Einen Tag nach Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei während der Proteste Samstags 1. Mais in Griechenland, wurde die Maßnahmen des Sparprogramms von IWF und EU veröffentlicht, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 21 auf 23%, Lohnkürzungen von 20-30% vor allem der Staatsbediensteten, sowie Verlängerung der Lebensarbeitszeit, Abbau zahlreicher Arbeitnehmerschutzrechte und Streichung von Weihnachts- und Feiertragsgeldern, vorgesehen. Deshalb, Griechen protestieren gegen die geplanten einschneidenden Sparmaßnahmen der regierenden »Sozialisten« (fotos 1 | 2).
Innerhalb einer Woche hat sich der Protest zu einem landesweiten Protest entwickelt. Am Montagabend 3. Mais stürmten protestierende arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer den staatlichen Fernsehsender ERT (video), um ihre Ablehnung gegen den Sparplan kundzutun und die Bevölkerung zur Teilnahme am kommenden Generalstreik aufzurufen. Sie forderten eine Live-Diskussion mit dem griechischen Bildungsminister. Kurze Zeit später wurden sie von der herbeigerufenen Polizei angegriffen und zum Teil schwer verletzt (video).
Einem Aufruf zahlreicher Gewerkschaften zu einem landesweiten Generalstreik folgten am 5. Mai in Griechenland mehrere hunderttausend Menschen und protestieren gegen die Sparpläne der Regierung. Es waren die größten Demonstrationen in Griechenland seit dem Ende der Militärdiktatur 1974 (video aus Athen). Es kam zu schweren Auseinandersetzungen mit den eingesetzten Sicherheitskräften als Demonstrantinnen und Demonstranten versuchten, das Parlament zu stürmen (weiterlesen).
Generalstreik am Mittwoch beteiligten sich in ganz Griechenland mehrere hunderttausend Menschen. In Athen (200.000) und Thessaloniki (20.000) folgten zahlreiche Menschen dem Aufruf zahlreicher Gewerkschaften. Schon seit Mitternacht war der Flug-, Fähr- und Eisenbahnverkehr unterbrochen. Schulen und Behörden blieben geschlossen. In den Krankenhäusern konnte lediglich eine Notversorgung gewährleistet werden. Auch in anderen griechischen Großstädten, so etwa in Volos, Larissa und Patras, kam es zu Zusammenstößen.
In Athen unbekannte setzten mit Molotowcocktails eine Filiale der Marfin-Bank in Brand. In den Flammen starben Paraskeui Zoulia, (35), Epameinondas Tsakalis (36) und Aggeliki Papathanasopoulou (32). Noch am gleichen Tag griffen mehrere Hundertschaften der Polizei im alternativ geprägten Athener Stadtviertel Exarcheia besetzte Häuser und Cafés an (video 1 | 2) und verprügelten wahllos zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner des Viertels. Die anarchistische Squat auf Zaimi Straße, Exarcheia, wurde evakuiert (es gab auch Schüsse).
Für Donnerstag rief die Gewerkschaft der Bankangestellten OTOE aus Trauer über den Tod der drei Menschen am Vortag zum Streik auf. Am frühen Abend des 6. Mais stimmte das griechische Parlament mit klarer Mehrheit dem Sparpaket zu. Zeitgleich protestierten auf den Straßen vor dem Parlament mehrere tausend Menschen gegen die geplanten sozialen Einschnitte. Die Protestierenden, aber auch Journalistinnen und Journalisten wurden wie schon in den vergangenen Tagen von Polizeieinheiten angegriffen.
Am 15. Mai demonstrierten fast 70.000 Anhängerinnen und Anhänger der »Kommunistischen« Partei Griechenlands (KKE) im Athener Stadtzentrum friedlich gegen die Sparpolitik der sozialistischen Regierung.
An einer Demonstration anlässlich des vierten Generalstreiks in diesem Jahr beteiligten sich am 20. Mai mehr als 20.000 Menschen. Am Rande kam es zu kleineren Auseinandersetzungen zwischen militanten Streikenden und der Polizei, dabei wurden mindestens 40 Menschen festgenommen.
Während die Medien im europäischen Ausland, vor allem in Deutschland, über die letzten Wochen in eine wahre ressentimentgeladene Griechenlandschelte verfallen sind, sieht die Realität vor Ort seit Jahren ganz anders aus. Bereits im Jahr 2007 waren laut Angaben des statistischen Bundesamts der EU 20% aller in Griechenland lebenden von Armut gefährdet, was deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Davon sind vor allem Unter-18-jährige betroffen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 27%. Die veröffentlichte Meinung in Deutschland jedoch bedient erfolgreich den Urtyp des “ausländischen Parasiten”, der “am kerngesunden deutschen Volkskörper zehrt”. Politik und Massenmedien hierzulande schaffen es anscheinend, mittels des Bildes vom im Gegensatz zum hart arbeitetenden Deutschen faulen und korrupten Griechen ein von allen Gesellschaftsschichten vertretbares äußeres Feindbild zu kreieren. So wird der Unmut der eigenen Bevölkerung bezüglich der Wirtschaftskrise erfolgreich in einen ohnmächtigen Zorn auf den europäischen Nachbarn im Süden projiziert.
Solidaritätsaktionen in Deutschland Köln 1, 2 | Berlin 1, 2 | Hamburg | Frankfurt am Main 1, 2
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Griechenland, im Mai 2010