Aus dem sozialen Schützengraben der Villa Amalias
In den letzten drei Tagen war die Gegend um die Villa Amalias Zeuge von Ereignissen, die jedes intelligente Wesen aus dem Jahr 2011 für ein Science-Fiction Szenario gehalten hätte. Aber das ist nicht der Fall. Dies war, mehr oder weniger, die Realität der letzten drei Jahre. Manche haben es nicht erlebt, manche möchten es nicht sehen, manche sind in Lethargie verfallen und weigern sich es zu sehen, manche sind selbstzufrieden – und doch scheinen manche es zu suchen.
Unter den Vorzeichen des von uns allen als verwerflich angesehenen Mordes an dem 44 Jahre alten Manolis Kantaris an der Kreuzung von Tritis Septemvriou und Ipirou Straße, hatten manche Leute entschieden, dass die Zeit für sie gekommen sei, die Gegend von diesen (ihrer Ansicht nach) seltsamen und dreckigen Kreaturen , den MigrantInnen, zu säubern und einen rücksichtslosen Pogrom zu starten.
Vom ersten Moment an stiegen die TV-Stationen in einen Tanz um den toten Körper ein, all die Missetaten in diesem Fall aufblasend, und unsere wohl bekannten „Nachbarn“ hatten wieder mal ihren Auftritt, den verängstigten Anrainern zu helfen aus ihren Türen zu treten. Könnte es sein, dass „Goldene Morgendämmerung“ der neue Name für eine ganze Gegend in Athen ist, nur noch nicht festgeschrieben wegen ein paar bürokratischen Problemen mit der Benennung? Plötzlich wird der Tod eines Mannes, von unbekannten Personen mit der Motivation eines Raubes begangen, in einen Mord an einer ganzen „Nation“, ausgeführt von „illegalen Migranten die unkontrollierbar handeln“, verwandelt. Die ideale Story für die faschistischen TV Autoren, , die eine griechische Reinheit herbeisehnen, die sie in der letzten Hälfte des Jahrtausends verloren hatten (wenn sie überhaupt jemals existiert hat), um „Feiertage“ zu organisieren, deren Trophäe jeder Migrant ist, der gerade in den Weg kommt.
Mit einem Augenblinzeln sind die Regeln des Spieles umgestürzt und von dem Punkt an dem all die aufgebrachten GriechInnenen die Kriminalität und unkontrollierbare Gewalt in ihrer Nachbarschaft verurteilen, erreichen wir jetzt den Punkt an dem alles erlaubt ist, so lange es von GriechenInnen gemacht wird. Mobs sind erlaubt, so wie Massen-Verprügelungen, Messerstechereien, sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit Mord, – wie der an dem 21 Jahre alten Migranten aus Bangladesh. Alles ist erlaubt im Namen der Angst, des Überlebens, der Durchsetzung und der Rache. Erlaubt ist auch der Kannibalismus.
Sozialer Kannibalismus. Das Ergebnis einer aufgelösten Gesellschaft die sich weigert, ob sie es will oder nicht, anzuerkennen, was die Wurzel des Ganzen ist. Zu Verstehen, dass Armut und Elend niemals von denen kamen, die in dieser Weilt unten stehen und niemals von ihnen kommen wird. Die von „Unten“ sind die Empfänger einer Situation, die für immer befeuert ist von denen „Oben“, die die das Kapital und die Macht haben, weil das die Art ist, wie sie ihren Fortbestand sichern. Die Manipulation und Unterwerfung der Welt durch soziale, ökonomische und Kriterien nach Klassen hält die Basis der kapitalistischen Pyramide in der Balance.
In dem du jemanden schlägst, abstichst oder dich über ihn erhebst, den du als minderwertiger als dich empfindest, ohne eine spezifische Logik, nur auf Grund der Hautfarbe oder des Herkunftslandes, wird sich keines deiner finanziellen Probleme lösen. Außer natürlich, wir träumen alle davon Tag und Nacht an Ampeln, in Bordellen, als Straßenverkäufer, Bauarbeiter oder Putzleute zu arbeiten für ein Stückchen Brot. Auch deine sozialen Probleme werden sich dadurch nicht lösen, weil du immer einen Minderwertigkeitskomplex haben wirst – weil du ihn jetzt auch schon hast – Minderwertigkeit und Abwertung deines Lebens von jemandem den du für besser hältst.
Die Lösung wird immer nur durch soziale Aufmerksamkeit und kollektive Kerne des Widerstandes gegen jene, die uns wirklich das Leben aussaugen, zu erreichen sein. Jene die, die Unten in deren Abwesenheit verurteilen, wegen der Klasse, verurteilen zu einer totalen, sich wiederholenden Auslöschung unter dem Vorhang der Ordnung, Sicherheit und des Wohlstandes. Dieselbe Ordnung und Sicherheit hat den jungen Demonstranten Yiannis Kafkas auf die Intensivstation (und 70 weitere Demonstranten ins Krankenhaus) gebracht, in Folge der fortlaufenden mörderischen Hiebe, die er von den uniformierten Schweinen bekommen hat, der ausführenden Gewalt ihrer Junta-Demokratie.
Um das einmal festzuhalten: Seit den letzten 3 Tagen und andauernd, in dem Tumult, der auf den Mord des Migranten folgte, haben die Squats am Victoria Platz Versuche organisierter Attacken von Mitgliedern der „Goldenen Morgendämmerung“ erfahren, so genannte „empörte Anwohner“ [der Begriff wird in den Medien oft als Euphemismus für Faschisten benutzt —Übers.] – und wage es ja nicht sie als Rassisten zu bezeichnen! – und Bullen. Chronologisch aufgezählt, passierte der erste dieser Versuche am 10. Mai gegen den Squat von Patision und Skaramanga, als die Faschisten versucht haben den Squat mit Hilfe von Bullen anzugreifen, die Tränengas warfen um die Besetzer zu einem Rückzug ins Haus zu zwingen.
Direkt danach war Villa Amalias an der Reihe. In allen diesen 3 Tagen haben die genannten (Faschisten und Cops) versucht die Squats anzugreifen, waren aber erfolglos, weil das Zusammenhalten und die Solidarität derer, die einen Teil von sich in der Villa sehen, dieses Ziel verhindert haben. In ihren Versuchen haben sie [die Faschos – Übers.], in allen Aktion bis jetzt, eine helfende Hand gefunden: Die Polizei. Manchmal Hand in Hand und in einer Reihe, manchmal mit den Cops zuerst und den faschistischen Pudeln hintendrein, manchmal andersherum. In jedem Fall wurde diese illegale Beziehung von Zuneigung und Hingabe zwischen der griechischen Polizei und den Faschisten schon vor einer langen Zeit legalisiert und wurde offenkundig nicht nur vom Staat (Der der Arbeitgeber von beiden ist) verdeckt, sondern auch von den Medien (Ein treuer Arbeitnehmer und Gefährte des Staates, wenn es darum geht die Ereignisse zu verzerren oder mit der sozialen Lethargie umzugehen). Oder sie erzählen nur die Hälfte der Geschichte oder verzerren sie. Die Wahrheit in nur 3 Zeilen ist, dass sie kamen, ihre Antwort bekommen haben – und nicht nur das – sie sind weggelaufen, weil ihre Zuhälter uns mit Tränengas bewarfen. Ende der Geschichte.
Alle diese „feine Herren“ sollten sich klar machen, dass für uns Menschen und Ideen keine Einwegprodukte oder Teil eines Trends sind, den wir bei erster Gelegenheit austauschen oder wegwerfen. Unsere Antwort, egal von welchem Standort aus, werden immer kollektiv, dynamisch und ungekürzt sein – sie werden nicht unterstützt oder manipuliert werden von irgendwem, der aus den Leichen profitieren will, metaphorisch oder wörtlich. Für uns hat das Leben kein „Preisschild“ über das wir auf dem Markt der Nationalitäten und ihrem nationalen Stolz, verhandeln könnten.
Wir haben es schon in der Vergangenheit geschrieben, aber wir werden nicht müde uns zu wiederholen: Wir finden uns bewusst in Konfrontation zu und gegen jeden Ausbeuter, Zuhälter und Heroin Dealer, egal welcher Nationalität. Wir wissen aber auch, dass das was fehlt, weder mehr Polizei (davon haben wir genug), der Ruf nach Ordnung und Sicherheit, noch natürlich die rassistische Propaganda und faschistische Gewalt ist. Was fehlt ist die Courage des Kontaktes und der Assoziation mit dem Anderen, der gegenseitige Selbstrespekt und Würde, die Versuche einer überkulturellen Koexistenz und eine (substantielle, nicht parastaatliche) Selbstorganisierung, welche viele Wunden unsere multikulturellen/proletarischen Nachbarschaften heilen kann.
Eines Menschen Blut darf nicht zu einem Meer werden
aus dem Faschisten fischen können.
Villa Amalias Squat
80, Aharnon Str. & Heiden, Athen