In den ersten Tagen des Jahres 2012, besetzten Menschen aus dem anarchistisch/antiautoritären Milieu das VOX Gebäude (Eigentum des staatlich geführten “Sozialversicherungsinstituts”-IKA), mit dem Vorsatz, es in ein offenes Sozialzentrum zu verwandeln. “ΒΟΞ” war der Name eines Freilichtkinos, dass sich einmal im selben Gebäude an der Ecke der Arachovis- und Themistocleous Straße befand. Das Gebäude selbst bietet genug Raum für verschiedene Projekte. Das Ziel der Gruppe ist die Ausweitung soziopolitischer Kämpfe durch kollektive Forderungen, in einer Zeit, in der ökonomisch-systemische Krisen die meisten Teile der Gesellschaft bedrohen und angreifen. Es geht auch darum, solidarische Beziehungen und Kommunikation mit Menschen und weiteren Initiativen in der Nachbarschaft aufzubauen.
Am 20. April, nur einen Tag vor der öffentlichen Eröffnung des neuen Projekts, stürmte ein Großaufgebot an Polizeikräften das Gebiet und insbesondere den Exarchia Platz. Um 5 Uhr früh (MEZ) räumten Bullen und Staatsanwälte das VOX Gebäude (es scheint, dass keinE BesetzerIn drinnen war).
Gegen 12 Uhr (MEZ) befanden sich der Exarchia Platz und viele angrenzende Straßen unter Polizeibesatzung.
Drei Menschen wurden während der Räumung des zweiten Gebäudes in der Valtetsiou Straße verhaftet. Sie wurden auf der Polizeiwache festgehalten, einem Staatsanwalt forgeführt (wegen illegaler Betretung angeklagt) und zwei von ihnen sind jetzt entlassen worden. Die dritte Person, eine Migrantin ohne Papiere wird weiterhin in der Polizeistation für Nicht-GriechInnen in der Petrou Ralli Straße festgehalten.
In der Zwischenzeit wurde das soziale Zentrum VOX versiegelt. Um 12.49 Uhr (MEZ) veröffentlichte die Gruppe eine Erklärung zur Razzia. Sie machte auf die Verzerrung der Fakten durch die Medien aufmerksam und gab u.a. bekannt, dass heute (20. April), um 6 Uhr morgens unzählige Repressionskräfte gemeinsam mit drei StaatsanwältInnen die Kontrolle über das gesamte Gebiet Exarchias übernahmen. Ioannis Tentes, Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs (Areios Pagos) erließ jüngst den Beschluss zur Räumung besetzter öffentlicher Räume, eine Anweisung, die nun zum erstmalig, in enger Kooperation mit der bekannten Generalstaatsanwältin Eleni Raikou, in die Praxis umgesetzt wurde. Unter dem Kommando des Staatsanwaltes beraumte die IKA-Verwaltung einen formellen Prozess gegen das soziale Zentrum VOX an und ermöglichte dadurch die vorab beschlossene, erzwungene Räumung.
Um 16 Uhr war der gesamte Bezirk Exarchia (inklusive des Eingangs zum Polytechikum in der Stournari Straße) immer noch durch Polizeikräfte abgesperrt. Mannschaften und Motorradeinheiten blockierten sogar den Verkehr auf einigen Straßen, etc. Deshalb wird die regelmäßig stattfindende Soliversammlung für die AnarchistInnen der revolutionären Organisation CCF um 18 Uhr, in dem kleinen Theater von Lafos Strefi (anstatt des Gini-Gebäudes im Polytechnikum), stattfinden. Die auf zwei Tage anberaumten Konzis für die gefangenen Kämpfenden, die eigentlich im Athener Polytechnikum stattfinden sollten (ein DIY Punksolifestival vom 20-21.4.), wurden abgesagt.
Die VOX-Gruppe ruft zu einer Kundgebung am Sonnabend, den 21. April, um 17 Uhr, auf dem Exarchia Platz, auf. Sie hat vor, dort ihr geplantes Live-Konzi durchzuführen.
Am Samstag Abend (gegen 18 Uhr MEZ) wurde das VOX-Gebäude erneut mit der Hilfe von mehr als 200 GenossInnen besetzt . Das selbstorganisierte Event zur Öffnung des Squats wurde von circa 2000 Menschen auf dem Exarcheia Platz und in den umliegenden Straßen beigewohnt. Kleinere Auseinandersetzungen brachen gegen 2 Uhr in der Nacht aus und die Cops feuerten Unmengen an Tränengas in dem Gebiet.
Weitere Infos folgen, wenn vorhanden.
Wenige Tage vor dieser “spektakulären” Räumung begann der Abgeordnete der ultrarechten LAOS-Partei damit, “Fragen” zum besetzten sozialen Zentrum VOX zu stellen.
Am 9. April berichteten BesetzerInnen, dass der Abgeordnete der ultrarechten LAOS-Partei Athanassios Pleuris eine formelle Anfrage an den “Zivilschutz”- und das Arbeitsministerium im Parlament formulierte. Der Parlamentarier behauptete, dass AnarchistInnen eine “… Umwandlung dieses Raumes in ein “soziales Zentrum”, d. h. eine weiteres Nest anarchistischer Gewalt und Terrors” wünschten – er fragte die Minister und andere, ob sie seine sofortige Räumung planten. Das Bullenministerium veröffentlichte eine ausweichende, bürokratische Antwort, lediglich unterstreichend, dass seine Kräfte den Ort in einer “diskreten” Art und Weise überwachen (was keine Überraschung war).
Da sie ohne Führung gegen alle Autoritäten kämpfen, stellen die besetzten Häuser und freien Räume jetzt sogar noch eine größere Bedrohung für die herrschende Ordnung dar. Dieser Versuch der Verfolgung kann somit nur im Rahmen der koordinierten Repression gegen radikale Projekte und Kämpfende gesehen werden. Die Reaktion der BesetzerInnen auf den Staat und jeden Faschoschläger lautet, dass das VOX-Gebäude bereits von den Menschen genutzt wird und sie nicht aufhören werden, um eine klassenlose Gesellschaft der Gleichberechtigung und Solidarität, ohne Ausschluss und Ausbeutung, zu kämpfen. Besetzte Häuser sind ein integraler Bestandteil im Kampf für die Freiheit.
PFOTEN WEG VON DEN BESETZTEN HÄUSERN – SOLIDARITÄT IST UNSERE WAFFE
Es folgt das erste Kommuniqué, das vom VOX-Projekt Anfang März veröffentlicht wurde.
Besetzung des VOX-Gebäudes – Exarchia
In den ersten Tagen des Jahres 2012, besetzten wir, die wir uns durch unsere Beteiligung in dem anarchistisch/antiautoritären Milieu und der klassenkämpferischen, antikapitalistischen Bewegung definieren, das VOX Gebäude (Eigentum des staatlich geführten “Sozialversicherungsinstituts”-IKA), mit dem Vorsatz, es in ein offenes Sozialzentrum zu verwandeln.
Der Entschluss, ein soziales Zentrum im Herzen Exarchias zu erschaffen, ist eng verbunden mit beidem, der Historie des Ortes und der derzeitigen kritischen Situation und seiner politischen und sozialen Entwicklung.
Über einen einzelnen Bezirk Athens hinausgehend, ist Exarchia seit mehreren Jahrzehnten ein fortwährendes, soziopolitisches Labor, ein Treffpunkt der rebellierenden Jugend und ein Ort der subversiven, politischen Projekte, freier Kreation aber auch für Interaktionen mit zeitgenössischen kritischen Tendenzen.
Demzufolge wurde das Gebiet zu einen Bezugspol für AnarchistInnen, linke Jugendliche, StudentInnen und Intellektuelle, die Exarchia nicht nur als Treffpunkt auswählten sondern auch als Wohnort. Das kombiniert mit den laufenden Kämpfen, schuf eine soziale Verbindung mit einigen Teilen der lokalen Gemeinde, die sicherlich nicht im Geringsten eine geradlinige Beziehung darstellte. Sie stand immer in Verbindung mit dem jeweiligen Zustand der Bewegung.
Der Staat, der von diesem Stadtteil so verägert war, versuchte wiederholt, mittels direkter Repression oder durch die Umwandlung des Bezirks in einen Drogensupermarkt, die Kontrolle über ihn zurück zu erlangen. Die bloße Expansion der Kommerzialisierung und des um sich greifenden Lifestyles zielten von Anfang an darauf ab, die aufständischen Dynamiken Exarchias zu entkräften.
Der Frontalangriff, der durch Kapital und Staat in der jetzigen Krisensituation entfesselt wurde, führt große Teile der Gesellschaft in die Verarmung, deshalb greift das Phänomen der intraklassistischen Gewalt und des sozialen Kannibalismus überall verstärkt um sich. Insbesondere in Exarcheia bedrohen Gangs von Schlägern das Alltagsleben im Bezirk und beeinträchtigen den sozialen Zusammenhalt, indem sie versuchen, die libertäre Geschichte der Nachbarschaft und das bisherige Nicht-Vorhandensein einer kollektiven Antwort auf diese Phänomena auszunutzen.
Der politische Schritt zur Besetzung des VOX liegt in der wachsenden Notwendigkeit, die sich durch den Nachweis des allgemein hervorbrechenden Zustands des einzelnen Raums und der Zeit darstellt. Das soziale Zentrum VOX – ein Projekt der gesellschaftlichen, politischen, kulturellen Intervention – gründet sich in der derzeitigen Situation der Verschärfung der Wirtschaftskrise und während der dominierende Machtblock (der noch nie so unvertretbar von der Gesellschaft und zur gleichen Zeit so homogenisiert in seinem Inneren war) seine letzten Angriff gegen die Arbeitskräfte und all den sozialen Besitzstand entfesselt.
Gleichzeitig hat sich die Repression zu einer Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der sozialen Kohärenz durch die Anwendung von Praktiken des Ausnahmezustands auf alle Aspekte des täglichen Lebens weiterentwickelt. Der wirtschaftliche Terrorismus (die Streichung der Belange der Arbeiter nach Jahrzehnten, die Marginalisierung und Verarmung großer Teile der Gesellschaft, die Immunität der ArbeitgeberInnen) und die Taktik des Staates (autoritäre Versicherheitlichung auf allen Ebenen, intensiviert durch den Polizeistaat, der versucht, harte Strafen für all jene aufzuerlegen, die Praktiken des Ungehorsams anwenden – unabhängig davon, ob dieser konfrontativ ist oder nicht -; massenhafte Verfolgungen von DemonstrantInnen; “Anti-Terror-Gesetzgebung usw.) legen die Stufe des Klassenkampf und dessen die Intensität, die auch die Sackgassen und Grenzen des Versuchs der herschenden Klassen, einen Ausweg aus der Krise zu finden.
Wir leben in einer Zeit, in der das System sich unfähig zeigt, alle ausgebeuteten Menschen bis auf weiteres zu integrieren; gleichzeitig sehen wir Anzeichen einer Ausbreiterung der sozialen- und Klassenkämpfe (massive Demonstrationen, Auseinandersetzungen mit den Kräften der staatlichen Repression, Wiederbelebung des Vertrauens zu kollektiver Aktivität, Entstehung von Organisationsformen und Ansprüche innerhalb von Nachbarschaften), die noch unzureichend sein mag, um ein allgemeines Bollwerk zu unterstützen, die jedoch a positives Zeichen des Kampfes für den Umsturz sind.
Die Ausweitung der soziopolitischen Kämpfe und der Dynamik der Entwicklung von allen Formen des effektiven Widerstandes, müssen einhergehen mit dem Konzept der Selbst-Organisation, der sozialen und politischen Solidarität und der Ablehnung der Institutionen.
Wir glauben, dass Besetzungen einen integralen Bestandteil der subversiven Bewegung darstellen und das Wiederaufleben dieser Praxis unter den gegebenen Zuständen einen doppelten Zweck erfüllt: auf der einen Seite eine Verteidigungslinie durch die Erschaffung von Freiräumen und auf der anderen Seite eine aggressive Taktik, um eine Trennlinie zu ziehen im Anbetracht der kommenden Ereignisse – ob es um die dauerhafte Besetzung von Gebäuden, die auf die Errichtung eines offenen soziopolitischen Raums als Zentrum und Ausgangspunkt für die Basis der Kämpfe abzielt, geht oder um die Besetzung von öffentlichen Eigentümern und Räumen als eine Form des Protestes, der über die bürgerliche Legitimität herausfordert, oder – sogar mehr -, wenn es um Besetzungen als Mittel des Klassenkampfes geht, wenn sie beanspruchen, das Konzept des Eigentums zu hinterfragen, um somit die Produktionsmittel und Besetzungen des Arbeitsplatzes an sich zu nehmen.
Besetzte Häuser sind eine Bedrohung für Herrschaft, weil sie jeder Macht, den kapitalistischen Beziehungen und dem vorherrschenden Weg, die Gesellschaft zu organisieren, trotzen, indem sie Selbstständig und Partizipation anstatt Resignation, die Erfüllung unserer Bedürfnisse und Wünsche anstatt der Bedingungen, die uns von den Herrschenden auferlegt werden, fördern.
Der Charakter eines besetzten Hauses selbst als eine konfrontative Praxis und ein selbst-organisiertes Projekt zielt auf die gesellschaftlichen Brüche ab, die die Widersprüchlichkeiten und den Ausweglosigkeit des Systems intensivieren, auf der Grundlage von Solidarität und den Werten der Gleichheit.
Wir verstehen Selbst-Organisation als einen hierarchiefreien, dezentralisierten Prozess ohne RepräsentantInnen, ExpertInnen und GelehrtInnen. Wir bekämpfen jede Form von nationalistischer, rassistischer und sexistischer Logik. Wir lehnen jede Form von Konsumstrukturen, die eine Personalisierung, eine Homogenisierung der Gesellschaft und die Unterwerfung unter die Logik des Marktes und des Profits erfordern, ab.
Eine Vorbedingung für die Effektivität unserer Aktivität ist die Kultur der kollektiven Interessen auszuweiten und solidarische Beziehungen in unseren Versammlungen aber auch in unserer Nachbarschaft aufzubauen; gleichzeitig durch unsere Verbindungen mit Netzwerken des Widerstands, die in dem Gebiet aktiv sind: Squats, Nachbarschaftsversammlungen, Treffpunkte, politische Kollektive, ArbeiterInnengruppen und klassenbasierte Gewerkschaften. Vor allem jedoch streben wir durch unseren aktiven Beitrag in den sozialen Kämpfen, Demonstrationen, Streikblockaden, Barrikaden an, unseren Teil zum großen Ganzen beizutragen – das heißt in dem (Zeit-)Abschnitt von den spontanen Protesten und Entrüstung der unterdrückten und ausgebeuteten Menschen hin zu einem bewussten Aufstand und der sozialen Revolution als einzigen Ausweg aus der Krise des Systems und der Angriffe der herrschenden Klasse mehr Strukturen und Zonen der Emanzipation und der kollektiven Aktion zu etablieren.
Wir wollen, dass das soziale Zentrum VOX ein Raum für direkte Kommunikation, Interaktion und Kreativität wird, wo es keine Hierarchien und ExpertInnen oder Spektakel- oder Konsumstrukturen gibt; ein Raum des genossenschaftlichen Miteinanders, der Solidarität und des Kampfes gegen alle Autoritäten.
Zentraler Bezugspunkt in der Funktion und den Aktivitäten des besetzten Hauses wird die allgemeine Versammlung sein, wo kollektive Entscheidungen bzgl. der Verwaltung des Raumes und Interventionen von Seiten des sozialen Zentrums in Übereinstimmung und im Konsens getroffen werden.
Durch Selbst-Organisation, Kommunikation und Zusammenkommen ermöglicht der besetzte Raum VOX, verschiedene Projekte unterzubringen, die von thematischen Arbeitsgruppen verwaltet werden – so zum Beispiel ein selbst-verwaltetes Café für die finanzielle Unterstützung der gefangenen KämpferInnen oder auch die Ausgaben des Squats selbst, eine Ausleihbibliothek, ein Veranstaltungsraum, Filmvorführungen, Aktivitäten für Kinder, Nachrichtenveröffentlichung usw.