Schweizer Gefängnisse: Aktuelles zu Marco Camenisch

„Freiheit für Marco Camenisch“ (Solidaritätsaktion bei der Botschaft der Schweiz in Bogotá, Kolumbien, 5.2.2013)

3. Update bzgl. der Nichtfreilassung usw.

Anfang August 2012
Der Boss des Lagers Lenzburg teilt mir mündlich mit, dass das Justizvollzugsamt ZH von ihm bis ca. Ende 2012 eine Stellungnahme zu meiner bedingten Freilassung angefordert habe und dazu müsse er wissen, ob ich ev. „Vollzugslockerungen“ (was „Resozialisierungsschritte“ wie Freigang, Außenarbeit, Halbfreiheit, usw. bedeutet) akzeptieren würde, oder ob meine Linie „entweder Freilassung oder nix“ sei. Ich erklärte, solche Schritte würde ich sehr wohl akzeptieren.

19. November 2012
1. Repressalie/Provokation gegen Besuche: Der Boss verbietet die Besuche einer revolutionären kommunistischen Genossin/Freundin – die, obwohl „schon immer“ politisch „vorbestraft“, mich nun seit fast zehn Jahren besucht und es sogar während einer Halbgefangenschaftsperiode weiter tat – unter dem Vorwand der Medienberichterstattung, dass sie definitiv zu 17 Monaten Haft verurteilt worden sei (sie ist immer noch in „Erwartung“ des Vollzuges).

7. Dezember 2012
Sehr schnell führen die Zustände und ihr Abteilungsleiter des Justizvollzugsamtes ZH die „rechtliche Anhörung“ durch, wegen deren Verletzung das Verwaltungsgericht ZH die Rückweisung zu neuer Entscheidung der ersten Ablehnung der bedingten Freilassung verfügt hatte (siehe meine Info „Urteil 8.11.2012 – Verwaltungsgericht des Kantons Zürich in Sachen bedingte Entlassung vom 25. November 2012“). In der Anhörung bestätigte ich meine Position (subjektive Undenkbarkeit einer Wiederaufnahme des „bewaffneten Kampfes“, Notwendigkeit/Legitimität des bewaffneten revolutionären Kampfes).

Januar 2013
Während einer kurzen Klärung in Besuchssachen fragt mich eine „Sozialarbeiterin“ des Lagers en passant ob ich etwas über meine Versetzung wisse. Auf meine Verneinung fügte sie für Vollzugslockerungen an und sie würde mich für weitere Infos auf ihr Büro rufen.

28. Januar 2013, nachmittags
2. Repressalie/Provokation gegen Besuche: Die vier Compas, die ich erwarte (eine Anarchistin aus der Schweiz, besucht mich seit fast zehn Jahren; ein Anarchist aus Torino, besucht mich seit fast zehn Jahren; zwei jüngere GenossInnen aus dem Tessin, eine Frau und ein Mann, besuchen mich seit ca. drei Jahren), werden im Eingang von drei Bullen überfallen (drei Bullen des Kanton Aargau und einer vielleicht Bundesbulle) und eine Stunde lang auch nackt gefilzt. Der Genosse aus Torino hatte unter dem Vorwand des WEF in Davos ein zehntägiges Einreiseverbot in die Schweiz, der 28.1.2013 war der letzte Tag. Er hat das nie zugestellt bekommen, denn sie hätten keine Adresse. Während er aus diesem Lager regelmäßig die Besuchserlaubnisse, die man beim Zutritt für die Besuche vorweisen muss, an seine Adresse zugesendet bekommt… Unter dem Vorwand des Einreiseverbotes, wird er für die restliche Besuchsstunde der je zwei Stunden pro Woche nicht rein gelassen. Den anderen drei – falls ich sie richtig verstanden habe, aber vielleicht werden sie selbst besser informieren – erpressten die Bullen ihre Handynummern und Inhalt, ansonsten sie nicht zum Restbesuch rein gelassen würden. Eine weitere Genossin, Anfangs Februar zu Besuch, berichtete mir von einer „eingehenderen“ Kontrolle als sonst.

5. Februar 2013
Vom Amt für Justizvollzug ZH als erste Instanz erhalte ich die zweite Ablehnung (vom 1. Februar 2013) der bedingten Freilassung, in Form und Inhalt die „Fotokopie“ der ersten, zusätzlich wird bloß die „Anhörung“ vom 7. Dezember 2012 als Begründung herangezogen und zuletzt steht noch man werde auf Dezember 2013 vom Lager Lenzburg eine Stellungsnahme zu meiner bedingten Freilassung anfordern. Diese zweite Ablehnung werde ich einigen GenossInnen fotokopiert zustellen und öffentlich zugänglich machen, natürlich stehen nun weitere Rekurse und Beschwerden an.

Auch wenn dieses unmittelbare und auch besondere Ziel aller euer wunderschönen Initiativen der kämpfenden Solidarität bis jetzt nicht erreicht wurde, und auch wenn es „nie“ erreicht werden sollte(!), der zentrale „Punkt“ ist das nicht. Sondern, dass auch diese spezifischen Initiativen untrennbarer Teil des sozialen Kampfes für die totale Befreiung sind. Die in diesem Kampf, weit über ihre spezifischen, unmittelbaren und sichtbaren Ziele und Resultate hinaus, wirkungsvoll sind. Der Beleg dafür ist die Repression, die Repressalie und die Verbissenheit des Feindes, auch und nicht zuletzt gegen seine Geiseln/Kriegsgefangenen und die revolutionäre Solidarität. Dass der Feind uns bekämpft heißt, dass wir im Krieg der totalen Befreiung auf dem richtigen Weg sind.

Ein Krieg dem Krieg, nämlich gegen den immerwährenden globalen und totalen Krieg für Herrschaft, Ausbeutung und Unterdrückung. Für den Clausewitz Einsicht noch eindeutiger als für jede andere Art des Krieges gilt: … in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten

Einsicht, die in keinerlei Gegensatz dazu steht, dass unter den Eigenschaften und Motivierungen aller Kämpfenden für die totale Befreiung und für ein freies Leben auch Zärtlichkeit, Gutmütigkeit und Liebe zentral sind; sie dürfen jedoch die Klarsicht, die Kontinuität, das Wachstum, die Entschlossenheit und die Schlagkraft des Kampfes nicht schwächen, sondern müssen diese stärken!

Mit Liebe, Entschlossenheit, Solidarität,
marco camenisch, Lager Lenzburg, Schweiz, 10. Februar 2013

via Rote Hilfe International

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