Syrien: Von einem syrischen Anarchisten

Ich bin Mazen ***, ein syrischer Anarchist. Ich möchte euch über die schwierige humanitäre Situation in meinem Land, Syrien, informieren, die bedingt ist durch die brutale Repression gegen die revoltierenden Massen von Seiten des Regimes. Eine Gruppe von jungen syrischen AnarchistInnen and Anti-Autoritären aus Aleppo trat an mich heran und bat um dringende Unterstützung. Ihrer Community mangelt es an praktisch allem und sie benötigt schleunigst folgende Dinge: Medikamente, Zelte, Milch für Kinder, usw. Wir hoffen, dass ihr ihnen helfen könnt, um die Leiden der Syrerinnen und Syrer in diesen schwierigen Tagen zu lindern.

Die aktuellen Situation in Syrien verschlechtert sich schnell. Nach der Tötung einiger hochrangiger Generäle des Regimes (der Verteidigungsminister und sein Stellvertreter, der gleichzeitig der Schwager des Präsidenten selbst ist) durch unbekannte Kräfte (die syrische Befreiungsarmee hat jedoch die Verantwortung für die Angriffe übernommen) haben die bewaffneten Oppositionsgruppen zwei zentrale Städte angegriffen, die zuvor abgeneigt waren, sich der Revolution anzuschließen: Damaskus und Aleppo. Ein heftiger Kampf begann und nachdem anfängliche Erfolge für die Oppositionskräfte zu verzeichnen waren, zog die Assad-Armee ihre verbleibenden Kräfte zusammen und begann einen Gegenangriff, bei dem sie all ihre verfügbaren konventionellen Kräfte einschließlich der Luftstreitkräfte, Kanonen und Panzer benutzten, die bereits seit Monaten Verwendung finden. Viele Zivlisten mussten unter harten Bedingungen fliehen, hunderte wurde massakriert.

Die syrische Revolution ist nun in einem offenen bewaffneten Kampf gefangen. Die friedlichen Demonstrationen haben jetzt ihre Bedeutung verloren und fast niemand schert sich mehr darum, sie zu erwähnen und/oder gibt ihnen keinen maßgebenden Einfluss auf den Ausgang des Kampfes. Was als spontane Revolution der Massen begann, ist zu einem bewaffneten Kampf zwischen dem Regime und seinen bewaffneten GegnerInnen geworden. Das liegt vor allem an der brutalen Unterdrückung durch das Regime, das die Armee, Panzer und Waffen gegen Nachbarschaften der Zivilbevölkerung richtet, aber auch an der Intervention von Tyrannenherrschaften wie die saudischen und katarischen Monarchien.

Aufgrund der strategischen Lage Syriens ist die Revolution in der iranisch-saudischen Rivalität um regionale Herrschaftsansprüche gefangen und sogar zwischen Russland und den USA, die jeweils eine Seite ihrer eigenen Interessen zuliebe unterstützen, zerrissen. Wir können nicht glauben, dass die saudische Monarchie sich für die Freiheit des syrischen Volkes einsetzt; sie wollen nur ihren Gegner, das iranische islamistische Unterdrückerregime, schwächen. Saudi-Arabien und Katar taten alles in ihrer Macht stehende, um die syrischen Revolution als einen sektiererischen Kampf zwischen Sunniten und Schiiten umzudeuten. Zynischerweise tat das syrische Regime dasselbe.

Vor nicht allzu langer Zeit beschrieb ein einflussreicher saudischer Journalist den Arabischen Frühling (dieser Begriff wird genutzt, um die Serie der arabischen Revolutionen zu beschreiben) als einen sunnitischen Frühling, der den schiitischen Iran bedrohe. Die anderen sich gegenüberstehenden Lager der Unterdrückerregime nutzen ebenso das Argument des Sektierertums für ihre eigenen Belange. Das syrische Regime versucht, das gleiche zu tun, indem es sich als der “Beschützer der religiösen Minderheiten” in Syrien aufspielt.

Wir sehen das ganz anders. Wir sehen es so wie es geschehen ist und begonnen hat: als eine spontane Revolution der Massen gegen Diktaturen und neoliberale Programme und “Reformen.” In diesem schwierigen Moment für die Bevölkerung zählen wir auf die breite Masse, auf die Unterdrückten, von jeder Religion, Sekte oder Ethnie, um sich gegen die Unterdrücker zu vereinen, welcher Religion sie auch immer angehören mögen. Wir setzen auf Organisationen wie unsere GenossInnen aus Aleppo und andere Initiativen, die durch junge StudentInnen und ArbeiterInnen initiiert wurden. Es ist ein schwieriger Kampf, der sich zu einem sektiererischen Bürgerkrieg wandeln könnte, und es gibt keine Garantie außer der Entschlossenheit der breiten Masse (und unsere eigene), um den Kampf für wirkliche Freiheit und Gerechtigkeit, für die freie Selbstorganisation der Unterdrückten fortzuführen.

In Wahrheit gibt es gegenwärtig eine große Spaltung in der arabischen und syrischen Linken: Die Stalinisten stehen auf der Seite des Regimes, das sie als ein “anti-imperialistisches” Regime ansehen. Gewohntermaßen können sie die unterdrückerische Natur des Regimes vernachlässigen; das ist ganz normal für sie. Es gibt drei syrische “kommunistische” Parteien, die das Regime vollkommen unverschämt unterstützen. Andere hervorstechende stalinistische Parteien in arabischen Ländern unterstützen das Regime ebenso. Auf der anderen Seite standen die Trotzkisten gegen solche Regime. Sie sehen jedoch die Islamisten als mögliche “Verbündete” in solchen Kämpfen und verneinen den reaktionären, autoritären und kapitalistischen – oder gar neoliberalen – Charakter des islamistischen Projekts. Dies ist der Fall in Ägypten, wo die Trotzkisten eine starke Organisation hatten: die revolutionären Sozialisten.

Und noch etwas, Brüder… Ich werde im August zurück nach Syrien gehen, um mich dem Kampf unserer GenossInnen und der breiten Masse anzuschließen. Einige syrische AktivistInnen organisierten und dem Namen WE ARE COMING BACK (Wir kommen zurück) eine Kampagne. Wir werden nach Syrien im August über ***** einreisen. Es wird erwartet, dass uns das Regime festnehmen will und dass Folter auf uns zukommt oder wir sogar getötet werden. Ich werde eure Solidarität in diesem Falle benötigen. Einige GenossInnen werden euch im Falle des Falls auf dem Laufenden halten. Bis auf Weiteres bin ich noch in ****, Ägypten. Wenn ihr jegliche Form der Unterstützung für unsere GenossInnen in Syrien arangieren wollte, nehmt Kontakt mit mir auf, solange ich noch hier bin. Ich kann euch Kontakte zu unseren GenossInnen in Syrien und einigen ägyptischen GenossInnen ihr verschaffen, wohin ihr eure Beteiligung senden könnt. Vielen Dank für eure Solidarität.

Für die Revolution und Freiheit! Für die Anarchie!

Mazen ****

Einige Details wurden für die Sicherheit unseres Genossen editiert.

Quelle

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