Ein Nachtrag zum Solidaritätshungerstreik und ein Einblick in die perverse „Behandlung“ im Maßregelvollzug
Im Zuge des Hungerstreiks (in Solidarität mit den kämpfenden Gefangenen in Griechenland) von einigen Gefangenen in Deutschland und in der Schweiz vom 18.-21. Juli 2014 wurde von Manfred Peter eine dreiteilige solidarische Grußbotschaft verfasst. Manfred wird gefangen gehalten im sogenannten Maßregelvollzug, in einer Forensischen Psychiatrie. Aufgrund der aktuellen Verschärfung seiner Vollzugsbedingungen durch Sanktionen, wie z.B. Postüberwachung und -zensur, hat ein Teil des Grußwortes an die kämpfenden Gefangenen in Griechenland leider nicht den Weg nach „draußen“ gefunden.
Aber wir veröffentlichen hier die anderen beiden Teile: Einen kurzen Soli-Brief (I) und einen Bericht über den Maßregelvollzug (II). Der Kampf gegen diese einsperrende Gesellschaft fängt nicht erst bei den Gefängnissen an und hört dort auch nicht auf. Die Forensik ist eine der verschiedenen menschenverachtenden „Erfindungen“, mit denen Menschen, die nicht (mehr) Profit bringend sind oder die als nicht kontrollierbar gelten (unter ihnen auch jene, die nicht den Normen und Gesetzen entsprechend funktionieren wollen oder können, und/oder gezielt Angriffe auf unterdrückende/ausbeutende Personen und Institutionen unternehmen) und somit eine unbequeme Last oder eine Gefahr für die verschiedenen Machtstrukturen dieser Gesellschaft darstellen, weggeschlossen und kontrolliert werden können. Es ist eine Institution, in der sie abgeschottet vom Rest der Gesellschaft durch Menschen systematisch entmündigt, pathologisiert, ruhig gestellt, mit abhängig machenden und zerstörerischen Medikamenten (zwangs-)vollgepumpt, zu „Therapien“ genötigt/gezwungen, ihrer Freiheit, ihrer Würde und körperlichen wie psychischen Unversehrtheit beraubt werden. Auf Grundlage des Paragraphen 63 Strafgesetzbuch (StGB) werden sogenannte für psychisch krank oder suchtkrank befundene StraftäterInnen in forensischen Psychiatrien inhaftiert und sind dort mit dem Versuch der Zerstörung ihrer Persönlichkeit und mit einer möglichen „Unterbringung“ bis an ihr Lebensende konfrontiert. Doch auch dort gibt es Menschen, die versuchen sich nicht brechen zu lassen. Besonders an so einem Ort scheint es schwer den Mut nicht zu verlieren. Einige haben auch nach über 20 Jahren in der „Geschlossenen“ nicht aufgehört für ihre Ideale zu kämpfen und innerhalb und außerhalb der Mauern nach Wegen zu einem selbstbestimmten Leben ohne Autoritäten zu suchen.
Diese Suche verbindet uns mit ihnen.
Es gibt viele Möglichkeiten die Isolation der gesellschaftlichen Käfige zu durchbrechen und die Verantwortlichen zu bekämpfen. Durch den Austausch können wir die Mauern durchsichtiger machen und die Basis für gemeinsame Initiativen schaffen.
Schreibt Manfred, er würde sich auch über Post von Psychiatrie-GegnerInnen (auch international) freuen, um sich auszutauschen oder spezielle Fragen zu diskutieren! Außerdem möchten wir dazu aufrufen, ihm ein wenig Geld per Post zu schicken, wenn euch das möglich ist. Oftmals reicht das Geld der Gefangenen kaum für das Notwendigste. Um Soli-Kassen zu entlasten sind auch kleine unregelmäßige Beträge hilfreich.
Post an:
Manfred Peter
Eickelbornstr. 21
59556 Lippstadt
St. 44/1 (Deutschland)
einige Anti-AutoritäreI) Liebe kämpfenden Genossen und Kameraden!
In unserem revolutionären Geist bin ich erfreut darüber, dass mir eine Möglichkeit gegeben wurde, durch die Organisierung unserer Strukturen, ein Grußwort an Euch alle zu senden. In aktuellem Zusammenhang mit der staatlichen Vorgehensweise in Griechenland bekunden wir Insassen der MRV-Klinik Eickelborn unsere Solidarität. Auch hier bei uns brennen in regelmäßigen Abständen die Räumlichkeiten, sowie die Zellen innerhalb des neudeutschen KZ’s.
Der Widerstand baut sich kontinuierlich und massiv auf und ich weise darauf hin, dass wir uns von den Schergen des Systems nicht brechen lassen werden. Wir können hier in unserer Position nicht auf die Weise agieren, wie es die Kameraden in Griechenland tun, aber wir betreiben eine schleichende, dauerhafte Zersetzung der bestehenden staatlichen Struktur.
Widerstand braucht Mut und Entschlossenheit – Nieder mit allen Knästen und Psychiatrie-KZ’s – macht kaputt, was uns kaputt machen will!!
revolutionäre Grüße an (A)lle
Manfred Peter -Iceman-
(17.07.2014)
II) „WIDERSTAND BRAUCHT MUT!“ – Ein Bericht über den Maßregelvollzug
Die Perversion des Paragraphen 63 StGB ergibt sich aus seiner Herkunft und den Personen, die ihn am 14.10.1933 im Dritten Reich in das Reichsgesetzbuch geschrieben haben. Zu dem Gesetz zur „Besserung und Sicherung“ kam auch noch die Sicherungsverwahrung(i) hinzu. Beide Gesetze wurden am selben Tag verabschiedet. Nach 1945, in der neuen Bundesrepublik, wurde der Paragraph unverändert in das StGB übernommen und wird bis heute, 2013 angewendet. In den Jahren 1940-43 saßen in Eickelborn(ii) über 700 Insassen, von denen dann 598 Personen in die Vernichtungslager der Nazis deportiert und dort ermordet wurden. Heute 2013 sitzen in Eickelborn zwischen 400-450 Insassen ein.
Verantwortlich für diese hohen Zahlen von Insassen, nicht nur hier in Eickelborn, sondern in allen Forensiken in Nordrhein-Westfalen, ist die Politik der Landesregierung und entsprechend für die willkürlich festgelegte Unterbringungsdauer, die durch die Strafvollstreckungskammern (StVK) herbeigeführt wird. Die StVK Paderborn z.B. lässt Insassen generell nicht raus; es werden willkürlich Gründe angeführt, um die Menschen in der Anstalt zu belassen. Diese Begründungen sind zwar für den Einzelnen nicht anfechtbar, jedoch zeugt dieses Vorgehen von der sachlichen Inkompetenz der StVK. Die StVK Paderborn betreibt Rechtsbeugung in erheblichem Maße. Als Begründungen dienen gelogene Unterstellungen und Prognosen, die nichts weiter als heiße Luft sind, jedoch für 100%ig richtig gehalten werden, da die Vermutungen ja von sachverständigen Ärzten erstellt wurden. Die Ärzteschaft bildet eine Seilschaft innerhalb der Medizinerschaft, die bis in die Reihen der Pharmaindustriellen reicht. Also bilden diese Personen eine Pharmalobby unter Deckung durch die Landesregierung. Das Geld welches dabei verdient wird, ist alleine die Wurzel allen Übels. Uns Insassen betrachtet man dabei als „Gänse, die goldenen Eier legen“. Es ist ja nicht nur so, dass durch die Behandlung der Insassen enorme Gewinne erzielt werden, sondern man geht von Seiten das Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) auch an das Privateigentum der Insassen und bedient sich. Dabei geht es um Abschöpfen von Bargeldern auf Konten, Konfiszierung von Wertgegenständen und Enteignungen von Immobilien ohne Schadensersatzansprüche bzw. Abfindungen. Weiterhin werden in Wohnheimen (WH) Rentenzahlungen und andere Vermögenswerte eingezogen. Gerne geht der LWL an Erbschaften heran, um diese abzukassieren. Genau wie dies übrigens von den sogenannten „Betreuern“ gerne getan wird.
Als ein Beispiel eines Wohnheims möchte ich die Diakonie Herford und deren Machenschaften vorführen: Als Bewohner mit §63 wird man als Haussklave des WHs betrachtet und missbraucht. Derjenige muss bis zu 6 Stunden, ohne Vergütung, für das WH arbeiten (z.B. im Garten). Dies sind Sachverhalte, die an die Dekadenz im alten Rom in der Zeit des Niedergangs erinnern. Als Gegenleistung wird dem Bewohner halt Nahrung und die Unterkunft gestellt. Egal ob der Bewohner Rente hat oder vom Sozialamt sein Taschengeld bezieht, er erhält pro Woche nur einen Barbetrag von 18.- Euro. Die WH-Leitung verlangt von dem Bewohner die Offenlegung seines Kontos und der Kontobewegung, sowie die Vorlage der Kontoauszüge, zur Kontrolle. Ferner werden dem Bewohner mitunter Kontaktsperren ausgesprochen, die sich auf Personen aus der linken Szene beziehen. Diese dürfen dann keine Besuche abstatten. Genauso verlangt die WH-Leitung die Offenlegung des persönlichen Umfeldes: Freunde, Verwandte, Bekannte, Briefkontakte, Telefonkontakte, natürlich zu Kontrollzwecken! Diese gesamte zum Teil unrechtmäßige und kriminelle Vorgehensweise des Herforder Diakonie-WHs stellt einen eklatanten Eingriff in die Freizügigkeitsrechte und Freiheitsansprüche des einzelnen §63-Bewohners dar. Hiermit geht die WH-Leitung eindeutig zu weit; angemerkt sei, dass die Sachverhalte unter dem Deckmantel der Kirche ablaufen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass Nötigungen und Erpressungen der Bewohner oder Insassen in den WHen wie auch in der Forensik allgegenwärtige und alltägliche Methodik und Praxis ist. Offiziell stellt der §63 StGB keine Strafe im juristischen Sinne dar, ist allerdings das schärfste Schwert des Staates, mit dem die Justiz ihr Schindluder treibt.
Wer nicht arbeitet, wird auch nicht entlassen. Hierbei sei angemerkt, dass keine Sozialabgaben für die Beschäftigten in dem Hauptbetrieb gezahlt wird. Die auftragserteilende Firma „HELLA“/Lippstadt zahlt aber an die Klinik vollen Stundenlohn für jeden Arbeiter. Von dem Lohn, den der Insasse erwirtschaftet, wird die Hälfte auf ein Rücklagenkonto eingezahlt, unabhängig davon wie hoch der Lohn ist. Wer die Rücklage von derzeit 760.- Euro nicht vorweisen kann, wird nicht entlassen. Der reguläre Stundenlohn liegt bei 1.- Euro. Weitere Gründe, eine Entlassung zu vereiteln sind folgende: Wer an Behörden und andere Organisationen schreibt, der bleibt. Und zwar solange, bis das „Auflehnen“ aufhört. Wer Drogen nimmt, bleibt für jeden bewiesenen Konsum innerhalb der Klinik 1 Jahr länger im Vollzug. Wer Drogen genommen hat, ohne ein Delikt unter Drogeneinfluss begangen zu haben, wird dazu genötigt, generell abstinent zu leben; unter Androhung von Sanktionen. Wer kein soziales Umfeld hat (wie eine Familie und Angehörige, etc.) oder nicht mehr hat, wird nicht entlassen.
Eine perverse Art aus dem Spektrum der Sanktionen innerhalb des Vollzugs, Menschen gefügig zu machen und sie zu brechen, ist das Absondern in Isolationszellen im Engelshemd und mit einer schäbigen Kunststoffmatratze und einem Kunststoffwürfel als Sitz- und Essgelegenheit.
Lockerungen bzgl. Ausgängen, Heimfahrten und Beurlaubungen werden nicht entsprechend des gültigen Maßregelvollzugsgesetzes (MRVG) gewährt, sondern von dem Wohlverhalten des Insassen abhängig gemacht. Es wird zwar immer auf Behandlungsfortschritte hingewiesen, aber diese Definition erscheint recht schwammig und konstruiert. Seit 2007 gab es aufgrund von diesen und anderen Perversionen innerhalb der Klinik mindestens 12 Suizide bzw. Todesfälle, die durch die Fehlbehandlungen herbeigeführt worden waren. Den Insassen werden durch Anordnung der Betriebsleitung in fast allen Behandlungen Überdosierungen von Medikamenten verabreicht. Die maximale Obergrenze der jeweiligen Präparate wird in fast allen Fällen deutlich überschritten. Da diese Forensiken angeblich Krankenhäuser sein sollen (real KZs!) drängt sich mir die Frage auf, wie es kommen kann, dass man Patienten die notwendigen Facharzt-Untersuchungen verweigert, bzw. verspätet zuteil werden lässt. Und dazu die Patienten noch als Simulanten bezeichnet werden?
Eine besondere Schikane stellt der Umstand dar, dass man als Insasse keine Möglichkeit hat im Internet zu surfen oder am öffentlichen Leben, in Verbindung mit diesem Medium, teilzunehmen. Mit fadenscheinigen Begründungen wird uns das Internet, in dieser modernen Gesellschaft verwehrt. Natürlich ist die Nutzung eines Handys ebenfalls im Vollzug untersagt. Grund dafür ist, dass man nicht will, dass die Insassen über das „World Wide Web“ die Schweinereien publik machen, die im Vollzug laufen. Nichts scheut man von Seiten der Verantwortlichen mehr, als die Öffentlichkeit. Nach außen hin halten sich die Leute die weiße Weste sauber und gehen aalglatt durch die Medienlandschaft.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Schikanen innerhalb der Einrichtung stellt der Umgang mit frei erwerblichen, legalen Nahrungsmitteln und Getränken dar. MAN DARF HIER NICHT ESSEN UND TRINKEN WAS MAN MÖCHTE! Als Insasse darf man keine eiweißhaltigen Aufbaupräparate, die auch zum Muskelaufbau taugen, zu sich nehmen. Man darf auch keine cocablatthaltigen Colagetränke trinken, da diese als „zu konzentriert“ bezeichnet wurden. Des Weiteren sind Energydrinks innerhalb der Forensik und auch außerhalb nicht gestattet, sofern ein Mitarbeiter der Klinik dabei ist. Ebenfalls sind Hanftee oder Mohnkuchen und taurinhaltige Bonbons verboten. Alkohol und sämtliche illegale Substanzen wie Cannabis, Opiate, Cocain, Amphetamine, etc. sind generell untersagt. Es erfolgt eine Spaltung der Patienten innerhalb der Einrichtung, da die Patienten in verschiedene Behandlungsbereiche aufgeteilt werden, und die Gefangenen im Bereich 3 durchaus Energydrinks zu sich nehmen dürfen, während im Bereich 2 der Konsum strikt ohne rationale Begründung untersagt ist.
Mit welcher Rechtfertigung werden hier Menschen durch Lügenkonstrukte und Unterstellungen, sowie vorsätzlichen falschen Prognosen über Jahrzehnte im MRV festgehalten? Was ist das für eine Politik die nichts weiter als „heiße Luft“ dazu nutzt, Menschen einzuknasten und deren Lebensplan zu zerstören? Das Verhalten der Verantwortlichen ist nichts weiter als das von Angstbeißern, weil sie genau wissen, dass diese Verbrechen Konsequenzen haben werden! Und dass diese Konsequenzen zwangsläufig erfolgen werden, ja unausweichlich für sie festgesetzt sind. Willkür, Niedertracht und Faschismus regieren die bundesdeutsche Klassenjustiz und die Vorgehensweise ihrer Büttel, deren einziges Ansinnen es ist, die liebgewonnenen Positionen und ihre Stellungen im Staatssystem beizubehalten. Sie wollen echte Opposition durch Wort und Tat – im Schach halten, unter Kontrolle bringen, behindern und ausmerzen. Durch das Reglement und die Gesetzeslage stellt das Psychiatriesystem einen Staat im Staate dar, da man die Insassen ihrer Bürgerrechte beraubt, sie zum Teil unmündig macht und ihnen sogar Grundrechte nimmt. Die Verantwortlichen in der Landesregierung bis zur Basis der Mitarbeiter im Vollzug schikanieren nach Herzenslust und als Insasse steht man dieser Front, die sich durch Gesetzte absichert und selbst legitimiert, hilflos und ohnmächtig gegenüber.
In Gedanken bin ich bei meinen Bekannten, die sich hier in den letzten 7 Jahren umgebracht haben; und trauere insbesondere um meine Bekannte Katrin Löhr, die sich im Ausgang in Münster vor wenigen Monaten im Sommer 2013 an einer Brücke in aller Öffentlichkeit erhängte.
Diese Psychiatrien sind de facto keine Krankenhäuser oder JVAs, wie der Öffentlichkeit gerne erzählt und weisgemacht wird, sondern eindeutig KZs alter Machart in neuem Gewand. Meiner Ansicht nach wird in der BRD ein verdecktes „Euthanasie“-Programm betrieben, welches sofort gestoppt werden muss. Fairerweise muss man anmerken, dass der Umgang mit psychisch kranken Menschen in den letzten Jahren ein anderes Konzept erhalten hat, aber WIR fordern nicht ein neues und besseres Behandlungskonzept, sondern die sofortige Schließung aller Forensiken in der BRD und eine sofortige Beendigung dieser gesamtheitlichen Perversion.
WIDERSTAND BRAUCHT MUT!!!
verantwortlich für den Inhalt ist
Manfred Peter -Iceman-
seit 22 Jahren im Vollzug
(i) Textempfehlung zu Sicherungsverwahrung: Berichte von Thomas Meyer-Falk – 1, 2, 3
(ii) Eickelborn ist ein Stadtteil der westfälischen Stadt Lippstadt, Standort des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie Lippstadt.