Jeden Tag sehen wir zu, wie die Massaker an den staatlichen Grenzen zunehmen. Tausende Menschen die vor Kriegen, Armut und vor ökologischen Katastrophen flüchten, welche direkt auf die Ausbeutung der Rohstoffe zurückzuführen sind, und Menschen, die selber zu Rohstoff gemacht werden. Wir sehen jeden Tag dabei zu, und es nimmt immer mehr die Form eines Blutbades an. Blut, das vor unseren Haustüren gegossen wird. Wir gewöhnen uns daran, der Abscheu der Normalität zuzuschauen. Während diese Masse von Menschen ihr Leben riskiert, den Grenzen trotzt und alles aufs Spiel setzt, wenn sie vor den Wachhunden Europas stehen, prahlen die Politiker*innen mit ihren demokratischen Werten und erklären die Notwendigkeit, einen Teil von ihnen zu legalisieren, indem man Aussortierungskriterien einführt, die gute Ware auswählt und die verdorbene zurückweist. Sie erlassen gemeinsame Gesetze, bauen grosse Zentrale Aufnahmestellen, stärken die Verwaltungs- und Militärapparate, sowie die Überwachung der Grenzen. Diese Grenzen sind nicht nur Markierungen zwischen den Staaten, sondern sie werden nun auch durch Kontrollen und Razzien in den Verkehrsmittlen und Bahnhöfen materialisiert, an den Arbeitsplätzen und innerhalb der Machtbeziehungen, in Banken und Verwaltungen, in den Abschiebeknästen und durch die Arbeit der humanitären Hilfsorganisationen.
Die letzten Monate spürten tausende von Menschen auf den Pariser Strassen den Empfang des französischen Staats an Leib und Seele. Sie wurden aus jeglichen Parks, Strassen, Grünanlagen, Brücken, unter den sie versuchten, Zuflucht zu finden, rausgeschmissen. Sie wurden von den Bullen zusammengeschlagen und mit Tränengas zurückgedrängt, weil sie zusammen bleiben wollten. Unterstützungsgruppen unterschiedlicher Prägungen sind rasch entstanden. Unter ihnen befinden sich aufrichtige Menschen, für die das Helfen an sich der Zweck ist, die durch ihre Wut oder ihre Empörung motiviert sind. Andere vertreten Parteien oder humanitäre Organisationen, für die die Geflüchteten ein Mittel sind, mehr Sichtbarkeit auf den Strassen und in den Medien, mehr politische Macht und mehr private und öffentliche Finanzierungen zu bekommen. Insgesamt versuchten sie, sie materiell zu unterstützen und ihre Forderungen politisch zu begleiten, welche die Mehrheit dieser Menschen stellen: den Erfolg ihrer Asylanträge und das Finden einer Bleibe. Diese Forderungen berufen sich auf die Menschenrechte und nehmen den Staat als Ansprechpartner wahr. Diesen Staat, der mehr oder minder direkt an blutigen Angelegenheiten in ihren Herkunftsländern beteiligt ist, der sie an den Grenzen niedermetzelt, der sie verfolgt weil sie auf der Strasse schlafen, und der sie mit Tränengas und Schlagstöcken empfängt, da er darum besorgt ist, das touristische Schaufenster Paris von dieser Plage zu säubern. Continue reading [Paris] Einige Überlegungen für ein Projekt gegen Grenzen