Brief der anarchistischen Gefangenen Emma Sheppard: Gefängnisse funktionieren für keinen – außer für die, die davon profitieren.
März 2015
Letzte Nacht sah ich den Mond und einen Stern. Es war das erste Mal nach langer Zeit. Ich musste an alle meine Freunde, alte wie neue, denken und fragte mich, was sie unter ihrem Schein wohl taten. Ich schätze mich glücklich, Teil eines großen Netzwerks von Menschen zu sein. Alles scheint möglich, wenn du weißt, du hast Unterstützung. Aber während diese Gedanken das Gefängnis erträglich machen, werde ich nie die Gewalt des Systems vergessen.
Die Gefängnisse sind fast voll. Also bauen sie mehr. Von Topshop zu Tesco, DHL zu Lend Lease und Virgin zu Geoamey, es steckt viel Geld im Gefängnis-Regime. Private „Kommunale Wiedereingliederungs-Gesellschaften“ betreiben jetzt die Bewährungshilfe. Christopher Grayling (Anm.: konservativer Politiker und „Secretary of State for Justice“) hat eine weitere „Wiedereingliederungs-Initiative“ für das Justizministerium angekündigt. Gefangene werden Sandsäcke, Zaunpfähle und Ausrüstung für bewaffnete Streitkräfte herstellen um „wichtige neue Fertigkeiten und harte Arbeitstage schätzen“ zu lernen.
Das Wort „Wiedereingliederung“ ist niemals weit weg innerhalb dieser Mauern. Aber das Gefängnis wirft einen langen Schatten – es isoliert, spaltet ab und zerstört Leben. Vieles wurde kürzlich über Frauen im Gefängnis geschrieben. Selbst Vicky Pryce, Ex-Frau eines Tory-Mitglieds, rief zu einer Veränderung auf. Aber während Frauen im Gefängnis, um die Sprache der Gefängniswärter zu benutzen, „komplexe Bedürfnisse“ haben, vereinfachen Reformaufforderungen auf Gender-Basis das Problem zu stark. Gefängnisse funktionieren für keinen, außer für die, die davon profitieren.
Und was bedeutet „Wiedereingliederung“ denn eigentlich? Reue für deine Straftat zeigen? Niederknien vor angeblich gütigen Systemen, die uns als unsere „Wahl“ präsentiert werden? Wiedereingliederung wird als die Karotte genutzt, der wir hinterher rennen sollen. Aber ich werde an keinem Rennen teilnehmen, um Sandsäcke herzustellen. Es gibt keine Wiedereingliederung in einer IPP (Inderterminate Sentence for Public Protection), CSC (Close Supervision Centre) oder der Isolationshaft, oder wenn Leute ohne Vorwarnung verlegt werden. Das ist keine Wiedereingliederung.
Assata Shakur hat einen von vielen Prozessen beschrieben, deren Gegenstand sie war. Während ich mich in keinster Weise mit ihr vergleiche, kann ich mich in dem Gefühl wiedererkennen.
„Am New Jersey Prozess teilzunehmen war skrupellos und inkorrekt. Mit der Teilnahme, habe ich bei meiner eigenen Unterdrückung mitgemacht. Ich hätte es besser wissen sollen und diesem Betrug keine Glaubwürdigkeit schenken sollen. Auf lange Sicht gesehen können wir nur an die Menschen appellieren. Die einzigen, die uns befreien können, sind wir selber.“
Einige Menschen entziehen erfolgreich im Gefängnis, viele haben einen Rückfall. Einige verlassen die Beziehungen in denen sie misshandelt werden, viele gehen dorthin zurück. Genau wie der Mythos vom „Schutz“ den die Polizei aufrecht erhält, ist „Wiedereingliederung“ eine bequeme Fassade, hinter welcher sich die Gewalt des Systems versteckt. Die Entscheidung, die die Leute im Gefängnis treffen, mag ihnen helfen oder schaden. Aber alle positiven Veränderungen die einem Individuum widerfahren, passieren trotz und nicht dank der „Möglichkeiten“, die uns gegeben werden. Ich werde nie den Stacheldraht und das Geräusch des Schlüssels in der Tür vergessen, aber auch wenn ihr mich einsperrt, ich bin nicht allein.
Viel Liebe
Em x
Emma Sheppard A7372DJ
HMP Send, Ripley Road
Woking, Surrey
GU237LJ, UK