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Athen: Militärgerichtsverhandlung gegen den Gefährten Dimitris Chatzivasileiadis auf unbestimmten Zeitpunkt verschoben

June-2nd-2016-court-martial
“Dass wir Armeen und Grenzen der Bosse abreißen – Totalverweigerung jeglicher Autorität – Solidaritätsversammlung für den totalen Kriegsdienstverweigerer Dimitris Chatzivasileiadis”

Ein politischer Bericht vom Militärgericht gegen den totalen Kriegsdienstverweigerer Dimitris Chatzivasileiadis (2. Juni 2016)

(Originale Erklärung auf griechisch ist hier zu finden — nach unten scrollen, um einen Audioausschnitt aus dem Militärgerichtssaal zu hören; Am Ende rufen GefährtInnen die Parolen“Gerichtsverfahren werden zu Verurteilungen im Sinne des Staates selbst“ und „Solidarität ist die Waffe der Menschen; Krieg gegen den Krieg der Bosse!”)

Im April 2016 äußerte sich der totale Kriegsdienstverweigerer in einer öffentlichen Stellungnahme vorausblickend auf seine kommende Verhandlung vor dem Militärgericht “Wenn mein Fall der Einberufungsverweigerung am 2. Juni zum zweiten Mal in der Berufung verhandelt wird, stehe ich wieder einmal vor dem Militärrichtern und werde die Auseinandersetzung von den Unteren gegen den Staat und seine privilegierten Kasten artikulieren. Aber dieses Mal werde ich nicht nachgeben, um die Strafe frei zu kaufen. Der Schuldspruch wird Gefängnis bedeuten; und Gefängnis bringt uns Auge in Auge mit der Situation eines realen Krieges; politisch, sachlich und als Lebenserfahrung. Und selbst, wenn die Generäle der Militärrepression mir durch Festlegung einer gewöhnlichen Strafe von einigen Monaten die Chance geben sollten, werde ich in den Hungerstreik gehen, so dass die Gewalt von erpresserischen und diebischen Maßnahmen gegen Totalverweigerung ein für alle Mal überwunden wird…”

Im Anschluss eines Offenen Treffens für politische Unterrichtung und Organisierung von Aktionen am 4. Mai in Athen, zu dem das „Anarchistische Kollektiv für den proletarischen Wiederaufbau“ (an diesem Kollektiv beteiligte sich der Gefährte & Totalverweigerer) aufgerufen hatte, wurde die Solidaritätsversammlung mit dem Kriegsdienst-Totalverweigerer Dimitris Chatzivasileiadis ins Leben gerufen. Die kohäsivste Position der Solidaritätsversammlung war, dass es unerlässlich für die Bewegung als Ganzes ist, für Kollektive und Einzelpersonen Initiativen zu ergreifen von denen der gemeinsame Kampf und die Antwort auf den verstärkten Angriff von Staat und Kapital entstehen könnten. Wir meinen, dass die Haltung des verfolgten Gefährten diese Richtung unterstützt. Und deshalb mobilisieren wir sofort, unter Berücksichtigung, dass die richtigen Antworten im Kampf und in Debatten eingebunden sind.

Im ganzen Land wurde die Haltung des Gefährten durch ein breites Spektrum von Aktionen vermittelt, die die Versammlungen am Millitärgericht, den antimilitaristischen Kampf und die Kriegsdiensttotalverweigerung kommunizierten und den militanten Kampf gegen moderne Militärherrschaft propagierten. Wir sollten auf bestimmte Aktion mit besonderer Bedeutung hinweisen: In Thessaloniki fanden Massenintervention von Kollektiven an lokalen Schulen statt (23-29 May). Klassen/ Soziale/ antimilitaristische Kollekive aus der nördlichen Stadt Ioannina verkündeten einen gemeinsamen Aufruf zu Mobilisierung am Militärgericht und organisierten eine Propaganda-Solidaritätsveranstaltung. (31. Mai). Intervention von der Solidaritätsversammlung beim Militär-Rekrutierungsbüro in Rou, Athen (30. Mai). Diese Aktion veranschaulicht, dass die staatlich-militärischen Institutionen nicht unangreifbar sind und damit die Entschlossenheit von Solidarischen gegenüber den repressiven Praktiken des Staates propagiert wird. Es gab auch am Verhandlungstag eine Intervention bei der staatlichen Radiostation “Sto Kokkino” in Thessaloniki, die den besonderen Propagandamechanismus zum Ziel setzte, die Verschärfung der nationalistischen, rassistischen, militaristischen und repressiven Strategie durch die aktuelle Regierung ins Gedächtnis zu rufen.

Der politische Diskurs der Solidaritätsaktionen hob die vom Totalverweigerer gezogenen Grenzlinien hervor, in Bezug auf den konkreten Prozess am 2. Juni und verteidigte seine Forderungen: Sofortige Beendigung der fortlaufenden Verfolgung von Totalverweigerung; Aufhebung der Geldbußen (jedes mal 6,000 Euro); Abschaffung des Kriegsdienstes; ein Ende der Verfolgungen.

Wenn sich eine breite Front bildet, um sich für das einzusetzen, was jedes Mal im Kampf auf dem Spiel steht, vervielfacht sich unsere Kraft. Bereits vor dem Gerichtstermin am 2. Juni hat die Solidaritätsmobilisierung verdeutlicht, dass das, worum es geht, kein individueller Fall von Repression wäre, sondern die Verstärkung der Repression von Totalverweigerung des Militärdienst insgesamt. Die Antwort von mehreren Kollektiven auf diesen Aktionsaufruf ist sogar von größerer Bedeutung, wenn die erhobenen Vorbehalte und Einwände bezüglich taktischer oder organisatorischer Fragen berücksichtigt werden. Obwohl sie von verschiedenen politischen Interpretation der derzeitigen Realitäten hervorgebracht wurden oder verschiedene „Philosophien“ zu Grunde liegen, stehen sie dennoch unserem gemeinsamen Kampf nicht im Wege.

Kurz vor der Verhandlung am 2. Juni liefen GefährtInnen der Solidaritätsversammlung und solidarische Menschen von der nächstgelegenen Metrostation zum Militärgericht und kamen dort indem Moment an, als jemand anti-militaristische Parolen rief. Bei Ankunft war die geplante Versammlung bereits im Gange. Als das Verfahren beendet war, riefen die GefährtInnen Parolen. Im Anschluss formierte sich aus der Versammlung heraus eine Demonstration und das Wachhaus des Militärgerichts wurde mit Farbbeuteln beworfen.

Zu Beginn der Verhandlung hat der Totalverweigerer erklärt, dass obwohl die Anklage gegen ihn nicht juristisch begründet werden kann, er sich wünscht, dass sie weiter läuft. Er forderte den Präsedenzfall zur Abschaffung der konsekutiven Verfolgung von allen Kriegsdienstverweigern. Die Militärrichter verkündeten sofort die Verschiebung der Verhandlung. Der Gefährte bestand darauf, dass er die Aufschiebung verweigert. Wenn er sie gewünscht hätte, würde er selbst darum gebeten haben. Ebenso hätte er sich selbst von der Bestrafung und Geldstrafe durch Aussetzung des Kampfes für Totalverweigerung befreien können.

Ungeachtet davon, entschied das Gericht die unbestimmte Verschiebung der Verhandlung, um auf diesem Wege die politische Entscheidung eines taktischen Rückzug des Staates gegenüber der anti-militaristischen Bewegung zu vollziehen. Dabei wurde sich auf eine neue Vorschrift berufen.

Die Verhandlung wurde bis mindestens Ende 2017 unterbrochen, was das Zeitlimit der bestehenden Regelung ist. Außerdem enthält die Entscheidung des Militärgerichts keinen anderen Verweis neben dieser Verordnung, wodurch alle betroffen sind die nicht zum Militärdienst erscheinen. Es wurde kein Bezug auf die Besonderheiten des Falls des konkreten Totalverweigerers oder zu irgendwelchen begleitenden Faktoren genommen. Deshalb ist die Verschiebung aus diesen Gründen ein Präsendenzfall für alle, die aufgrund von Militärdienstverweigerung angeklagt sind.

Diese besondere Regelung (Artikel 12, § 1, 2, 3 eines Gesetzentwurfs, ab dem 28. Januar 2016 geltende RechtsprechungI) spiegelt die taktischen Schritte der links-nationalistischen Regierung wider (bis zum 2. Juni). Die neue Bestimmung lässt den Status Quo, bezüglich fortlaufender Verfolgung in Form von steigernde Geldbußen, unverändert Weiterhin führt es ein Element von Erpressung ein: Die Bestimmung befreit alle, die sich bis Ende 2017 einberufen lassen von jeglicher administrativer und finanzieller Strafe. Das ist im Wesentlichen die Karotte am Ende des Stöckchens, die sehr verlockend sein kann, so lang die die Peitsche militärischer Repression weiterhin in Monaten rechnet und tausende Euros von Gebühren bedeutet. Die nationalen Ziele dieser Gesetzgebung sind klar: Die weit verbreitete Weigerung zu dienen, die die Macht des Militärs und den nationalen Geist untergräbt, einzugrenzen. Die Zahl der Wehrpflichtigen soll erhöht werden, wenn das auch mit dem Preis verringerter Erträge aus Geldbußen erkauft wird.

Während der Totalverweigerer deutlich ausdrückte, das es keine Chance gibt, dass er sich jetzt oder in Zukunft einberufen lässt, bestanden die Militärrichter darauf, sich auf diese Verordnung zu berufen, als eine Möglichkeit für den Angeklagten, die sie anbieten sollten damit alle Verhandlungen zur Wehrdienstverweigerung verschoben werden! Ihre Irrationalität ist hier offensichtlich. Obwohl behauptet wird, dass ihr Ziel des Einlenkens im Sinne des Totalverweigeres ist, schwächen sie ihre Köder offensichtlich. Ein weiterer Schuldspruch wäre ein Extramotiv für jemanden, der Einberufung Folge zu leisten. Sicherlich nicht für den Totalverweigerer vor Gericht am 2. Juni. Diese Entscheidung gilt aber für alle Einberufungsflüchtige. Dieses Militärgericht begrenzt die Effiziens der Verordnung. In Einzelfällen kann Nachsicht aus Gründen erklärt werden einen Angeklagten zu ermutigen, sich zu fügen. Hingegen, ist die Entschärfung repressiver Mittel, mit resoluten Kämpfern konfrontiert, ein Zurückweichen von Seiten des Staates.

Wenn der Staat ausweicht oder sich von einem Kampf zurückzieht, macht er das mit der Absicht, um uns am Ende auf unserem Weg zu schwächen, weniger organisiert zu agieren und unsere Anzahl zu verkleinern. Diese Verschiebung war dennoch ein unbedeutendes Manöver. Es ist Vermächtnis für die ganze anti-militaristische Bewegung. Alle Verhandlungen von Einberufungsflüchtlingen und besonders von Totalverweigern, wo der Kampf mit dem Militarismus konzentriert ist, befinden sich für die nächsten anderthalb Jahre in Wartestellung. Der Staat erkennt hinter der Haltung vom Gefährten Dimitris Chatzivasileiadis und der Solidaritätsbewegung eine ernsthafte Gefahr. Er erkennt eine unterstützte anarchistische Bewegung und eine Barrikade, die sich verbreitern kann.

Der Waffenstillstand ist einseitig und temporär. Die repressive Waffenarsenal des Staates ist trotzdem nicht gezügelt, seitdem der Staat dem Dilemma ausgewichen ist, das am 2. Juli aufgeworfen wurde. Außerdem sind die Bußgelder immer noch in Kraft. Ob die Taktik des Staates, die zur Entscheidung des 2. Juni geführt hat, die Summe seiner repressiven Werkzeuge einbezieht, indem fortlaufende Einberufungsbefehle gestoppt werden, die Verfolgung und die Verhängung von Geldbußen eingestellt werden, oder ob es bei minimalen Zugeständnissen, der Verschiebung der Verhandlungen bleiben wird, hängt von unserer kollektiven Wachsamkeit ab.

Dieser taktische Rückzug, mit allen von uns beschriebenen Charakteristiken, zielt darauf ab den Kampf für totale Kriegsdienstverweigerung zu schwächen, damit die Armee reibungslos ihrer schmutzige Arbeite angehen kann. Wir befinden uns in einer Zeit, wo die Armee eine vielfältige und aktive Rolle der Repression übernehmen soll, z.B. in der Ökonomie, im sozio-politischen Feld auf europäischer Ebene, mit dem Vorwand des Ausnahmezustands begründet (wie Bombenanschläge, die es in europäischen Städten gegeben hat) und die bei MigrantInnen, die vor Krieg und Armut fliehend, sich zwischen kapitalistischen Zentren bewegen.

Die Armee als Herrschaftsmechanismus für die Steuerung der Massen, für die Repression unserer Revolten, für die Plünderung neuer Territorien und der Kontrolle des Landes, ist struktureller Bestandteil aller Staaten. Die Praktiken und Methoden des Militärs gegen den „äußeren Feind“ mit dem wesentlichen Ziel Klassen und sozialen Widerstand zu zügeln. Weil sie auf Alle abzielen, die gegen die Interessen der Herrschenden kämpfen oder die überflüssig sind für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes (Militärische Führung der Massenmigration) Den Staat zu bekämpfen, bringt es mit sich kämpferisch gegen Militarismus zu erheben, der die Unterdrückung des gesamten sozialen Lebens nach militärischen Strukturen und Zielen fördert .

Wir wenden uns kämpferisch und unnachgiebig gegen Militarismus, nicht aus einer abstrakten Anti-Kriegs Position, sondern von einer Position, die sich Krieg gegen Herrschaft und Ausbeutung anschließt. Totalverweigerung des Kriegsdienstes stellt die Geltendmachung der individuellen Fähigkeit dar, bewusst und frei über das eigene Leben zu bestimmen. Noch wichtiger stellt sie die Verweigerung des staatlichen Gewaltmonopols dar. Genauer gesagt entwaffnet Totalverweigerung die staatlichen repressiven und konter-revolutionären Mechanismen. Gleichzeitig bricht das Gewaltmonopol des Staates, wenn die Unterdrückten sich selbst bewaffnen und ihre Herren und die militärischen Institutionen und Mechanismen angreifen

Für all die genannten Gründe, kämpfen wir für eine anti-militaristische Bewegung, Teil einer breiten, vielfältigen revolutionären Handlungsweise, die über Erklärungen hinausgeht. Für die Beseitigung des ausbeuterischen Systems, das die staatlichen Armeen, SöldnerInnen erfordert und aufrechterhält oder anders, in seiner Gesamtheit.

DER KAMPF GEGEN STAATEN, IHRE ARMEEN UND GRENZEN GEHT WEITER

LASST UNS JEDEN DIENST UND ZUSAMMENARBEIT MIT DEM MÖRDERISCHEN MECHANISMUS DES STAATES ZERSCHLAGEN

NICHT EINE STUNDE IN DER ARMEE

SOLIDARITÄT MIT TOTALVERWEIGERERN

Solidaritätsversammlung für den totalen Kriegsdiensverweigerer Dimitris Chatzivasileiadis

auf Englisch

Belgrad/Zagreb/Mostar: Solidaritätserklärung mit dem Kriegsdienstverweigerer Michalis Tolis

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“Nicht einmal eine einzige Stunde in der Armee – Wir werden niemals zum Schlachtvieh für tödliche Granaten werden”

Wie die Ereignisse der 1990’er in Ex-Jugoslawien zeigten, sind Kriege eine exzellente Methode, um die ungehinderte Herrschaft des Kapitals auszudehnen. Ob die Ausrede nun nationalistische Ideologie (wie im Fall der lokalen herrschenden Klasse) war, oder die Ideologie der Menschenrechte (wie im Fall der NATO Intervention), der militärisch-industrielle Komplex war der effektivste Faktor, um das Terrain für den neo-liberalen Angriff auf die ArbeiterInnenklasse vorzubereiten.

AntimilitaristInnen waren diejenigen, die immer imstande waren, die wahre Funktion der patriotischen Rhetorik zu erkennen, sich zu widersetzen und die Ideen der Freiheit und Autonomie zu verteidigen, selbst in Momenten der größten nationalistischen Hysterie. Da diese Hysterie mittlerweile abgenommen hat, ist vielen klar geworden, dass die “Verräter” und Deserteure diejenigen waren, die im höchsten Grade Courage und Verantwortung bewiesen haben, zu einer Zeit, als das am dringlichsten war und als viele dem infantilen Trend folgten, die persönliche Verantwortung an den Staat abzugeben.

Die Kriege in Ex-Jugoslawien, so wird es oft in der lokalen Bevölkerung gesagt, “hatte niemand erwartet”. Dennoch erwartete sie die herrschende Klasse nicht nur sondern sie bereitete sich auch auf die Kriege vor. Die Kriegsausbrüche waren alles andere als spontan, die Menschen mussten mittels Gewalt und Propaganda in sie getrieben werden. Die Erfahrung zeigt dadurch, dass blutige Kriege ausbrechen können, wenn die lokale Population sie nicht erwartet und bis zum letzten Moment nicht daran glaubt, dass sie passieren. Einen ähnlichen Mechanismus können wir bei den Ereignissen beobachten, wie sie sich derzeit in der Ukraine entfalten.

Deshalb ist der antimilitaristische Kampf auch in Momenten wichtig, wo die Mehrheit immer noch nicht an die Möglichkeit eines Krieges glaubt, und wo die “Herrschaft des Gesetzes” noch stabil ist. Es sind diese Herrschaft, der Staat, die patriotische Ideologie und der militärisch-industrielle Komplex, die alle Bedingungen reproduzieren, die für einen anscheinend “unerwarteten” Kriegsausbruch benötigt werden. Kriege, deren einziger Zweck immer einen neuen Angriff auf die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückung der sozialen Kämpfe gegen die Herrschaft des Kapitals zum Inhalt haben.

Aus diesem Grund ist der Kampf von Michalis Tolis und den GenossInnen des Barfußbataillons von elementarer Wichtigkeit.

Solidarische Grüße!
AnarchistInnen aus Belgrad, Zagreb und Mostar.

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