Genua: Kein Schritt zurück! Über die Ermittlungen und Durchsuchungen der ROS*

„Rebellieren ist richtig!
Mailand verwüsten
ist manchmal eine etwas menschlichere Geste
rebellieren ist richtig!
Wer SklavIn ist, ist banal
und kann dich VerbrecherIn nennen
rebellieren ist richtig!
Wenn ohne Programm
endest du vielleicht in einem Drama
aber es stimmt!
Die Ketten sprengen
vom Schweisse der Rücken
vom Lärm der Sirenen
rebellieren ist richtig!
Assemblea musicale teatrale, Genova 1977

R97

NON UN PASSO INDIETRO

Donnerstag, 30. April hat das Kassationsgericht die Urteile gegen Nicola und Alfredo bestätigt und die Strafe um eine einige Monate reduziert. Also nichts Neues unter der Sonne, denn wie hätte es anders sein können, da der Galgen der Richterschaft ja immer bereit ist, jene zu treffen, die Position beziehen. Sie können sich ja nicht selbst verurteilen wenn die Gesetze, die sie sehr wirksam durchsetzen, Hunderte und Hunderte von MigrantInnen zum Sterben in den Fluten des Meeres verurteilen. Oder wenn sie zulassen, dass die Arbeitenden von jedem Arbeitgeber in Jacke und Krawatte ausgebeutet werden, bis sie auf dem Arbeitsplatz sterben. Aber sie können im Namen der Gesetze und deren Verfasser verurteilen, ermitteln, untersuchen, einkerkern und foltern.

Einmal mehr, in diesem Fall durch das Schreckgespenst der ISIS, treibt der Staat seinen x-ten Versuch voran, alle real kritischen Praktiken und Verhaltensweisen mit der blitzartigen Verabschiedung eines neuen Antiterrorismus-Dekrets einzudämmen bzw. zu vernichten.

Indem er die Möglichkeit zur Beschuldigung des terroristischen Zweckes (Art. 270 StGB) fast kapillar auf alle Arten und Zusammenhänge des Handelns ausdehnt und alle Solidaritäts- und Unterstützungsformen (direkte und indirekte) an die, die des Terrorismus angeklagt und/oder verurteilt sind, in strafrechtliche Vergehen verwandelt, bekräftigt der Staat anmassend eines der erpresserischen Herzstücke der demokratischen Ordnung: Dissens ist unter der Voraussetzung erlaubt, er sei harmlos, unwirksam und bereit unter Kontrolle zu bleiben und eventuell politisch, kulturell, sozial und/oder wirtschaftlich wiederverwertet/absorbiert zu werden.

Man bemerke, wie derselbe Mechanismus gegenüber der Frage der Immigration benutzt wird. Die Medienkampagne des Terrors (mit der Einflüsterung des Verdachts, auf den Kähnen gäbe es unter den Verzweifelten infiltrierte blutrünstige Mörder) dient zu nichts anderem als dazu, die reaktionärsten Aussagen und die darauf folgenden Massnahmen zur progressiven Verstärkung der Grenzen der sogenannten Festung Europa, die eigentlich eine gigantische Wirtschafts- und Finanzlobby ist, durch Angstmache und Erzeugung von allgemeiner Gleichgültigkeit durchzudrücken.

Damit das, was in ihrem Inneren schon geschieht, sich unbehelligt und ohne Konsequenzen ausserhalb ihrer Grenzen noch brutaler und beliebiger verewigen kann: die konstante Plünderung der natürlichen Gebiete, die Vergiftung und Versklavung ganzer Bevölkerungen.

Die historische Periode, die wir im Fokus der unendlich vielen uns verfolgenden und ausspionierenden Augen erleben, erlaubt uns nicht, uns allzu viele Genugtuungen zu verschaffen; alles wird schwieriger, aber wir wissen, dass mit Intelligenz und Phantasie noch möglich ist, sich etwelcher Frustrationen zu entledigen, ab und zu etwas zurückzugeben. Wie es auch möglich ist z. B. jenen Solidarität zu bringen, die verhaftet werden, weil sie sich der Herrschaft entgegen gestellt und ihre tödlichen Pläne behindert haben, jenen, welche die Richterschaft als TerroristInnen stigmatisieren möchte.

Immer mehr müssen wir gegen den Staat kämpfen, denn es ist Aufgabe der RevolutionärInnen ihn zu bekämpfen (den Intellektuellen überlassen wir das Privileg ihn zu diskutieren und basta), ohne auf den günstigsten Moment zu warten und, vor allem, ohne zwischen Guten und Bösen zu unterscheiden.

Solidarität und, warum nicht, Komplizität gibt man den Genossen und Genossinnen in den Knästen weil es so richtig ist. Man schreibt ein Flugblatt, man macht eine Aktion, jedenfalls lässt man die, die von den vier Mauern einer Zelle in Grenzen gehalten werden, fühlen, dass der Kampf nie vergeblich ist.

Darum werden Gesetzesdekrete oder andere Strategien zur Schwächung der Kämpfe, die Nähe zwischen denen drinnen und denen draussen nie aufhalten können.

Darum werden die Versuche des Staates (hinter welcher Maske er auch versuchen wird, sich in unsere Leben einzuschleichen), indem er gegen die GenossInnen wegen Anstiftung zum Verbrechen ermittelt, Terror in den Reihen jener zu verbreiten, die gegen den Staat kämpfen, nichts anderes als die Solidarität unter uns verstärken.

Der Staatsanwalt Frederico Menotti hat gegen einen Genossen aus Genua eben wegen Anstiftung zu terroristischen Verbrechen ermittelt, unter Bezugnahme auf die vom Genossen ins Netz gestellte Erklärung, in der er jene scharf kritisierte, die sich vorher mit einem Schreiben im Netz mit dem Titel „Die Pünktchen auf den i“ vom Attentat distanzierten, bei dem im Mai 2012 Roberto Adinolfi (Geschäftsführer von Ansaldo Nucleare) in die Beine geschossen wurde, wozu sich die schon genannten Nicola und Alfredo in der ersten Anhörung des Prozesses bekannten.

Wir müssen Manotti eine schlechte Nachricht geben… Wer 2012 nicht zögerte die Notwendigkeit des Angriffs auf das Bestehende erneut zu bestätigen und Nicola und Alfredo die eigene Solidarität zu bringen, wird keinen Schritt weichen.

Immer bewusster wird, wie sehr die Logiken der via Netz erklärten Unterscheidungen, öffentlichen Distanzierungen, Abschwörungen und Denunzierungen unserer jenseits der darunterliegenden persönlichen Gründe angesiedelten Ethik widersprechen. Sobald der Medienrummel vorüber ist, nützen diese Praktiken einzig und allein der Macht und ihrem Repressionsapparat in der Stärkung der Wiedereingliederungspolitik des Konflikts und in der Isolierung des Subversiven. Dazu werden die Notizbücher der Schreiberlinge gefüllt, um irgendein schäbiges und lächerliches „Familienbildchen“ zu flickschustern.

Wir bekräftigen, dass die Solidarität das tiefste Gefühl und gleichzeitig ein unverzichtbares Instrument jedes Kampfweges ist, und darum darf sie nie auf ihre konflikthaltigen Komponenten verzichten: den Angriff und die Sabotage.

Jeder Versuch uns mit genau dazu zusammen mit den ROS betriebenen Ermittlungen abzuschrecken, ist völlig nutzlos.

RESIGNATION IST TOD !
REVOLTE IST LEBEN !

Solidarische Genossen und Genossinnen, die sich beim Mainasso treffen

*ROS (Reparti Operativi Speciali) – Sondereinsatzkräfte der Carabinieri bzw. Militärbullen Italiens

Üb. mc, Knast Menzingen, CH, Mai 2015

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