Tag Archives: Rémi Fraisse

Berlin: Lasst Rauchzeichen sprechen … französisches Diplomatenfahrzeug angezündet

Bewaffnet mit einem Brandsatz zogen wir in einer frostigen Nacht durch die Straßen Berlins, auf der Suche nach einem Objekt, mit dem sich mitteilen lässt, dass wir die Kämpfe unserer unbekannten Gefährt_innen gegen das Atommüllklo CIGÉO im Wald von Bure, in der ZAD und gegen den französischen Ausnahmezustands-Staat insgesamt, registrieren und uns damit solidarisieren. Wie wir auch andere anarchistische Interventionen auf dem europäischen Kontinent für unterstützenswert halten, zum Beispiel den Revolutionären Kampf in Griechenland. 

Also zündeten wir am Willmanndamm in Schöneberg in der vergangenen Nacht ein Diplomatenfahrzeug der französischen Botschaft an, womit wir den Gefangenen Damien Camélio und die kürzlich in Athen verhafteten Pola Roupa und Konstantina Athanasopoulou grüßen wollen, für deren Freiheit alle Staaten bekämpft werden müssen, woran wir weiter fleißig arbeiten werden.

Dies ist auch ein Aufruf, den G20 in Hamburg zur Koordinierung unserer Theorie und Praxis zu benutzen, um über das Treffen im Juli hinaus, zu einer anhaltenden anarchistischen Offensive in allen Bereichen zu kommen.

Das französische Stück Scheiße, der sein Regime beim G20 in Hamburg repräsentieren will, ist selbstverständlich genauso wenig dort willkommen wie alle anderen Mächtigen. Den Diplomaten Berlins raten wir, sich in Gated Communities zu verstecken.

FAI – „Zelle Rémi Fraisse“

Berlin 06-02-2017

auf Griechisch

Pyhäjoki, Finnland: Als Erinnerung an Rémi Fraisse wurde wieder einmal die AKW -Baustelle von Fennovoima blockiert

remimemory-1024x768Am 23. Oktober erhalten:

Heute wurden die Arbeiten an der AKW – Baustelle von Fennovoima wieder einmal gestört!
Drei Laster wurden gestoppt, indem zwei Leute an Bord kletterten und ein weiterer, indem sich eine Person an das Fahrzeug kettete. Nach anderthalb Stunden schaffte die Polizei drei Leute in Gewahrsam zu nehmen.

Mit dieser Direkten Aktion wollten wir den Bau dieses widerlichen, blödsinnigen Projekt unterbrechen, aber auch an  Rémi Fraisse  erinnern, einem 21 Jahre alten Aktivisten, der in Testet, Frankreich vor einem Jahr von der Polizei ermordet wurde. Damals protestierten Tausende gegen ein Staudaumprojekt sowie die Repression gegen die ZAD, eine Besetzung aus Widerstand gegen ein Flughafen-Megaprojekt in Nantes.

Lasst uns überall die Zerstörung der Natur und sämtlichen Lebens im Namen des Kapitalismus beenden!

Hambacher Forst: Solidaritätsaufruf – Freiheit für Jus

Update 10.9.: Die Haftbeschwerde wurde abgelehnt… Jus muss im Gefängnis bleiben. Der Gerichtstermin ist nun für den 2. Oktober angesetzt. Wegen der Haftbeschwerde wird der Anwalt jetzt zum Landesgericht Köln gehen. Er hält die Bearbeitungszeiten und die langen Wartezeiten für unerträglich.

5.9. 2015
Vor 6 Wochen wurde unser Gefährte Jus bei der Räumung von Remis Turm festgenommen, einer großen Turmbarrikade, die gegen das Vergessen Remi Fraisse benannt wurde. Remi wurde 2014 von Polizisten ermordet.

Die ersten drei Wochen war Jus im Hungerstreik. Die Reaktion darauf war, dass ihm mitgeteilt wurde, er hätte keinen Anwalt, welchen er hatte, und sie steckten ihn in eine Isolationszelle. In diesen ist es besonders hart zu schlafen, da alle 15 Minuten das Licht an und aus gemacht wird, um zu sehn ob, du noch lebst. Alle Briefe werden überprüft, so dass es zwei bis vier Wochen dauert, bis er sie erhält. Er ist jetzt seit sechs Wochen im Gefängnis und hatte erst 2 Besuche. Es ist äußerst schwierig, Besuche zu organisieren, da immer eine übersetztende Person anwesend sein muss. Zusätzlich werden diese Audio und Video überwacht. Auch die Möglichkeit zu telefonieren ist auf seinen Anwalt begrenzt und wird ihm noch weiter erschwert.
All das für das angebliche Zerstören der Frontscheibe eines Bulldozers, ohne ein Wesen zu verletzten.

Jetzt nach dem Beenden des Hungerstreiks ist Jus immer noch in Isolation. Jus wird nicht gestattet, an irgendwelchen Gruppenaktivitäten teilzunehmen, da er als ‚gewalttätig‘ eingestuft wird. Er wartet auf die Verhandlung. Sie haben ihn vor allem eingesperrt, weil er keine Meldeadresse hat. Und selbst wenn er eine bekommen würde – sie würden ihn nicht gehen lassen.
Wir wollen unseren Gefährten zurück!

Ein Statement von Jus aus dem Gefängnis:

“Wie ich hier gerade sitze, trainiere und in der Zelle lese, hallen von einer Seite der Ruf ’sieg heil‘, ‚fuck the forest‘ und Gewaltdrohungen, von der anderen Seite des Flügels kommen ISIS zugehörige Parolen und Slogans. Ein gutes Bild dafür, wie Rechter und Fundamentalistischer Extremismus toleriert und sogar vom Staat gutgeheißen wird, wärend die, welche gegen die Intressen der kapitalistischen Maschine der Gier und Zerstörung arbeiten, unter Arrest gestellt und isoliert werden. Nachdem ich wieder zu Kräften gekommen bin, nach 22 Tagen Hungerstreik, plane ich 3 Gefängnis Widerstandsprojekte, und ich werde euch auf dem Laufenden halten.”

Wir wollen euch alle bitten Jus bei seinem Kampf im Gefängnis zu unterstützen. Ihr könnt Folgendes tun:
Schreibt ihm! Er kann Englisch und Polnisches lesen. Bücher und Zeitschriften sind nicht erlaubt, einzelne Artikel oder Kapitel eines Buches hingegen schon. Schreib ihm über die Besetzung, in der du lebst, einen Workshop an dem du teilgenommen hast, sende ihm Fotos oder male ein Bild! Du kannst ihm auch DIY Anleitungen schicken für sportliche Übungen oder sonstige intressante Sachen. Für Gefangene ist es ziemlich hart, sich nicht informieren zu können. Also versucht, ihn auf dem Laufenden zu halten! Zeigt ihm, dass es immer noch Menschen gibt, die weiter gegen diese Maschine ankämpfen.

Dariusz (Jus) Brzeski 3236156
JVA Köln
Rochusstr. 350
50827 Köln
Germany

Macht eine Solidaritätsaktion und macht Bilder, ihr könnt sie an hambacherforst@riseup.net schicken, oder hinterlasst Kommentare auf dem Blog: hambacherforst.blogsport.de
Erzählt was mit Jus passiert, bringt euch ein, macht ein Poster, besucht den Hambacher Forst, organisiert einen Soli Auftritt, alles hilft.
Wir werden versuchen, euch auf dem Laufenden zu halten, auch über Jus widerständige Projekte. Für mehr Informationen könnt ihr auch das Wiesen-Telefon anrufen 0157 – 54 136 100

Feuer allen Gefängnissen!
Freiheit für Jus!
Freiheit allen Gefangenen!
Rache für Remi!

Italien: Brandanschlag gegen einen Telekom-Mast in Rovereto

Am 13. Dezember 2014 wurde der Telekom-Mast in der Stadt Rovereto attackiert. Die Überwachungskameras wurden außer Betrieb gesetzt und Brandsätze an verschiedenen Stellen angebracht. Die Firmen der Telefongesellschaften sind neben den Umweltschäden, die sie verursachen, besonders in Bezug auf Überwachung und Sicherheit mit dem Staat verknüpft. Insbesondere Telekom ist eine der verantwortlichen Firmen für die Anwendung von Videokonferenzen in Prozessen gegen Häftlinge in Italien.

Die Aktion wurde in Solidarität mit Adriano Antonacci und Gianluca Iacovacci, welchen die Videokonferenz aufgezwungen wurde, mit Maurizio Alfieri, dem sie ebenfalls die Videokonferenz, wegen seines Kampfes im Knast aufgezwungen haben, mit Mónica Caballero und Francisco Solar und mit den 11 Verhafteten der letzten Repressions Operation „Pandora“ verübt. Für die Gefangenen NO TAV, weil die Telefongesellschafts-Firmen eine Schlüsselrolle bei der Repression gespielt haben. Für Tamara Sol, die angeklagt ist auf den Wachmann einer Bank geschossen zu haben.

Wir erinnern an Sebastián Oversluij, an Rémi Fraisse, ermordet von der Polizei, und wir zeigen unsere Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen.

Eine Umarmung an alle die sich mit der Macht konfrontieren, weltweit.

FÜR DIE DIREKTE AKTION. FÜR DIE ANARCHIE.

Quelle: Informa-azione.info

Bristol (UK): Autos in Gedenken an Rémi Fraisse und in Solidarität mit Nikos Romanos angezündet

25. November in Bristol:

Die französische Polizei hat Rémi Fraisse getötet und gleichzeitig versucht sie, die kämpferische Waldbesetzung von Sivens zur Verhinderung eines Staudammbaus zu zerschlagen. Wir haben ein Dienstfahrzeug des französischen Multi GDF abgefackelt. GDF arbeitet nicht weit entfernt von hier, in Hinkley Point, am Bau eines neuen Atomreaktors, ist an Atomprojekten in verschiedenen Ländern beteiligt, erzwingt mit dem Einsatz der brasilianischen Armee Staudämme in unersetzbaren indigenen Gebieten in Amazonien, bietet Verwaltungsdienstleistungen für Polizeistützpunkte an denselben Orten an, unterhält im Namen eines der grössten Erdöl- und Gasterminals in Europa Einrichtungen auf den Shetlandinseln, betreibt einige französische Knäste, plant allgemein Technologien für die üblichen Banken und Kommerzbetriebe und versucht dabei den industriellen Kapitalismus unter dem Mäntelchen der nachhaltigen Entwicklung zu verstecken.

Die Aktion fand im Gebiet von Long Ashton statt, wo wir auch ein stolzes 4×4-Auto, zwei Luxussportautos und ein OCS-Fahrzeug abgefackelt haben. OCS ist wohl eines der grössten privaten Sicherheitsunternehmen im UK und bietet Personenschutz, Patrouillen, die Einrichtung von Überwachungskameras usw. an.

In Frankreich konnte eine ZAD-Besetzung¹ eine Umweltkatastrophe, die unter der Voraussetzung der Zerstörung wichtiger Habitats zur Bewässerung von Gentechmaisfeldern geplant war, verhindern. Die Anarchie stellt sich den Industriellen in den Weg, eine andere Art der Zerstörung  ist möglich.

Die Klassengegensätze vertiefen sich, eine Umweltkatastrophe folgt der anderen, der Sinn unserer Leben erodiert und die meinen, dass wir alle für ihr phantastisches Land des Komforts um die Wette rennen, unsere Klarsicht aufgeben, nur um etwelche soziale Vorteile zu ergattern?

Die Pegelstände an Elend, Überwachung und Einschränkung nehmen zu, rote Linien wurden gezogen. Wir wissen, wo wir uns zu positionieren haben. Gibt es noch Leute, die glauben, dass die Polizei diese Stadt total kontrollieren würde?

Sie können Reiss Goyan Wilson wohl einsperren (wegen des Brandes eines Polizeikommissariats in Nottingham während der Zusammenstösse von 2011), aber unsere Erinnerung auslöschen können sie nicht!

So sehr der Staat die lästigen Kundgebungen der StudentInnen, Antiautoritären und Randständigen unterdrückt: jene, die in London, Paris oder Ferguson gnadenlos massakrieren, entfachen das August-Feuer neu.

Nächstes Jahr wird Bristol mit dem Preis „Grüne Hauptstadt Europas“ prahlen. Als könnte noch jemand glauben, es bestehe die auch nur geringste Absicht, dem Gemetzel etwas entgegenzusetzen, das von der kapitalistischen Ideologie des wirtschaftlichen Wachstums verursacht wird. Selbstverständlich macht der in den Schlagzeilen verbreitete doppelzüngige ökologische Diskurs (wo Krieg Frieden und die Stadt grün ist…) die KapitalistInnen überglücklich, wenn Extrainvestition in die „grüne“ Wirtschaft und Anhängsel angelockt werden, während die Krise der Biodiversität völlig unkontrolliert voranschreitet.

Das ist ein Witz (von der Art, die man teuer bezahlt). Wie als Nantes 2013 denselben Preis gewann, wo ein weiteres ZAD einen harten Kampf gegen ein grossflächiges „grünes“ Flughafenprojekt mit allem Drum und Dran entwickelt.

Wir jedenfalls verlieren uns nicht in der Farce des Green-Washing, den dahintersteckenden Interessen des Kapitals und der selbstgefälligen Zeremonien, sondern tauchen an den Orten und auf der Strasse dort auf, wo sie ihre tägliche Arbeit verrichten, wo die Werte und Normen dieser Zivilisation reproduziert werden.

Überhaupt nicht zufällig haben wir die Nacht in Brand gesetzt, denn im Abseits rumzustehen und den ExpertInnen zu vertrauen, wird nie genügen um unserer elenden Lage in einem wackelnden und lebenstötenden Regime etwas entgegenzusetzen.

Gegen die Klassengesellschaft und die industrielle Entwicklung, vor allem gegen jene, die einen grünen Anstrich erhalten – Sieg dem ZAD von Testet und dem ZAD in Notre-Dame des Landes, Sieg der Hungerstreikkette im griechischen Knastsystem (Unterstützung unserem F.A.I.-Bundesgenossen Nikos Romanos) und allen Kriegsgefangenen gegen den Knast.

F.A.I. Torches in the Night – Earth Liberation Front

¹ Zone À Defendre – Zu Verteidigendes Gebiet (wurde im Kampf gegen den bei Nantes geplanten Grossflughafen geprägt)

Üb. aus dem Italienischen von mc, Dez.2014 Menzingen, CH (Original Quelle)

Frankreich: Offener Brief an die Mutter von Rémi Fraisse

Der folgende Brief von Farid El Yamni – Bruder von Wissam, der 2012 von der Polizei getötet wurde – ist an die Mutter von Rémi Fraisse (21) adressiert, der am frühen Morgen des 26. Oktobers 2014 von der Polizei getötet wurde. Wissam El Yamni (30) wurde am Neujahrsabend in Clermont-Ferrand von Bullen brutal angegriffen, bevor sie ihn festnahmen. Er fiel ins Koma und starb am Montag den 9. Januar 2012 im Krankenhaus. Sein Tod löste Ausschreitungen und Brände von Fahrzeugen aus. Farid möchte, dass sein Text veröffentlicht wird, er wird aber auch an Rémis Eltern geschickt.

3. November 2014

Ich schreibe Ihnen diesen Brief zu einer Zeit, in der gewaltsame Proteste in Paris verdammt und friedliche Sit-ins gepriesen werden.

Ich habe meinen Bruder verloren unter Bedingungen, die denen ähnlich sind, in denen Sie Ihren Sohn verloren haben. Mein Bruder, der sich so sehr um meine Mutter gekümmert hatte, hat uns verlassen und wird nicht wiederkommen. Der Verlust meines Bruders hat mir einen immensen Schmerz zugefügt, den ich jedes Mal wieder spüre, wenn der Staat tötet. „Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch“, hat jemand gesagt. Jedes Mal wenn der Staat tötet, ist auch eine Gelegenheit, ihn zu stoppen, ihn zu zwingen, sich zu ändern, und allen anderen die verlorene Würde wiederzugeben.

Rémis Tod ist noch mit viel mehr verbunden als der Geschichte eines Lebens; er ist mit dem Leben von uns allen verbunden, individuell wie kollektiv. Die Kriminalisierung, die erfolgte, ist schrecklich; bei uns war es genauso. Später realisierte ich, dass das mit Absicht geschah. Ich wollte nur eins: Dass die Justiz die Wahrheit herausfindet und meinem Bruder die Würde – in Ruhe – wiedergibt, die er verdiente und dass diese Geschichte allen zugute kommt; uns, den Regierten, um uns gegenseitig besser zu lieben, und auch der Polizei, um sich mit der Nation zu versöhnen. Ich dachte, die Polizei könne keine Mörder in ihren Reihen akzeptieren; ich wusste es damals nicht besser. Ich irrte mich. Stadtviertel wurden niedergebrannt; wir riefen dazu auf, Ruhe zu bewahren: jedes abgebrannte Auto oder Müllcontainer wurde als Beleidigung aufgefasst, wie ein Dorn im Herzen, ein Dorn, der tiefer in uns eindrang.

Dann verging die Zeit, uns wurde die Wahrheit versprochen, doch wurden uns nichts als Lügen geboten, nichts als falsche Versprechungen, wie vielen anderen vor uns. Die Leute warnten uns, aber wir wollten ihnen nicht glauben. François Hollande nahm höchstpersönlich meine Mutter in die Arme und versprach, er würde uns helfen, den Tod ihres Sohnes aufzuklären. Ohne Gerechtigkeit und Wahrheit erlebten wir diese Zeit wie eine Gefängnisstrafe. In dieser ganzen Zeit waren wir im Gefängnis, waren dabei zu ersticken und appellierten an die Justiz, uns zu helfen.

Und dann realisierten wir, dass unser Fall kein isolierter ist; so viele andere Familien erlebten und erleben noch immer dasselbe. Es gibt so viele von der Polizei absichtlich begangene und von der Justiz vertuschte Demütigungen und Verstümmelungen, so viele!

Wir entdeckten auch, wie die Polizei denkt, es läuft einem kalt den Rücken hinunter. Hier ist ein Beispiel: am vergangenen Mittwoch nach der Demonstration in Paris sagte ein Polizeibeamter auf der Wache zu mir vor seinen Kollegen: „1:0“, und diese kicherten, als sie den Aufdruck auf meinem T-Shirt sahen: „Notfall – unsere Polizei tötet“. Niemand sagte etwas zu ihm, niemand… Wegen Beispielen dieser Art können immer mehr Menschen tagtäglich diese Polizei nicht mehr ertragen, noch ihr Ende absehen.

Ich verstehe den Appell, Ruhe zu bewahren; wir taten damals dasselbe. Sie müssen auch verstehen, dass viele Menschen nicht länger an dieses System glauben, das der Polizei de facto Straflosigkeit einräumt. Sie müssen verstehen, dass Gewaltlosigkeit nur dann vorstellbar ist, wenn man die Gegenseite für fähig hält, sich selbst in Frage zu stellen. Sie sind menschlich nicht fähig dazu, denn sie denken, die Polizei in Frage zu stellen würde bedeuten, den Staat in Frage zu stellen. Seit 40 Jahren tötet die Polizei immer wieder und straflos. Seit 40 Jahren sind wir Zeugen derselben Methode, die Morde des Staates reinzuwaschen, trotz der Videos, der Zeugenberichte, der Beweise. Seit 40 Jahren gibt es Sit-ins, Demonstrationen, Bücher, offizielle Erklärungen der Polizei, an den Innenminister gerichtete Erklärungen. Seit 40 Jahren bringt das alles nichts.

So läuft es nämlich: die Nachrichtenagentur AFP liefert die Top Story, die Staatsanwaltschaft lügt, eine fadenscheinige Untersuchung wird gestartet, die am Ende zu einem lächerlichen Urteil oder zu gar keinem Urteil führt, nach vielen Jahren. Das Schlimmste ist, dass diejenigen, welche die Affäre vertuschen, befördert werden und jene, die unsere Brüder, unsere Söhne oder Freunde ermordeten, von ihren Kollegen wie Champions gefeiert werden. Das ist die Wirklichkeit, die Ihnen auch bevorsteht.

Manuel Valls sagte, dass Gewalt das Andenken an Rémi beleidige, aber Sie müssen wissen, dass Manuel Valls durch seine Untätigkeit in Sachen Bekämpfung der Straflosigkeit der Polizei der primäre Mörder Ihres Sohnes ist. Er ist nicht einfach kriminell, sondern Wiederholungstäter. Eine Woche vor der Veröffentlichung des gefälschten Gegen-Obduktionsbefundes, über dessen Hintergründe er informiert war, kam er nach Clermont-Ferrand und sprach über den Fall mit dem Vorsatz, die Gewalt derjenigen zu verdammen, die gegen die Tötung meines Bruders revoltierten.

Madame, Menschen kämpfen für Rémi, für ihre Würde und für ihre Ideale. Sie kämpfen für Sie, für uns alle, für eine wirksame Brüderlichkeit. Diejenigen, die kämpfen, sind vertraut genug mit der Böswilligkeit der uns Regierenden, um zu verstehen, dass diese versuchen uns weiszumachen, wir lebten in einem Rechtsstaat, während wir in Wahrheit in einem Staat leben, der auf Pflicht basiert. Der Staat respektiert das Gesetz nicht, dessen Einhaltung er von uns fordert. Er spielt mit unseren Körpern, unserem Vertrauen, unserem Geld und unserer Würde. Er fordert von uns, vor ihm zu knien, und dieses ist ein kategorischer Imperativ.

Ich habe Ihnen und allen, die meine Worte lesen, diesen Brief geschrieben, um Sie wissen zu lassen, dass ich heute mehr als je zuvor verstehe, dass Gewaltlosigkeit im Zusammenhang mit Staatsverbrechen ihre Grenzen hat. Denn durch ihre Machtlosigkeit ist Gewaltlosigkeit zuweilen verdammenswerter, tödlicher als Gewalt selbst. Die uns regieren, sind böswillig, Emporkömmlinge, Sadisten und Wiederholungstäter. Sie sollten mit allen notwendigen Mitteln davongejagt werden.

Farid El Yamni, Bruder von Wissam El Yamni, der am 1. Januar 2012 in Clermont-Ferrand von der Polizei getötet wurde.

Frankreich: Ein Demonstrant in Testet getötet

Ein Genosse in Testet getötet

Aufruf zu Demonstrationen gegen staatliche Gewalt – in Nantes und anderswo

Versammlung diesen Montag 18 Uhr vor der Präfektur in Nantes
Vorbereitungs- und Informationstreffen ab 15 Uhr Place du Bouffay

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde ein Demonstrant, Rémi, bei den sich entwickelnden Zusammenstößen nach einer Kundgebung gegen das Staudammprojekt im Wald von Sivens im Moorgebiet Testet im Department Tarn (Südfrankreich) getötet.

Rund 7000 Personen kamen auf dem ZAD in Testet zusammen nach monatelangen Polizeiattacken, der Zerstörung des Feuchtbiotops und der Unterkünfte derjenigen, die es verteidigten. Am späten Nachmittag und dann später in der Nacht griffen einige Dutzend Personen die Repressionskräfte an, welche die Baustelle bewachten. Auf diese Weise wollten sie ihrer Wut Ausdruck verleihen und den Fortgang der Arbeiten, der für Montag vorgesehen war, aufhalten. Sie wurden mit Gummigeschossen, Blendschockgranaten, Einkesselungsversuchen und Tränengas zurückgedrängt. Genossinnen und Genossen in Testet bezeugten, dass Rémi, von Granaten beschossen, zusammenbrach und dann von Repressionskräften mitgenommen wurde. Die Präfektur erklärt, in dieser Sache vor dem Ergebnis der Autopsie am Montag keine Erklärung abgeben zu wollen. Die Regierung hat bereits begonnen, die Demonstrantinnen und Demonstranten zu stigmatisieren und versucht bewusst, zu spalten, um Verwirrung zu stiften und das Geschehene zu vertuschen. Doch sie wissen genau, dass egal was sie machen, dieser Tod explosive Konsequenzen haben wird.

Dieser Tod eines Widerständigen ist leider in diesem Kontext nicht überraschend. In Notre-Dame-des-Landes, in Testet und überall wo wir uns ihren Plänen widersetzen, mussten wir uns mit dem knallharten Einsatz staatlicher Gewalt auseinandersetzen. Wurde uns auf unserer Seite klar, dass wir uns nicht in die Rolle fügen können, ihnen folgsam bei der Zerstörung unserer Leben zuzuschauen, zeigten sie uns wiederum, dass sie uns keinerlei Zugeständnisse machen würden. Während der Monate der Räumung des ZAD in Notre-Dame-des-Landes wurden zahlreiche Genossinnen und Genossen durch Gummigeschosse und Granaten schwer verletzt. Auf der einzigen Demonstration am 22. Februar 2014 in Nantes haben drei Personen durch auf den Kopf gezielte Gummigeschosse das Augenlicht verloren. In den Wochen in Testet wurden ebenfalls mehrere Personen verletzt, und weitere tragische Unfälle wurden gerade noch verhindert, als Widerständige aus ihren Quartieren vertrieben wurden, speziell den Baumhütten, die sie gebaut hatten. Doch ist das unter anderem auch positiv, denn Tausende von Menschen widersetzen sich physisch den Bauarbeiten, den Räumungen, der Polizeibesatzung ihrer Lebensräume, so dass das Flughafenprojekt von Notre-Dame-des-Landes vor dem Aus steht und der Staudamm in Testet und die ihm noch folgen sollen, weitestgehend in Frage gestellt sind. Dieses Engagement in Aktion hat diesen Kämpfen eine ansteckende Kraft verliehen, die heute überall eine Bedrohung für den Ausverkauf des Territoriums darstellt.

Jeden Tag übt sich die Repression an denen, die in den Gefängnissen, in den Stadtteilen, in den Abschiebeknästen kämpfen, und reißt dabei eine Reihe von Toten mit sich, die allzu oft vergessen werden, pro Jahr mehrere Dutzend. Angesichts von Erhebungen und Widerstand zeigt die liberale Demokratie, dass sie nicht nur durch die minutiöse Domestizierung der Individuen und der Lebensräume oder durch die Beherrschung des Ökonomischen und des Sozialen fortbesteht, sondern auch durch entschlossene Anwendung von Terror.

Wir rufen dazu auf, ab morgen überall Straßen und Orte der Macht zu besetzen, zum Zeichen unserer Trauer, zum Gedenken an unseren am Samstag ermordeten Genossen und zum Ausdruck unserer Wut auf die Gewalt des Staates. Wir lassen nicht zu, dass sie uns mit ihren so genannten “nicht-tödlichen” Waffen umbringen. Reagieren wir kraftvoll, auf dass es ein Davor und ein Danach dieses Todes gebe. Bestätigen wir noch stärker unsere Solidarität mit allen, die in Testet und anderswo gegen ihre von der Logik des Profits und der Kontrolle diktierten Projekte kämpfen, und auch mit allen, die überall sonst weniger bemerkt unter den Schlägen der Repression fallen. Wir lassen uns weder spalten noch von der Angst lähmen. Wir leben und kämpfen weiterhin auf den Gebieten, die sie zu vernichten träumen, und stellen uns ihnen in den Weg.

Wir lassen kein Schweigen mehr aufkommen, wir vergessen nicht!

Die Besetzerinnen und Besetzer des ZAD in Notre-Dame-des-Landes

Eine zweite Demonstration wird für Samstag 14 Uhr vorbereitet

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