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Brief eines männlichen Roma aus dem Gefängnis, der während der rassistischen Krawalle in Aitoliko eingesperrt wurde

Anfang August 2012 kam es in der Stadt Aitoliko (oder Aetolico) zu Zusammenstößen zwischen griechischen AnwohnerInnen und einigen Roma-AnwohnerInnen dieses Gebiets. In seinem Brief, gibt Vasileios Mpekos, ein männlicher Roma, der während der Geschehnisse festgenommen wurde, seine Sicht der Dinge wieder.

Patras 30.08.2012

Die jüngsten Ereignisse in Aetolico fingen mit einer Versammlung einiger lokaler EinwohnerInnen auf der westlichen Straßenbrücke statt. Diese EinwohnerInnen versammelten sich nicht unter friedlichen Umständen, sie hatten Schusswaffen, Molotowcocktails, Knüppel etc. dabei.

Ihr Umzug in das Gebiet, wo die Roma leben, veranlasste letztere dazu, in Abwehrstellung zu gehen und ihr Leben und Besitz zu verteidigen. Es waren die EinwohnerInnen von Aetolico, die mit feindlichen Intentionen gegen die Roma aufmarschierten. Daraus folgend begingen beide Seiten Gesetzesbrüche, aber leider wurden die Festnahmen nur auf einer Seite gemacht; der schwächeren, der Seite, die sich verteidigte, die Seite der Roma. Die Molotowcocktails und Schusswaffen auf Seiten der EinwohnerInnen Aetolikos wurden ignoriert. Es gab keine Festnahmen auf der Seite der EinwohnerInnen Aetolikos, die solch illegales Verhalten an den Tag legten, wie Behinderung des Straßenverkehrs, Besitz und Gebrauch von Schusswaffen etc.

Diese Straflosigkeit ermutigte sich dazu, sogar noch weiterzugehen und sich mit Knüppeln und Helmen vor dem Gerichtsgebäude von Mesologgi zu versammeln, und ohne dass sie dabei von der Polizei gestört wurden, den Eindruck zu erwecken, dass die EinwohnerInnen das Gesetz in ihre eigene Hand genommen haben. Sie versuchten, das Tor des Gerichtsgebäudes einzureißen, wieder ohne dass es zu Festnahmen kam. Warum diese Doppelmoral Herr Direktor? Konnten Sie nicht Festnahmen machen, um ein Exempel zu statuieren und zu beweisen, dass sie eine Polizeibehörde für alle GriechInnen sind und nicht einfach nur die Roma bestrafen, als wären sie BügerInnen zweiter Klasse? Wenn Sie nicht über ausreichendes Wissen zu diesen Ereignissen verfügen, können Sie sich das Material aus den Medien nehmen und die Initiatoren dieser Krawalle finden, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Dieser Text wurde vor 10 Tagen geschrieben, doch anstatt von Frieden und Einsicht, fahren die EinwohnerInnen von Aetolico mit ihren Provokationen fort. Am 29.08.2012 griffen sie unsere Siedlung mit Steinen und Molotowcocktails an, etwas das uns sagen soll, dass sie der Staat und wir nur ein paar wehrlose BürgerInnen in unserem eigenen Land sind.

Wenn dem nicht so ist, können Sie beweisen, dass wir alle GriechInnen sind, alle gleichwertig, mit denselben Rechten und Pflichten.

Das ist der Aufschrei des Schmerzes eines Roma, der darum kämpft, die Spannung zu entschärfen und um eine friedliche Koexistenz ohne Feindseligkeiten und Krawalle strebt und der, ohne dass er etwas falsch gemacht hat, seiner Freiheit beraubt wurde, nur weil er versuchte dazwischenzugehen und zu abzuwenden, was im Begriff war, zu passieren.

Aghios Stephanos Gefängnis

Vasileios Bekos

 auf Griechisch, auf Englisch

Griechenland: Chronik der letzten Angriffe auf MigrantInnen und einige erste Gedanken zu den jüngsten Ereignissen in Patras

23. Januar 2012

Die alte Fabrik von Peiraiki-Patraiki (früher größter Textilproduzent Griechenlands) ist ein riesiges Gelände verlassener Gebäude direkt gegenüber vom letzten Eingang/Ausgang des neuen Hafens von Patras. In den letzten paar Monaten siedelten sich auf diesem Gelände ein paar hundert MigrantInnen aus Afghanistan, dem Sudan und aus weiteren Ländern, wie Algerien, Somalia und Marokko an. Es sind prekäre “Behausungen” für Menschen, die tagtäglich nach einem Weg suchen, Griechenland über den Hafen zu verlassen, um ein neues Leben zu beginnen.

Es ist nicht nur ein tagtäglicher Traum und eine tägliche Sehnsucht, dieses Land zu verlassen sondern ein konstanter Kampf ums Überleben; ein täglicher Kampf, mit allem, was er nach sich zieht. LKWs überfahren ImmigrantInnen und töten sie, ImmigrantInnen suchen Zuflucht auf den LKWs und sterben, oder sterben sogar vor Kälte; sie sind den Elementen ausgesetzt und erfrieren zu Tode. Daneben gibt es auch immer noch die Polizei, die sie schlägt, foltert und erniedrigt.

In den letzten 20 Tagen während der Weihnachtsferien standen wir, nach den sich wiederholenden Vorfällen, die die Bedingungen der Misere und Barbarei, denen ihr Leben in Patras, als eine Grenze, als eine Passage für ihren Eintritt nach Europa, unterliegt, an der Seite der MigrantInnen. Im Klartext:

20. Dezember 2011

Ein 27-jähriger Afghane erlitt schwere Kopfverletzungen, nachdem die Bullen ihn in Rio (einem Teil der Stadt Patras) jagten, und er in seinen Bemühungen ihnen auszuweichen, aus dem zweiten Stock eines Gebäudes auf einer Baustelle sprang. Trotzdem diese Bullen ihn fallen sahen, ließen sie den 27-jährigen dort verletzt liegen. Nach einer Weile riefen einige AnwohnerInnen einen Krankenwagen. Im Krankenhaus verweigerten ihm die ÄrztInnen die medizinische Versorgung (weil er keine Papiere besaß). Als sie feststellten, dass er Hirnblutungen hatte, operierten sie ihn dann. Nach der Operation wurde er für 15 Tage ruhig gestellt. Jetzt liegt er in der Neurologischen Klinik des Hauptkrankenhauses von Patras, sein Zustand ist stabil.

Patras, 23.12.201123. Dezember 2011

Aus Protest gegen den Vorfall mit dem 27-jährigen und ihre allgemeinen Lebensbedingungen, veranstalteten MigrantInnen, die in Peiraiki-Patraiki wohnen, mit Unterstützung solidarischer Leute, eine Demonstration ins Stadtzentrum und zurück.

27. Dezember 2011

Zwei jugendliche afghanische MigrantInnen, die am Tag zuvor verschwunden waren, kehrten mit Kopf- und Beinverletzungen in die alte heruntergekommene Fabrik zurück, nachdem sie von der Küstenwache im neuen Hafen ernsthaft verprügelt wurden.

3. Januar 2012

Drei MigrantInnen (im Alter zwischen 15 und 19), die gerade erst in Peiraiki-Patraiki angekommen waren und keine Unterkunft finden konnten, fanden im Fahrhaus eines alten LKW, innerhalb der Fabrik Unterschlupf. Sie machten ein kleines Feuer in einer Metallbox, um sich warm zu halten, wurden aber in dem Fahrzeug eingeschlossen. Das führte dazu, dass einer von ihnen an Sauerstoffmangel starb und die anderen beiden mit schweren Gesundheitsproblemen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Die örtlichen Medien verzerrten diesen Vorfall total und berichteten, dass der Migrant im Bereich des Hafens, in einem LKW, dessen Reiseziel Italien war, tot aufgefunden wurde.

4. Januar 2012

Am Tag, nachdem der Migrant in dem LKW verstarb, betraten in der Morgendämmerung über zehn Wichser von der DIAS (Motorradbulleneinheit) die Fabrik. Sie weckten, diejenigen, die dort schliefen mit Tritten, fingen an ihre Papiere zu zerreißen und zu verbrennen, stahlen ihr Geld und ihre Handys, beschimpften und erniedrigten sie. Continue reading Griechenland: Chronik der letzten Angriffe auf MigrantInnen und einige erste Gedanken zu den jüngsten Ereignissen in Patras

8. Oktober: Antifaschistische Demonstration und Polizeibrutalität

Am 8. Oktober fand im Attiki Viertel eine Versammlung aus Solidarität mit den MigrantInnen dieses Gebietes eine antifaschistische Versammlung statt.

Ungefähr 1.500 Menschen, MigrantInnen und Bewohner, protestierten gegen die faschistischen Angriffe, Polizeibrutalität und Pogrome. Die Versammlung wandelte sich in eine dynamische Demonstration in den Straßen von Attiki und viele MigrantInnen stießen hinzu. Continue reading 8. Oktober: Antifaschistische Demonstration und Polizeibrutalität