Tag Archives: Nationalismus

Genua: Treffen Diskusson – Der Spaß ist vorbei. Das “neue” Gesicht der Macht zwischen Repression und “Wiederkehr” des Nationalstaates

Die Natur des Staates lag immer in der schmutzigen Aufgabe, die Herrschaftsordnung mit dem Gewaltmonopol zu schützen. Das ist nichts Außergewöhnliches. Dennoch variieren im Lauf der Zeit die Mittel und Wege beträchtlich. Es ist offensichtlich, dass wir uns in einer Zeit autoritärer Verschlimmerung befinden. Die Jagd auf Fremde, der Bau neuer Gefängnisse und Lager für Migrant*innen, die Technologien, die die freie Meinungsäußerung von Menschen erschweren. Der Angriff auf die anarchistische Bewegung, mit einer Justiz und ihrer Schergen, die jetzt bewusst davon träumen, die revolutionäre Presse mundtot zu machen, ist Teil dieser zunehmenden autoritären Beschleunigung.

Wie ist das „neue“ Gesicht der Macht einzustufen? Kehren wir zum Faschismus zurück? Oder haben wir vielmehr mit einer Regierungsform, Ausdruck der laufenden technologischen “Revolution“ zu tun?

Wir sprechen darüber mit einigen Gefährt*innen der Redaktion der anarchistischen Zeitung “Vetriolo”.

Danach Aperativ / Abendessen

Mittwoch 7. November 18:30 Uhr

Dokumentations- und Diskussionsraum  Chelinse (Vico della Torre di S. Luca 6, Genova)

Tampere, Finnland: Proteste gegen den Nationalfeiertag

Zurzeit gibt es in Finnland große Schlagzeilen. Circa 500 Menschen sind am 6.Dezember, dem Nationalfeiertag in Finnland, in Tampere in Form einer Eishockey-Demonstration gegen Nationalismus und Kapitalismus auf die Straßen gegangen. Banken und Kaufhausfenster wurden zerschlagen und PolizistInnen angegriffen.

Der 6. Dezember ist neben dem Nationalfeiertag auch der Tag, an dem der finnische Präsident eine jährliche Elitenparty organisiert. Normalerweise werden diese Feierlichkeiten im Präsidentenpalast in Helsinki begangen, aber dieses Jahr wird jener renoviert, weshalb sie ihre nationalistische und elitäre Party ins Tamperer Rathaus verlegten.

1918 war Tampere eine Hochburg der Roten im Bürgerkrieg [die Revolutionäre waren ‘die Roten’ und kämpften gegen die Kapitalisten und Faschisten – ‘die Weißen’]. Wir haben das nicht vergessen. Im Zentrum der Stadt und in den umliegenden Arealen wurden tausende Revolutionäre ermordet. Wir wollten zeigen, dass es immer noch Revolutionäre gibt und dass wir unsere Vergangenheit nicht vergessen haben. Eine Demonstration wurde über das berühmte Eishockey-Thema organisiert (Tampere ist Eishockey-Zentrum und Eishockey ist ein proletarischer Sport). Der Name war dementsprechend: „Eishockey Party ungebetener Gäste“ ( Kiakkovierasjuhlat).

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„Nationalität ist eine Illusion – der Staat muss weg!“
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Einige Nationalfahnen wurden gestohlen und von den Hockey-Leuten zerstört; andere wurden von der Polizei entfernt, um Diebstahl zu verhindern.

pic-1 pic-4 pic-5 pic-6 pic-7 pic-8 pic-10 pic-12 pic-13Rund 500 Demonstrierende nahmen teil; einige loyal zum Hockey-Thema und andere eher zu Pyrotechnik. Wir schafften es nicht, die Präsidentengala zu stürmen, aber die Realität der Klassengesellschaft wurde in dieser Nacht gehört und am nächsten Tag in allen großen Tageszeitungen gelesen, welche schockiert über die zerstörten Fenster und verletzen PolizistInnen waren.

Die Demo lief in Seitenstraßen weiter, nachdem die Polizei uns vom Gehen auf der Hauptstraße abhielt. Als die meisten Leute schon dachten, der Protest wäre vorbei und somit schon die Szenerie verlassen hatten, gingen einige Teilnehmer zurück zum Veranstaltungsort der Präsidentenfeier. Zu diesem Zeitpunkt gab es eine Festnahme. Nachdem die Leute zurück an den Zäunen vor dem Tampere Saal waren und die PolizistInnen erneut provozierten und attackierten, verließen die meisten Leute den Platz und die Polizei nahm einige Individuen wahllos fest.

Insgesamt wurden 28 Menschen verhaftet. Sie wurden in den darauffolgenden Tagen mit geringen Anschludigungen und Strafen von 60-200€ wieder entlassen.

Links bzgl. der Aktion: a, b, c

Die Wiedergeburt des radikalen Nationalismus in Polen

Warschau – Die letzten Tage, die den nationalistischen Krawallen des 11. November 2012 folgten, waren für diejenigen unter uns, die in Polen leben aber auch für unsere zuschauenden FreundInnen rund um die Welt, eine Zeit der ernsthaften Reflektion. Wir sind in einer neuen Realität aufgewacht, nicht im übertriebenen oder theoretischen Sinne, sondern in einer konkreten, neuen Realität des faschistischen Terrors auf den Straßen unserer Städte mit ausgebrannten Wohnungen, im Krankenhaus liegenden AntifaschistInnen, Morden, nationalistischen Massenaufmärschen durch unsere Städte und nun der Formierung von nationalistischen Milizen sowie einem Aufruf zum Umsturz der Republik. Wir fragen uns, genauso wie unsere Großeltern es vor 80 Jahren taten, “wie konnte das in unserer Zeit passieren?”

Historischer Zusammenhang

Der Sturz der “kommunistischen” Diktaturen in den 1990’ern bot neuen politischen Ideologien in den ehemaligen Einparteienstaaten einen Nährboden zum Erstarken. Wo einst die Geschichte durch die stalinistische Propaganda an die Menschen vermittelt wurde, kehrte der Krieg über die historische Wahrheit zurück und die NationalistInnen tun alles in ihrer Macht stehende, um die Geschichte zu ihrem düsteren Vorteil zu verfälschen. Überall im vergessenen Teil Europas beobachten wir heute diese Tendenz. In Dresden organisieren die NationalistInnen Aufmärsche, um der Opfer der Bombenangriffe durch die Alliierten zu gedenken; in Ungarn werden NationalistInnen aus der Vorkriegszeit (und Verbündete der Nazis) als die wahren Verteidiger der Freiheit glorifiziert; in der Ukraine werden Monumente für die terroristische Organisation UPA errichtet, ihren Anführern wird der Status des ‘Nationalhelden’ zugesprochen. Wir leben in extrem unsicheren Zeiten. Die Schwarzweißmalerei, die  NationalistInnen anbieten, stößt bei einer Generation, die unter den Gegebenheiten der modernen Ökonomie leidet, auf Resonanz.

In Polen verbrachten die NationalistInnen die letzten 20 Jahre damit, Fußballfans zu rekrutieren, bestrebt, die Kultur und Identität der Arbeiterklasse zu übernehmen. Diese Taktik beobachten wir überall in Europa. Die BBC-Dokumentation, die sich kritisch mit der faschistischen Gewalt innerhalb des polnischen und ukrainischen Fußballs auseinandersetzte, schockierte diejenigen außerhalb dieser Region, die überlegten, einen Urlaubsausflug zu den EURO 2012 Meisterschaften zu machen. Aber nationalistische Kultur und Ideen lassen sich nicht länger nur im Umkreis der Fußballstadien finden, sie dringen immer weiter in den Alltag, die Massenmedien, die Kirchenpredigten und sogar auf den Universitätskampus vor.

Die radikalen NationalistInnen haben ihre Militäruniformen und Fußballklubpolitik zu Gunsten von Anzügen und Krawatten, sowie dem Bündnisaufbau eingetauscht. Durch die Etablierung von Allianzen quer durch die Rechte, was auch Großverlage mit einschließt, brachten sie die 11. November Aufmärsche von 300 Neonazi-Skinheads im Jahr 2009 auf 20.000 “PatriotInnen” im Jahr 2012, bereit “das System umzustürzen”. Aber wir reden hier nicht nur von Propaganda und Aufmärschen, wir stehen auch einer neuen Ära der organisierten und koordinierten Gewalt gegenüber, die es so jahrelang nicht zu sehen gab. Sie fahren eine zweigleisige Strategie, wobei sie einerseits das öffentliche Bild von der extremen Politik säubern (sie bemächtigen sich des Märchens vom ewigen Opfer “wahrer PatriotInnen”, die von einem unterdrückerischen System verdammt werden), während sie gleichzeitig ganz kurz unter der Oberfläche ihrer Organisierung eine Kultur der Gewalt erschaffen. Ihre Strategie erreichte diesen 11. November ihren Höhepunkt.

Polnische NationalistInnen und Fußballhooligans beim nationalistischen “Unabhängigkeitsmarsch” am 11.11.2012

Mit Entsetzen standen wir da, als nationalistische Gruppen polnische Städte terrorisierten und Straßenkämpfe, die den Hauptaufmarsch begleiteten, von den NationalistInnen und ihrer Masse konspirierender SympathisantInnen als “provoziert durch verdeckte Ermittler” abgetan wurden. Die total inkompetenten polnischen Medien begannen die Behauptungen der ONR zu wiederholen, von der langen, bemitleidenswerten “nationalen Aufopferung”, die nun der Hauptmythos des 11. November zu sein scheinen. Die Mär des vergangenen Jahres von den “ausländischen Antifaschisten, die kommen, um polnische Patrioten zu bekämpfen und Warschau zu demolieren,” wurde ersetzt durch eine neue paranoide Theorie von “verdeckten Ermittlern mit Skimasken, die Krawalle in Warschau verursachen”. Die Realität hat die Masse der Gesellschaft noch zu erkennen, polnisch-nationalistische Gewalt erreicht ihren Höhepunkt und polnische AntifaschistInnen, ImmigrantInnen und LGBT’s erleben es aus erster Hand.

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Veria, Nordgriechenland: Massenfestnahmen von Protestierenden und Razzia im autonomen Lokal Baruti während des ‚Nationaltages‘

Solitranspi für den PIKPA-Squat (Heraklion, Kreta) von GenossInnen des autonomen Lokals Baruti in Veria im Februar 2011: „Hände weg von den besetzten Häusern und den Freiräumen. Keine [juristische] Verfolgung unserer GenossInnen!“

Um 9:30 Uhr des 25. März (einer der beiden Tage, der vom griechischen Staat als ‘Nationalfeiertag’ zelebriert wird und an dem obligatorische Militär- und SchülerInnenparaden in den größeren Städten im ganzen Land stattfinden) wurde eine Gegendemonstration im Zentrum Verias durchgeführt. Der Protest richtete sich – wie in vielen anderen Städten – gegen das diktatorisch-demokratische Regime aus Anlass der jährlichen nationalistischen Parade. Auf ihr stellen sich Funktionäre und Politiker zur Schau; Nationalfahnen und Uniformierte im Gleichschritt prägen das Bild, usw. Mehr als 150 Bullen umzingelten die Versammelten an ihrem Startpunkt – ganz in der Nähe der Parade – und nahmen 29 GenossInnen fest – die meisten von ihnen sind Angehörige des autonomen Treffpunkts Baruti (übersetzt Schießpulver). Berichten zufolge wurden auch 3 GenossInnen von den Cops von der Straße weggeschleppt. Zu diesem Moment [Nachmittag des 25.3.] werden 29 GenossInnen in Untersuchungshaft in der Polizeihauptverwaltung in Veria festgehalten, das von den Cops abgeriegelt wurde.

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