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Zur Verhaftung vom 13. April 2016 in Barcelona

JEDES HERZ IST EINE ZEITBOMBE

Am 13. April dieses Jahres führte eine Operation der Mossos d’Esquadra (autonome katalanische Polizei) in Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei drei Hausdurchsuchungen durch, zwei davon in Privatwohnungen und eine weitere im besetzten sozialen Zentrum Blokes Fantasma. Diese Polizeioperation endete mit der Verhaftung unsrer Gefährtin, die mittels eines europäischen Haftbefehls aufgrund der Anklage des deutschen Staates gesucht wurde, an der Enteignung einer Bank im Jahr 2014 in eben jenem Land teilgenommen zu haben.

Die Gefährtin wurde am 14. April in den Isolationstrakt des Gefängnisses von Soto del Real (Madrid) überstellt, wo sie unter dem FIES-Regime inhaftiert wurde. Obwohl sie den Willen ausgedrückt hat nicht ausgeliefert zu werden, beugte sich die Richterin der vierten Kammer der Audiencia Nacional (Staatsgerichtshof für schwere Verbrechen), Angela Murillo, (wie üblich) dem Willen des deutschen Staates und vermeldete am 26. Mai die Auslieferung unserer Gefährtin innerhalb von 10 Tagen an eben jenes Land, wo auf sie ein Hochsicherheitsgefängnis wartet.

Die Staatsanwaltschaft von Aachen (Deutschland) ist die selbe, die am 24. Juni des Vorjahres einen EuHB gegen eine weitere anarchistische Gefährtin ausstellte, die an der griechisch-bulgarischen Grenze verhaftet und dort zwei Monate inhaftiert wurde. Danach wurde sie nach Köln ausgeliefert, wo sie weitere vier Monate in Untersuchungshaft wegen der Anklage an einer Enteignung einer anderen Bank, in diesem Fall im Jahr 2013, teilgenommen zu haben, verblieb. Seit dem 16. Dezember des letzten Jahres befindet sie sich in „Freiheit“ und wartet auf den Gerichtsprozess.

Das was sie Krise nennen ist nicht mehr als die zigste kapitalistische Restrukturierung, die uns auf der einen Seite die Verunsicherung, Prekarisierung und Verarmung unserer Leben bringt und auf der anderen Seite all jene Personen unterdrückt und einsperrt, die sich entschieden haben gegen dieses Leben der Misere, zu dem sie uns verdammen, zu kämpfen und zu rebellieren. Es handelt sich um deutliche Beispiele für die Stützen ihrer Repression: das sogenannte Knebelgesetz, das Strafgesetzbuch in all seinen Formen und Reformen, die neue Antiterror-Gesetzgebung… Um alle politischen Mittel und ökonomischen Notwendigkeiten, die es ihnen erlauben den Status Quo zu erhalten, umsetzen zu können, müssen sie fortfahren ihren repressiven und Kontrollapparat zu perfektionieren. Im Namen der Sicherheit und der Demokratie ist die Kollaboration zwischen Staaten im repressiven Bereich eine Realität, die auf dem Vormarsch ist. Europäische Haftbefehle, Treffen von uniformierten Kollegen verschiedener Länder, Datenbanken von „unerwünschten Personen“ und DNA, die auf europäischer Ebene geteilt werden, sind Teil ihres Kontrollarsenals.

Das scheinheilige Europa des Gewinns öffnet seine Grenzen für die Zirkulation von Kapital und Waren und schließt diese gleichzeitig für jene Personen, die sich nicht damit abgeben von den Abfällen zu leben, die aus der Misere und den verwüsteten Gebieten fliehen, oder für jene, die vor den Kriegen flüchten, welche die Mächtigen ausgelöst oder genährt haben. Dieses Europa betrachtet gleichmütig die Barbarei, die es ausgelöst hat, als schreckliche Normalität.

Die vergangenen und neuen Erfahrung zeigen und erinnern uns daran, dass der Bruch mit der Normalität möglich ist; die Regeln der Macht, des Konsens und des Kapitals herauszufordern und uns unsere Leben wiederanzueignen.

Die Erfahrung der Verteidigung der Banc Expropiat (kürzlich geräumtes soziales Zentrum) in den Straßen von Gràcia in Barcelona haben nicht nur einen Spalt in der Pazifizierung aufgebrochen, die sie uns täglich versuchen aufzuzwingen, sondern hat auch eine Möglichkeit und Hoffnung eröffnet, um eine Form des selbstbestimmten, würdevollen, erfüllten Lebens zu konstruieren. Wir wissen, dass die rebellischen Feuer, die in Gràcia brannten, das Herz unserer Gefährtin in ihrer Isolation in Madrid entfacht haben und sie trotz der Distanz viele der Gesten und Leidenschaften dieser Nächte begleitet haben.

Es ist uns egal ob die Gefährtin „schuldig“ oder „unschuldig“ für die Taten ist, die sie ihr zuschreiben, das sind Kategorien, die wir den aasfressenden Verteidigern des Systems überlassen.

Jeder Akt der Enteignung des Feindes, der uns seit Jahrhunderten beraubt, ist nicht nur legitim sondern wünschenswert.

Unsere uneingeschränkte Komplizenschaft für alle, die ihre Freiheit riskieren, um das Kapital zu enteignen.

Heute, 30. Mai, wurde die Gefährtin ins Gefängnis von Brieva in der Provinz Ávila überstellt. Wahrscheinlich haben sie eine Reihe von Verlegungen in verschiedene spanische Gefängnisse vor der Auslieferung an Deutschland für sie vorbereitet, ein weiterer Versuch der Züchtigung, den der spanische Staat speziell gegen rebellische Gefangene zur Schau stellt.

Rebellische internationale Solidarität mit der in Barcelona am 13. April und der in Bulgarien verhafteten Gefährtin.

Freiheit für alle anarchistischen Gefangenen!

Für die Ausbreitung der Revolte

Grenzenlos solidarische Anarchisten.

„Wenn man kämpft kann man verlieren. Wenn man nicht kämpft hat man schon verloren“ R.Z.

Ávila Gefängnis, Spanien: Worte der Genossin Mónica Caballero

Der Staat nennt seine eigene Gewalt Gesetz; die des Individuums Verbrechen. Gesetzesbruch demnach – so wird die Gewalt des Individuums genannt; und nur durch Verbrechen bricht es die Gewalt des Staates, wenn es denkt, dass der Staat nicht über ihm steht, sondern das Individuum über dem Staat.
– Max Stirner

In diesen Tagen, fast 10 Monate nach meiner Einkerkerung in den Gefängnissen des spanischen Staates, musste ich diese Worte an euch liebe Genossinnen und Genossen herausgeben, die ihr für die Abschaffung jeder Autorität und die integrale Entwicklung jedes Individuums kämpft.

Heute ist Anarchismus auf der Sicherheitsebene eine der größten Sorgen vieler westlicher (und einiger östlicher) Staaten; in dieser Hexenjagd auf informelle Antiautoritäre ist alles erlaubt, diese repressive Hysterie ist der Eroberung totaler Befreiung inhärent, sie ist so alt wie die antistaatlichen Ideen. Deswegen erwartet all jene ein kurzzeitiger oder verlängerter Besuch eines der beschaulichen Monumente menschlicher Auslöschung, die versuchen, der herrschenden Ordnung entgegenzutreten oder sie auch nur in Frage zu stellen. In meinem Fall ist der Durchgang durch einige Käfige nichts Neues. Wenn jemand sich entschließt, gegen das Establishment zu kämpfen, ist Bestrafung eine der Konsequenzen. Diese Haltung geht weit über die demokratische Vision von Unschuldig/Schuldig hinaus, die keinen Platz hat in einer, die diese Welt zerstören will, welche auf Gesetzen beruht, an die ich nicht glaube. Ich erkenne keinen Richter an, ihr Gesetz verwandelt mich in eine Sklavin, ihre Justiz macht mich zur Gefangenen.

Im Innern der Gefängnisse kommt der größte Abfall der Gesellschaft ans Licht. Hier, im Innern, wird das Individuum in seinem innersten Wesen zermalmt; Erpressung und Manipulation durch die Tentakel der Macht sind vermischt mit und umgewandelt in soziale Reintegrationsmaßnahmen. Angesichts dieser Maßnahmen ist Kohärenz mein Sieg. Ich selbst zu bleiben, nicht korrumpierbar zu sein und meine Würde zu behalten, ist mein tagtäglicher Kampf.

In diesem politisch-juristisch-polizeilichen Prozess, in dem zunächst gegen eine Gruppe von Genossinnen und Genossen Beschuldigungen vorgebracht wurden und der sich schließlich auf meinen geliebten Genossen und mich konzentrierte, haben die Apparaturen der Macht die verschiedensten Tricks angewandt, von denen einige ein lächerliches Niveau erreichten. Doch die dieses System mit der Muttermilch aufgesogen haben und es zu verewigen versuchen, werden unsere Formen nie verstehen. Formen, die Hierarchien abbauen, die von niemandem Befehle akzeptieren, die wachsen und sich vermehren wie Unkraut in ihrem ruhigen und sterilen Garten. Anarchistische Ideen in ihrer Gesamtheit entwickeln sich in der Komplexität individueller Integrität. Dieses Individuum, das sich frei mit anderen Individuen assoziiert, setzt dieser verrotteten Gesellschaft ein Ende.

Die Formen und Arten, wie sich Individuen Herrschaft entgegenstellen, sind vielfältig und grenzenlos; keine ist besser oder schlechter, sie sind einfach verschieden. Kein Gegner des Staates, der oder die sich als solcher begreift, kann das, was zu tun ist, jemandem aufzwingen, geschweige denn eine Art von Auferlegung zulassen.

Auf dem Weg anarchistischer Konstruktion/Zerstörung besitzen (und wollen) wir keine Art von Handbuch oder Straßenkarte; wir erschaffen ihn tagtäglich mit unseren Genossinnen und Genossen in Affinität. Denjenigen, die glauben, dass wir Antiautoritäre buchstabengetreu den Postulaten einiger “berühmter” Genossen folgen, sage ich, dass sie überhaupt nichts verstanden haben.

Es gab und gibt immer noch eine ganze Reihe von geschätzten compañeros und compañeras, die in allen Zeiten der Menschheitsgeschichte sehr viel zum Kampf gegen die Autorität beigetragen haben; das heißt aber nicht, dass wir ihnen irgendeine Art von Kult widmen.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebend gerne würde ich öfter Worte an euch richten, doch in diesen beschränkten Umständen, in denen ich mich befinde, bin ich nicht sicher, ob ich auf diesem Wege noch einmal kommunizieren kann.

Der Prozess gegen uns wird in ein paar Monaten stattfinden; wenn dieser Moment kommt, werde ich versuchen, der Lage gewachsen zu sein und niemals meinen Kopf zu beugen.

Ich sende eine geschwisterliche Umarmung an jene, die ihre Solidarität mit uns zum Ausdruck gebracht haben; jede Geste der Solidarität leuchtet die Schatten dieser kalten Mauern aus.

An die subversiven politischen Gefangenen in den Gefängnissen des chilenischen Staates: ihr seid immer in meinen Gedanken präsent; obwohl ich so weit von euch entfernt bin, bin ich bei euch.

Und an euch, frei gewählte Brüder und Schwestern: wir werden bald wieder Blicke austauschen.

Offene Hand dem Genossen und der Genossin, geschlossene Faust dem Feind!
Tod dem Staat und lang lebe Anarchie!

Mónica Caballero Sepúlveda
Anarchistische Politische Gefangene
Ávila Gefängnis, September 2014
vom spanischen Staat dominiertes Gebiet

(Anmerkung der Transkription: Diese Worte wurden von Mónica Anfang September geschrieben und hätten schon vor mehr als einem Monat veröffentlicht werden sollen, doch erreichten sie uns aus unbekannten Gründen erst jetzt, Ende Oktober.)