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Koridallos Gefängnis, Athen: Brief von Stefanos Amilitos in Bezug auf den Angriff auf ihn vom 3. Januar

Viel ist in diesen letzten Tagen gesagt und geschrieben worden. Deswegen betrachte ich es als notwendig, einige Dinge klarzustellen und zu sagen, dass es mir gut geht, sowohl physisch als auch psychisch.

Auf meinem langen Weg, auf dem ich erneut vor rund 20 Jahren während des Polytechnikum-Aufstands 1995 festgenommen wurde, habe ich viele Genossinnen und Genossen kennengelernt, Menschen des Widerstands und des Kampfes. Auf diesem Weg war ich mit vielen Leuten nicht einer Meinung, aber immer von Angesicht zu Angesicht. Niemals hinter dem Rücken von jemandem oder „durch VertreterInnen“. Deswegen glaube ich nicht, dass mir meine Verletzung von Genossen zugefügt worden ist, von Menschen, die gegen Autorität kämpfen. Die Veröffentlichung eines „Bekennerschreibens“ für den Angriff gegen mich auf einer Webseite der „neuen Anarchie“ von „einigen (anonymen…) Gefangenen“, die mich vage verleumden, kann nur Fragen aufwerfen und Besorgnis erregen. Seit so vielen Jahren, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gefängnisses, bin ich jetzt im Widerstand und kämpfe gegen wirkliche Feinde – nämlich unsere Unterdrücker, ihre bewaffneten Schergen und ihre Faschisten – und nicht gegen imaginäre. Deswegen halte ich es für notwendig, nicht weiter zu einer Polarisierung und der Fragmentierung derer beizutragen, die den Widerstand und Kampf fortführen. Ich rufe alle Genossinnen und Genossen außerhalb der Mauern dazu auf, dasselbe zu tun.

Am 19. März 2014 wird mein Prozess beginnen. Und dies wird die direkteste Schlacht sein, die ich vorhabe zu kämpfen, mit meiner ganzen Kraft. Dort hoffe ich, werden das Konstrukt und die baufällige Anklageschrift gegen mich zusammenbrechen und werde ich, mit dem Beitrag von Solidarität, wieder frei sein. Frei, meine Ansichten und Gedanken zu teilen, auf eine mehr analytische Weise.

P.S. Danke an alle, die mich weiterhin unterstützen; eine erhobene Faust für die, die weiterhin gegen den Staat und seine Hunde Widerstand leisten und keinen Moment vergessen, dass der Geist das Ziel ist, das sie anvisieren.

Stefanos Amilitos
10. Januar 2014
Koridallos Gefängnis

Athen: Brief des in Untersuchungshaft sitzenden Genossen Stefanos Amilitos aus dem Korridallos Gefängnis

Wachhunde, passt gut auf eure Bosse auf! [Parole an die Bullen]

Freitagnacht, den 19. April, 2013 in Exarchia: einige Leute entscheiden sich den Antiriot- Einheiten der MAT ganz praktisch zu zeigen, dass sie in der Gegend unbeliebt sind. Zusammenstöße, Tränengas und Fahndung folgten. Ich verlasse meine Gruppe von Freunden in dem Café, wo wir saßen, und war auf dem Weg zur Tzavella Straße, um an ein Motorrad zu kommen, dass mir ein Freund geliehen hatte.

Dort wurde ich von Delta Motorradbullen angegriffen, die moderne Drecksversion von Bourandas [Amtsleiter der Motorrad-Einheit der Polizei während der Besetzung Griechenlands durch die Achsenmächte], deren einzige Aufgabe es ist Dissidenten oder einfach nur diejenigen, deren Persönlichkeit nicht mit ihrem eigenen Geschmack übereinstimmt, anzugreifen und zu vernichten. Sie versichern mir, dass sie mich nur zum GADA-Polizeihauptquartier bringen, um meinen Ausweis zu überprüfen.

Im Polizeihauptquartier ändern sie ihre Meinung. Eine zufällige Festnahme von vielen dieser Art wird zur Haft, weil belastende Beweise aus dem Nichts heraus auftauchen (ein Handschuh, ein Halstuch und ein Feuerzeug, das angeblich in meinem Besitz gefunden wurde), obwohl keiner dieser Gegenstände im Verhaftungsbericht erwähnt werden. Dann finde ich heraus, dass es Zeugen gegen mich gibt (alle von denen DELTA-Bullen), welche in identischen Aussagen bezeugen, dass sie mich wiedererkennen. Ich (obwohl viel größer und mit anderem Haar) wäre die Person, die sie aus großer Distanz mit einem Molotowcocktail „spöttisch“ winkend, bedroht hätte.

Der Rest des Verfahrens verläuft wie erwartet. Sie ordnen meine Untersuchungshaft an, trotz der Tatsache, dass es keine Gründe gibt für die Verhängung dieser ultimativen Maßnahme der Inhaftierung, so wie es deutlich durch ihre Gesetze definiert ist. Wie auch immer, diese Dinge sind mehr oder weniger bekannt, da ich weder der erste noch der letzte Fall bin, wo die Richter ihre eigenen Gesetze aufheben, die sie angeblich ehren, um jemanden von uns zu verurteilen, einen Proletarier, einer der von „denen da unten“ in diese Welt kommt.

Ich warte jetzt schon zwei Monate, um zu sehen, wann und ob sie beabsichtigen, mich aus dem Gefängnis zu entlassen. Sie haben sich auch Mühe gegeben, mich durch einen umstrittenen DNA-Bericht zu belasten. Ich verstehe, dass die Wachhunde der Macht Recht haben: Obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für meine Verhaftung und Untersuchungshaft nicht “erfüllt“ sind, gibt es andere, wichtigere Gründe für meine Inhaftierung. Meine Verurteilung als Besetzer des Polytechnikums 1995, meine Beteiligung in kollektiven Kämpfen und Projekten ohne Herren und Führer, meine Solidarität denen, die laut schreien: „Zurück Verräter! Vorwärts Genossen!“ in den Straßen, Stadien, Besetzungen und Gerichtssälen, meine Solidarität denen, die das staatliche Gewaltmonopol herausfordern sowie diejenigen, die letztlich nicht ihrer eigenen Vernichtung zustimmen und sich weigern den Weg für die nationalen und transnationalen Eliten zu öffnen, um Gewinne anzuhäufen…

Ich wurde für schuldig befunden, ohne verurteilt zu werden; schuldig dank komplett identischer Aussagen der faschistischen kriminellen Bande, die heutzutage DELTA, anstatt wie unter der Naziherrschaft, Organisation X, genannt wird. Das liegt daran, dass jeder, der nicht dem Staat, den Bossen und ihren Faschisten untergeordnet ist, nur schuldig in den Augen und Ohren derjenigen sein kann, die uns unterdrücken und vergeblich versuchen uns zu vernichten. Derjenige kann nur ein innerer Feind sein, oder einfach überflüssig und ideal zur „Lagerung“ in einen von ihren Kerkern.

Schuldig, weil ich wie viele andere Männer und Frauen nicht immer nur Wein in den Läden des Viertels getrunken habe, sondern stattdessen mit unvermummtem Gesicht denen, die nur einen Steinwurf entfernt die Köpfe und die Würde der Randalierer und gewöhnlicher Passanten niedergeschlagen haben, oft zugerufen habe: Wachhunde, passt gut auf eure Bosse auf!

Stefanos Amilitos
Erster Flügel des Koridallos Gefängnisses
12. Juni 2013

P.S. Solidarität mit Kostas Sakkas, der seit dem 4. Juni einen Hungerstreik führt, und Gerasimos Tsakalos; beide Genossen sind seit über 30 Monaten in den Kerkern der Demokratie in Untersuchungshaft.