärer Kampf“
Aus dem Gefängnis von Domokos

Quelle auf Griechisch, übersetzt aus dem Englischen

„2014 – Das Jahr in dem wir nirgendwo waren“

Die folgenden Zeilen erheben weder den Anspruch in der Tiefe Kritik zu leisten, noch können sie einfache Wege aus der desaströsen Situation anbieten. Sie sind an all Jene gerichtet, die nach Perspektiven jenseits der Milieus suchen. Sie erinnern fragmentarisch an den großen Erfahrungsschatz derjenigen, die im Allgemeinen als die Autonomen bezeichnet werden, auch wenn viele eine solche Kategorisierung für sich eigentlich ablehnen. Wir grüßen alle, die Nächtens unterwegs sind, alle, die sich den Kopf heiß reden, sowie die VerfasserInnen der Debatten Beiträge der letzten Monate.

Autonome aus Berlin – März 2015

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„Avalanche – Anarchistische Korrespondenz“ auf Deutsch (Ausgabe 4)

Editorial:

Wenn die Macht heute aufgrund einer weitgehenden Restrukturierung auf ökonomischer, politischer und sozialer Ebene, eine Periode der Instabilität und Unsicherheit durchläuft, dann strebt sie unnachgiebig die totale Mobilisierung der gesamten Bevölkerung an. Genauso wie sie danach trachtet, einen neuen Konsens zu produzieren, eine neue Einwilligung der Subjekte in das Projekt der Herrschaft, oder, wenn nötig, eine nachhaltige Unterwerfung jener, die gestern noch widerspenstig waren. Deshalb überrascht es kaum, dass wir ein signifikantes Erstarken der Repression beobachten können. Was uns vielleicht überraschen könnte, ist eher die Geschwindigkeit mit der ganze Bereiche der Gesellschaft militarisiert werden, das Tempo mit der das rechtliche Rahmenwerk modifiziert wird und die Schnelligkeit des Eindringens der Technologien und Kontrollmaßnahmen in das Gesellschaftsgefüge.

Als Folge verschiedener Kriegserklärungen europäischer Länder (Libyen, Zentralafrika, Syrien,…) und den Attentaten in Paris, durch Kämpfer des heiligen Krieges, haben verschiedene Länder ein enormes Experiment, auf dem Gebiet der Sicherheit, in Gang gesetzt. Sogar die Soldaten in den Straßen, einst ein typisches Zeichen für Krieg oder für einen sich anbahnenden Aufstand, haben den Aufruf nicht verschlafen. Das ist, was laut Anti-TerrorismusexpertInnen erforderlich ist, um das „Territorium zu sättigen“, sowohl durch die physische Präsenz einer Flut Machtgläubiger als auch durch das Ertränken jedes Raumes für Reflektion durch die Propaganda für das System. In der Schusslinie sind offensichtlich nicht nur (um nicht zu sagen, nicht so viele) AnhängerInnen des heiligen Krieges, sondern alle, die für den „Frieden“ der Märkte und die Stabilität der Institutionen problematisch sind. Sowohl die für die kapitalistische Akkumulation überflüssige Bevölkerung, als auch erklärte RevolutionärInnen, sowie jene die an die Welt der Technologie nicht angepasst sind und RebellInnen der Straßen.

Gewissermaßen tendiert jeder Staat logischerweise hin zum Totalitarismus, welcher, gemäß der Epoche und der Periode, verschiedene Formen annehmen kann. Von einer faschistischen Diktatur oder einer martialischen Republik, hin zu einer Demokratie, welche die Höhepunkte der Niederschmetterung des Individuums erreicht oder einer Technokratie, die die gesamte Bevölkerung dem Vorrecht von Algorithmen und Maschinen unterordnet, annehmen kann. Totalitarismus involviert Alle, er benötigt die totale Mobilisierung, die volle Einwilligung. Wenn vor ein paar Jahren auf der anderen Seite des Mittelmeers, Aufstände unter dem Ruf nach Freiheit und Würde ausbrachen, sehen wir heute alle Staaten, in den meisten Fällen präventiv, auf die Möglichkeit einer subversiven Bedrohung antworten. Und Staaten, seien sie demokratisch oder despotisch, theokratisch oder technokratisch, schließen niemals irgendwelche Mittel aus, wenn es darum geht ihre Macht zu erhalten: Krieg, Lügen, Gefängnis, Terror, totale Kontrolle, Folter, Verschärfte Haftbedingungen, Mord.

Die Frage die sich für jene auftut, die im sozialen Krieg gegen jede Autorität kämpfen, ist, ob wir die Reflektionen, Mittel, Praktiken, Perspektiven und Projektualitäten haben, welche es uns erlauben die Initiative zu ergreifen, um zum Angriff auf die neue Ära, die sich selbst ankündigt, überzugehen. Nun ja, die Antwort kann nicht bejahend ausfallen. Auch wenn in jüngster Vergangenheit interessante Projekte entstanden sind und wichtige Erfahrungen, Waffen für die Zukunft geliefert haben, ist es klar, dass die Macht die Nase vorne hat. Wir könnten versuchen aufzuschließen indem wir alle Charakteristiken über Bord werfen, die uns von anderen unterscheiden, und – in der allgemeinen Kriegsatmosphäre, welche die Idee durch die Strategie ersetzt – hinter unwahrscheinlichen Allianzen mit autoritären Kräften oder hinter den, von einer Überdosis Staatspropaganda vergifteten, Massen herlaufen. Wir könnten uns weigern die neuen Umstände zu konfrontieren und damit weitermachen uns im Kreis der Selbstreferenzierung und Wiederholung zu drehen. Oder wir können, und das ist es was wir sehen, wenn wir die Texte lesen, die uns zugesandt wurden oder die wir für diese Ausgabe der „Avalanche“ zusammengesammelt haben, die Reflektion intensivieren, die Praxis der direkten Attacke schärfen, die Dimensionen der Selbstorganisierung und Informalität vertiefen, hartnäckig das Beiseitelegen unserer Ideen von Anarchie und Freiheit und den daraus folgenden Ansprüchen, unter dem Vorwand nach mehr Effizienz zu suchen, verweigern.

Die Herausforderungen, die sich am Horizont abzeichnen, sind, sofern möglich, sogar noch gravierender und schwieriger als die von gestern. Die Umstände in denen wir uns die revolutionäre Konfrontation vorstellen, sie denken und praktizieren, sind heute alles andere als günstig. Aber das verhindert nicht, dass überall auf der Welt AnarchistInnen dabei sind, sich ihren Weg zu bahnen, allen Widerständen zum Trotz, ihrem Angriffsparcours gegen alle Formen der Autorität folgend. Deshalb halten wir daran fest, dass die „Avalanche“, als ein Projekt der internationalen Korrespondenz, helfen kann, diese Parcours – eines autonomen und offensiven Anarchismus – miteinander zu verbinden und zu konfrontieren.

Inhalt:

Uruguay – Notwendige Einleitung zu einem noch notwendigeren Werk

Mexiko – Die libertäre Verteidigung mittels juristischer Sprache

Mexiko – Der Konflikt in Mexiko und eine Kritik am anarchistischen Milieu

Chile – Über die Gefahr, die Anarchie in eine Anreihung von „alternativen“ Praktiken, ohne offensiven Gehalt gegen die Macht, zu transformieren

USA – Wir heißen das Feuer willkommen, wir heißen den Regen willkommen

Schweiz – Gegen die „Stadt der Reichen“

Spanien – Die Büchse der Pandora und das Nähkästchen des spanischen Antiterrorismus

Italien – Die Legende des Tals, das es nicht gibt

Griechenland – Erklärungen von Andreas-Dimitris Bourzoukos zum Prozess von Velventos

Griechenland – Das neue Gesetz betreffend

Für Kontakt oder um die „Avalanche“ geschickt zu bekommen, schreibt an: avalanche-de@riseup.net

PDF (Druckversion)

Avalanche.noblogs.org

Im Land der Demokratien (eine Broschüre)

Hier in PDF-Form

Im Land der Demokratien

„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten
einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty,
„wer die Macht hat – und das ist alles.“

Alice, als etwas naive Idealistin, fragt sich in diesen Tagen, den historisch-etymologischen Diktionär in den Händen, ob es denn wirklich möglich ist, dass das Wort “Terrorismus” eine andere Bedeutung erhält. Humpty Dumpty, als etwas grober Materialist, antwortet ihr, dass, da es der Staat ist, der befielt, und da die Sprache Eigentum von dem ist, der befielt, “Terrorismus” somit genau das bedeutet, was der Staat will. Das ist alles.

In den 70er Jahren gewährte der Staat die Anrede “Terrorist” einem jeden, der ihm das Monopol der Anwendung von Gewalt streitig machte, das heisst, Schusswaffen oder Sprengstoffe einsetzte, vor allem den Beteiligten von kämpfenden spezifischen Organisationen, vor allem, wenn jene Organisationen Ausdruck einer breiteren Protestbewegung waren, vor allem, wenn dieser Protest darauf abzielte, in einer Revolution zu münden. “Terrorist” war für den Staat vor allem derjenige, der ihn mit bewaffneter Hand angriff.

Heute, da die spezifischen bewaffneten Organisationen fast vollständig verschwunden sind, da die subversiven Arsenale trostlos leer sind, da die Protestbewegungen selten beträchtliche Dimensionen annehmen, da sie (fast) nie die revolutionäre Frage stellen, würde Alice daraus folgern, dass der Staat auf den Gebrauch von diesem Begriff verzichtet hat, ihn, abgesehen von vereinzelten Fällen, für unverständlich haltend. Bereits die Definition von “Terrorist”, die an jene gerichtet war, die Gendarmen und Richter ins Visier nahmen, anstatt an jene, die Massaker an Pendlern und Passanten verübten, war unausstehlich für sie, aber schliesslich… ihr wisst ja wie die Leute sind, wenn sie Blutvergiessen sehen, kriegen sie Angst und geraten durcheinander. Man muss annehmen, dass es schliesslich nicht allzu schwierig für die Propaganda war, die Leute in das Missverständnis fallen zu lassen, den Königsmord zu dämonisieren, und nicht den Tyrannen. Aber heute, komm, nachdem man in den letzten Jahrzehnten einem so traurigen Rückgang von institutionellen Begräbnissen beigewohnt hat, machen wir Schluss mit dem Schreckgespenst des “Terrorismus”!

Aber nein. In dieser Zeit, die so ohne glaubwürdige “äussere Feinde” ist, aber der es gleichzeitig an soliden Konsensen ermangelt, wo rund herum niemand mehr übrig ist, um ihm zu applaudieren, hat es der Staat für gut befunden, vorzeitig zu spielen und nicht auf das Auftauchen von irgendeiner subversiven Bedrohung zu warten, um die Kriegsmaschine der anti-terroristischen Rhetorik aufbieten zu können: lieber zuvorkommen als niederzuschlagen. Aber wem zuvorkommen, von was zu tun? Wie ein tiefer Kenner der Kunst des Regierens behauptete, « während die Individuen, angetrieben von ihren Egoismen, zum sozialen Atonismus neigen, stellt der Staat eine Organisation und eine Begrenzung dar. Das Individuum neigt dazu, ständig zu entfliehen. Es neigt dazu, den Gesetzen nicht zu gehorchen, die Steuern nicht zu bezahlen, den Krieg nicht zu führen. Es gibt wenige – Helden und Heilige –, die das eigene Ich auf dem Altar des Staates aufopfern. Alle anderen befinden sich in potenziellem Zustand der Revolte gegen den Staat. »

Soll dies der Grund sein, weshalb der Staat sich die Erlaubnis genommen hat, jeden als “Terroristen” zu definieren, der ihn kritisiert, der ihn anficht, der sich ihm entgegenstellt, ohne allzu viele Unterscheidungen zwischen der Bedeutung der Worte und der Natur der Tatsachen zu machen? Aufgrund der Tatsache, dass, abgesehen von den anzubetenden Heiligen und den zu zierenden Helden, alle anderen potenzielle Rebellen sind?

„Aber das macht keinen Sinn!“. Gewiss nicht, liebe Alice, aber halte dir stets bewusst, wer befielt. Das ist alles.

Wie es begann
2001 ist ein Jahr, das, aufgrund der Wende, die es markiert hat, schwer zu vergessen sein wird. Und sei es nur, weil die Ereignisse von jenem Sommer, in der Spanne von wenigen Wochen, dazu beigetragen haben, das alltägliche Leben von Millionen von Leuten zu verändern. Nach den hitzigen Tagen von Ende Juli in Genua, als die Demonstrationen gegen den regelmässigen Gipfel der Grossen der Erde von einer generalisierten Prügelorgie in Blut getränkt worden sind, hat man einen zweiten Septembermittwoch gehabt, der das unglaublichste Attentat gegen Orte der wirtschaftlichen und militärischen Herrschaft gesehen hat, das jemals auf dem Boden der Vereinigten Staaten erfolgt ist. Auf der einen Seite von sozialen und radikalen Bewegungen theoretisch und praktisch kritisiert, auf der anderen von integralistischen Gruppen militärisch angegriffen, ist es nicht überraschend, dass die westlichen Regierungen in ihrer Gesamtheit beschlossen haben, Hand an ihre gesetzlichen Formalismen anzulegen und sie zu modifizieren, um ihre Gegner leichter neutralisieren zu können.

Von Ende 2001 bis heute haben wir in vielen Ländern einem Anwachsen der repressiven Gesetze beigewohnt, einer regelrechten Restrukturierung im Bereich des Rechts, imstande, wenn nicht den Frieden auf den Märkten, so zumindest die Ruhe auf den Strassen zu garantieren. Wenn die Bedrohung des “Terrorismus” das bevorzugte Schreckgespenst bleibt, womit eine immer durchdringendere Kontrolle des sozialen Lebens, sowie eine unaufhörliche Begrenzung der individuellen Freiheit gerechtfertigt werden kann, so stellt sie dennoch nicht das einzige Instrument dar. Egal, was die Motivation ist, die zu ihrer Umsetzung angewandt wird, es zeigt sich deutlich, dass die unterschiedlichen legislativen Vorkehrungen dazu tendieren, sich nicht bloss an eine einzige allgemeine Direktive zu halten, sondern in jedem Bereich eingesetzt zu werden, der für sensibel gehalten wird. Die administrative Blockierung von Internetseiten, beispielsweise, hat mit dem Kampf gegen “Pädopornographie” begonnen, aber wird bald überall auf den “anti-terroristischen” ausgeweitet werden. Die spezifischen Sicherheitsmassnahmen, die ergriffen wurden, beschränken sich ihrerseits nicht darauf, einer Sorte von Verbrechen zuvorzukommen (der jüngste Kauf durch das französische Eisenbahnwesens von zahlreichen, entlang der Gleise zu verteilenden Drohnen wird zwar, wie offiziell deklariert, darauf ausgerichtet sein, eventuelle Kupferkabeldiebstähle abzuwenden, aber wird sich zweifellos auch zur Prävention von Sabotagen als nützlich erweisen). Und so weiter und so fort.

Nun, so interessant es auch sein mag, es macht hier nicht viel Sinn, ein Inventar der verschiedenen Massnahmen aufzulisten, die in Europa im Bereich des Kampfes gegen den Terrorismus ergriffen worden sind. Auch, weil wir, von der Inkriminierung einiger italienischer Basissyndikalisten 2001, schuldig, nicht versucht zu haben, den Black Block aufzuhalten, über die Anklageerhebung gegen ein englisches Erwachsenenpaar 2007, die in Besitz von Büchern mit anarchistischen Rezepten gefunden worden sind, bis schliesslich zur Verurteilung zu 7 Jahren Haft eines französischen Islamisten 2014, der von einem kurzen Aufenthalt in Syrien zurückgekehrt ist – nur um ein paar einzelne Beispiele zu nennen –, Gefahr laufen würden, uns in einem Labyrinth zu verlieren, dessen Zweck es wäre, uns alle in Richtung des einzigen Auswegs zu treiben: ein unumgänglicher blinder und passiver Gehorsam. Es scheint uns interessanter, uns anzustrengen, um zu verstehen, was in den Köpfen der Verteidiger der sozialen Ordnung schwirrt, und im Gegenlicht aus ihnen die grössten Sorgen herauszulesen. Continue reading Im Land der Demokratien (eine Broschüre)