Zwei Aufrufe: “Atomstaat stillegen!” und “Castor? Schottern!”

Ende November soll wieder ein Atomtransport ins Wendland stattfinden. Der diesjährige Transport aus der Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague soll dann Gorleben erreichen. Bereits seit September befinden sich hunderte Polizisten im Wendland, um ihren alljährlichen Großeinsatz vorzubereiten.Denn eines ist in den letzten Jahren nur allzu deutlich geworden: ohne den Einsatz von über 15.000 Sicherheitskräften – ausgestattet mit Räumpanzern, Wasserwerfen und allerleri anderen Waffen – ist ein Tansport der Castorbehälter in das Zwischenlager schlicht nicht umsetzbar. Trotz dieser riesigen Besatzungsmacht verlief die Fahrt des Atomzuges von Frankreich nach Deutschland in den vergangenen Jahren nicht störungsfrei: Hakenkrallen und Feuer sabotierten den Zugverkehr, an vielen Bahnhöfen entlang der Strecke versammelten sich zehntausende Menschen zu Blockaden und Kundgebungen oder ketteten sich an die Gleise. Autonome Treckergruppen blockierten den Nachschub der Bullen und sabotierten so effektiv deren Infrastruktur.

Es gibt auch dieses Jahr keinen Grund, die Füße ruhig zu halten. Nach den Ereignissen in Fukushima im Februar sah sich die Deutsche Regierung gezwungen, ihrer potenziellen Wähler_Innenschaft einen Atomaustieg vorzugaukeln, wie es bereits vor wenigen Jahren rot-grün vorgemacht hatte. Mit der Abschaltung von acht Kraftwerken und dem Versprechen eines Atomausstiegs bis 2022 sollen alle Kritiker ruhig gestellt werden. Doch wir trauen keiner Regierung, wir lassen uns nicht befrieden und erst recht nicht mit faulen Kompromissen abspeisen. Es kann für uns keine Alternative zur sofortigen Stilllegung aller Atomkraftwerke, zum sofortigen Produktionsstop von Brennelementen, zur sofortigen Beendigung des weltweiten Uranabbaus geben. Der scheinbare Ausstieg bedeutet nichts als eine Sicherheit für die Betreiber, für mindestens elf weitere Jahre mit ihrer menschenverachtenden Technologie Gewinne zu erziehlen. So werden Tag für Tag weitere Schäden an Mensch und Natur in Kauf genommen. Mit ihrer Energiewende werden wir uns nie abfinden, denn in der kapitalistischen Gesellschaft werden nie die Bedürfnisse der Menschen oder die Umweltverträglichkeit entscheidende Rollen spielen. Das ausschlaggebene Moment bleibt immer die Höhe des Gewinns, ganz egal wie dick die grüne Farbe auf den Werbetafeln aufgetragen ist. Wir werden keinen Frieden finden mit diesem ausbeuterischem System, in dem wir uns in allen Lebenslagen den “Mechanismen des Marktes” unterordnen sollen, anstatt in einer solidarischen Gemeinschaft verantwortungsvoll miteinander zu leben.

Es ist uns wichtig im November im Wendland genau die Kräfte ins Visier zu nehmen, die alltäglich zum Bestehen dieser Herrschaftsverhältnisse beitragen. Die Fahrzeugkonvois der Polizei gehören blockiert, ihr Kriegsgerät sabotiert, ihre Suppe versalzen und ihre Toiletten, die sollen sie ewig suchen. Die Ruhe in den Kasernen soll nicht lange wären – Pause muss ein Frendwort für die Handlanger_Innen der Atomindustrie werden. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten den Ordnungshüter_Innen ins Handwerk zu pfuschen. Ebenso wie ein Castortransport ins Wendland ohne die Staatsmacht nicht durchzuführen wäre, ist auch der kapitalistische Alltag ohne dieselbe Bullen unvorstellbar.

Vor Ort heißt ein solches Konzept – eingebettet in den gesamten Widerstand – selbstorganisiert und unberechenbar zu agieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Räume des Widerstands groß. Militanz ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine Widerstandsform von vielen – allerdings eine, die eine große Verantwortlichkeit braucht. Das Ziel ist, einen möglichst hohen, gezielten Sachschaden zu schaffen und damit gemeinsam den Transport so schwierig wie möglich zu machen. Damit wir in kleinen Gruppen erfolgreich agieren können, gibt es eine Karte, auf der die Infrastruktur verzeichnet ist, die der Staat und ihre Helfer_Innen brauchen, um den Castortransport bis ins Atommülllager zu prügeln (Download unter: castor2011.org). Welche Strecken fahren die Nachschubkollonnen? Wo stehen wichtige Sendemasten? Wo sind die Kasernen, in denen sich die Bullen ausruhen? Machen wir ihnen den Einsatz zur Hölle!

Unberechenbar und dezentral agieren ist gegenüber dem konzentrierten Bullenaufgebot ein enormer Vorteil. Aber es birgt Risiken. Auch deshalb empfehlen wir allen, schaut euch die Wege, den Rückzug und die Umgebung genau und möglichst im Vorfeld an. Wir wollen damit das Gesamtkonzept des Widerstandes im Wendland wieder mal mit eigenen autonomen Aktionen erweitern. Dabei geht es uns nicht darum, von der Schiene oder von der Straße weg zu mobilisieren. Auch hier sind entschlossene Aktionen gefragt und werden von autonomer Seite her geplant und unterstützt.

castor2011.org



Castor? Schottern! 2011

Für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!
Für eine dezentrale und demokratisch verwaltete Energieversorgung!

Wir sind überzeugt: Es ist und bleibt richtig und notwendig, die Castorschiene im Wendland unbefahrbar zu machen, es ist richtig und notwendig, den Castor zu schottern. Nach Fukushima und der sogenannten Energiewende der Bundesregierung dürfen wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Atommüll, Castortransporte, Gorleben… noch lange nicht erledigt!

Mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde – wieder einmal – deutlich, dass das „Restrisiko“ der Atomenergie nicht beherrschbar ist. Und der Ausstieg aus der Laufzeitverlängerung hat keineswegs eine Neuausrichtung der Energiepolitik gebracht: „Moderne“ Atommeiler sollen noch bis ins nächste Jahrzehnt hinein am Netz bleiben, jährlich hunderte Tonnen hochgiftigen Atommülls produzieren und das Risiko eines GAUs der Atomanlagen täglich reproduzieren. Und obwohl bald „ergebnisoffen“ nach einem Standort für ein atomares „Endlager“ gesucht werden soll, ist klar: Es kann kein sicheres „Endlager“ oder „Zwischenlager“ geben! Die Sanierungsfälle Asse und Morsleben machen dies überdeutlich. In diesem Sinne: Nicht trotz, sondern gerade wegen des „Atomausstiegs“ light der Bundesregierung gibt es ausreichend Gründe, im November den Castor zu stoppen.

Für eine Gesellschaft, in der Atomanlagen nicht möglich sind!

Denn an der Notwendigkeit, selbst für den Atomausstieg und für dezentrale, basisdemokratisch verwaltete Energieversorgungssysteme aktiv werden zu müssen, ändert der „Ausstieg“ der Bundesregierung nichts: Die Urananreicherungsanlage in Gronau bleibt genauso unbehelligt, wie die Regierung an ihren Bürgschaften für den Export deutscher Atomtechnologie nach Brasilien festhält. Auch der zerstörerische Uranabbau soll vor allem im globalen Süden weitergehen. Das alles zeigt: Die Sicherung der Macht und der Profite der Energiekonzerne gibt die Leitlinie der gegenwärtigen Energiepolitik vor. Eine kapitalistisch organisierte Energiewirtschaft funktioniert aufgrund der Tatsache, dass Profite privatisiert, die Risiken und Kosten aber auf Gesellschaft und Umwelt abgeladen werden.
In der gleichen Logik werden neue Kohlekraftwerke genehmigt, die den Klimawandel anheizen und die Gewinninteressen der Energiekonzerne über zentralistische Formen der Energieerzeugung langfristig absichern sollen. So ist es auch eine Allianz aus Regierenden und Konzernchefs, die mit der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage; unterirdische Verpressung des abgeschiedenen CO2) neue „Endlager“ schaffen will – diesmal für Kohlendioxid -, um Kohlekraft „klimafreundlich“ zu machen, mit einem grünen Mäntelchen zu versehen.

Energiekonzerne vergesellschaften!

Damit wird der Widerstand gegen die Castor-Transporte ins Wendland auch zum Widerstand gegen die Macht der Energiekonzerne, ihre Braunkohletagebaue und neuen Kohlekraftwerke,gegen ihre neo-imperialistischen Solarstromprojekte in Nordafrika. Dabei hat der Castor-Widerstand im Wendland eine besondere Tradition als Ort für neue Aktionsformen. So haben tausende Aktivist_innen mit „Castor? Schottern!“ im vergangenen Jahr eine altbekannte Praxis der Anti-Atom-Bewegung öffentlich legitimiert. Auch in diesem Jahr bleibt es legitim, den Schotter aus der Gleisbett zu räumen, um die Schiene unbefahrbar zu machen. Es bleibt weiterhin notwendig, das Gegengewicht zu einer Politik zu schaffen, die die atomaren-fossilistischen Interessen der Energiekonzerne vertritt.

Ja! Wir stören weiter…
Atomausstieg und Klimagerechtigkeit bleiben Handarbeit!

castor-schottern.net

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *