Quelle: its going down, Übersetzt von ABC Wien, eingegangen am 17.9.18
In den Vereinigten Staaten ist ein praktisch noch nie dagewesener Gefängnisstreik im Gange, der neue Paradebeispiele für die Koordination zwischen Kämpfen in Gefängnissen und Haftanstalten und der Solidarität mit denen hinter Gittern schafft. In der Zwischenzeit ist vom 23. bis 30. August die sechste jährliche Solidaritätswoche mit anarchistischen Gefangenen, in der Anarchist*innen auf der ganzen Welt solidarische Kämpfe in verschiedenen Ländern und Kontinenten koordinieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass jede*r Gefangene ein*e politische*r Gefangene*r ist, und dass der beste Weg anarchistische Gefangene zu unterstützen darin besteht, eine Bewegung gegen den Komplex aus Gefängnis und Industrie (prison-industrial complex) zu schaffen. Gleichzeitig ist die Woche der weltweiten Solidarität auch eine großartige Möglichkeit, von unseren Gefährt*innen aus anderen Teilen der Welt Informationen über die verschiedenen Repressionsstrategien, die die unterschiedlichen Regierungen heutzutage anwenden, zu bekommen und wie diesen entgegengewirkt werden kann.
Im folgenden Text werden wir heutige Repressionsmuster, die gegen Anarchist*innen auf der ganzen Welt gerichtet sind, sowie einige Wege, wie die Bewegung darauf reagierte, untersuchen. Betrachtet man dies als einen Mikrokosmos der Art wie Repression in Bezug auf die breite Bevölkerung funktioniert, kann es uns helfen die Gefangenensolidarität als einen Teil der umfangreichen Kämpfe gegen Gefängnisse und für die Freiheit aller Menschen zu verstehen. Als Anarchist*innen wollen wir staatliche Repressionstaktiken analysieren, um bessere Sicherheitspraktiken zu entwickeln, internationale Verbindungen aufzubauen und geschickter darin zu werden, uns zu unterstützen und füreinander da zu sein.
Repressionswellen 2017 – 2018
In den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts haben sich die Repressionen gegen Anarchist*innen und ihre Gefährt*innen immer weiter verschärft. Einige der bekanntesten Beispiele der letzten Jahre sind der Tarnac Fall in Frankreich, eine „Terrorismus“-Untersuchung die 2008 begann und dieses Jahr damit endete, dass alle Angeklagten freigesprochen wurden; Operations Pandora, Piñata und Pandora 2 in Spanien, die im Dezember 2014 begannen und dieses Jahr abgeschlossen wurden; Scripta Manent in Italien, seit 2017; Operation Fenix in Tschechien, seit Frühling 2015; die Angriffe der Polizei überall in Europa seit der Kämpfe im Sommer 2017 in Hamburg; der Warsaw Three Brandstiftungsfall in Polen, 2016-2017; und Massenrepression in den USA, die aus der Besetzung von Standing Rock und dem Widerstand gegen Trump’s Amtseinführung resultierten, wobei hierbei der letzte Fall im Juli letzten Jahres abgeschlossen wurde. Wir beobachten auch anhaltende Repressionen in der Diktatur von Belarus und Russland, in letzter Zeit meist im Zusammenhang mit dem „Network“ Fall.
Überall auf der Welt wählen Staaten und ihre Polizeikräfte aus dem gleichen Sortiment an Taktiken um das gleiche Ziel zu erreichen. Die spezifischen Entscheidungen die sie treffen, variieren je nach Kontext, aber der Werkzeugkasten und die grundlegenden Zielsetzungen sind die gleichen.
Es werden beispielsweise in vielen verschiedenen Ländern die gleichen Computerprogramme verwendet, um Online-Zensur zu realisieren. In einigen Ländern werden sie dazu verwendet, einzelne Websites zu blockieren, während anderswo direkt eine Vielzahl an Inhalten geblockt wird – in beiden Fällen ist das gleiche Prinzip wirksam und die Autoritäten müssen nur einige weitere Häkchen in der Repressions-Software setzen, um die erste Situation zur zweiten zu machen. Das gleiche gilt für andere Formen der Polizeirepression. Dies zeigt, der Unterschied zwischen einer vermeintlich freizügigen liberalen Demokratie und einer autokratischen Diktatur ist quantitativ und nicht qualitativ.
Wenn die Polizei in einem Teil der Welt eine neue Strategie entwickelt oder eine spezifische Taktik häufiger anwendet, verbreitet sich dies oft auf andere Polizeibehörden auf der ganzen Welt. Zum Beispiel können wir Parallelen zwischen den verschiedenen Fällen mit Gefängnisstrafen in den USA ziehen – Eric McDavid, David McKay, Bradley Crowder, Matthew DePalma, the NATO 3, the Cleveland 5 – und nachfolgend die Operation Fenix in Tschechien, bei der Agents Provocateurs versuchten, Leute zur Planung von Angriffen gegen einen Militärzug sowie ein Polizeiräumkommando mittels Molotov Cocktail zu bewegen. Anfangs war die Operation Fenix eine Kampagne gegen das Netzwerk der Revolutionary Cells, ein Netzwerk das sich zu diversen Brandanschlägen gegen Polizei und Kapitalist*innen bekannt hatte; am Ende war es ein erfolgloser Versuch, Anarchist*innen zu stigmatisieren und die Legitimität der tschechischen Polizei in den Augen der Öffentlichkeit wiederherzustellen.
Ebenso können wir die Operation Fenix im Kontext der jahrzehntelangen Bemühungen der Polizei in Italien, der USA, Frankreich, Spanien und anderswo verstehen, einen Präzedenzfall zu schaffen, um Fälle terroristischer Verschwörung zu kreieren, mit denen Anarchist*innen diskreditiert und inhaftiert werden können. Einzeln betrachtet sind der Marini Fall in Italien, der Tarnac 9 Fall, Operationen Pandora und Pinata und Operation Fenix nichts mehr als irritierende Beispiele für das übertriebene und kompetenzüberschreitende Verhalten der Staatsanwaltschaft. Wenn wir diese Fälle aber als Teil eines globalen Musters betrachten, in dem die repressiven Kräfte des Staates nach einer neuen Methode suchen, die Netzwerke, die weitverbreitete soziale Bewegungen verbinden, zu neutralisieren, können wir erkennen, was sie alle gemeinsam haben. In diesem Kontext wird auch deutlich, wie sich die russische Taktik der Folter von Gefangenen, um falsche Geständnisse zu bekommen, auf andere Länder ausbreiten kann, wenn wir nicht sofort Schritte unternehmen, dies bekannt zu machen. Deshalb ist es so wichtig, einen globalen Ansatz zur Untersuchung staatlicher Repression zu verfolgen.
Wachsende internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Überall auf der Welt kooperieren Polizeikräfte mehr als je zuvor. Repression in ganz Europa zeigt die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und die extremistischen und terroristischen Paragrafen in Aktion.
Der jüngste Fall des Bankraubs in Aachen zeigt dies: ein europäischer Haftbefehl, das Teilen von Geheimdienstinformationen unter Polizeieinheiten und die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen diversen Justizbehörden nach zwei Bankenteignungen 2013 und 2014. Spanische und deutsche Polizei kooperierten, um DNA-Material der angeblichen Enteigner*innen zu erhalten, die wegen des Überfalls der Pax Bank, der Bank der katholischen Kirche, verurteilt wurden.
Im letzten Fall im Zusammenhang mit der SHAC Kampagne (Stop Huntigdon Animal Cruelty), der auf den derzeitigen Animal Liberation Gefangenen Sven van Hasselt abzielte, können wir diesen Trend ebenfalls erkennen. Sechs europäische Staaten kollaborierten bei seiner Verhaftung.
Wir sehen ebenfalls, dass die Polizei in verschiedenen Ländern ihre Ausbildung und Erfahrungen auf einer besser organisierten Basis austauschen. So veranstaltete die europäische Polizeiakademie (CEPOL) ein Terrorismus Seminar in Griechenland im Juli 2012, bei dem die italienischen Behörden einen detaillierten Überblick über die repressiven Maßnahmen lieferten, die sie gegen die aufständische anarchistische Bewegung eingesetzt hatten. Das Europäische Polizeiamt (EUROPOL) veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht, Terrorismus Situation und Trendanalysen (TE-SAT), in dem ein Kapitel dem linken und anarchistischen „Terrorismus“ gewidmet ist. Diese Art der Zusammenarbeit hat an anderen Orten an Dynamik gewonnen, wie die European Union Intelligence and Situation Center (SitCen); die Mitgliedstaaten der europäischen Union kooperieren auch auf rechtlicher Ebene mit Institutionen wie Eurojust (Anm: Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union).
Regierungen im globalen Norden rüsten und trainieren routinemäßig im globalen Süden, um ihre Technologie- und Repressionsstrategien einzusetzen. Deutschland und Israel haben beispielsweise ein Vermögen mit der Unterstützung Brasiliens bei der WM 2014 gemacht. In einem extremen Beispiel versucht Großbritannien nun, Gefangene nach Afrika auszulagern und einen neuen Gefängnisflügel in Nigeria zu errichten. All dies sind gute Gründe, unsere Kämpfe miteinander zu verknüpfen.
Terrorismus Diskurs und Gesetzgebung
Gesetze und Rhetorik gegen „Extremismus“ und „Terrorismus“ sind einige der mächtigsten zeitgenössischen Werkzeuge, um soziale Kämpfe zu kriminalisieren und zu delegitimieren. Viele Staaten entwickeln Anti-Terror-Gesetze als Folge der vorherigen Generation von politischen Bewegungen, wie die Baskische Unabhängigkeitsbewegung in Spanien oder die Rote-Armee-Fraktion (RAF) in Deutschland in den 1970ern. In gewisser Weise kann dies die Struktur des „Terrorismus“ veraltet erschienen lassen, wenn es um zeitgenössische soziale Bewegungen geht, denen es normalerweise an den formalen Hierarchien wie in der RAF fehlt.
Die Hauptfunktion des „Terrorismus“-Rahmens besteht darin, die Aussetzung der gesetzlichen Rechte zu legitimieren, um die Polizei zu befähigen, uneingeschränkte Überwachung, unbefristete Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren, völlige Isolation im Gefängnis, Folter anzuwenden – all die Taktiken, die bereits früher zur Aufrechterhaltung des Kolonialregimes, von Monarchien oder Diktaturen angewandt wurden. Seit dem 11. September 2001 und der Erklärung des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ wurden Anti-Terror-Gesetze auf der ganzen Welt verschärft, um Personen die die Stabilität der herrschenden Ordnung bedrohen könnten, mit diesen Taktiken zu unterdrücken.
Deshalb können die liberalsten europäischen Demokratien mit den Autoritäten einer faktischen Diktatur wie Putins Russland übereinstimmen, die den gleichen rechtlichen Rahmen sowohl gegen Anarchist*innen, die die Öffentlichkeit gegen Polizeigewalt verteidigt, als auch gegen Fundamentalist*innen, die willkürlich Zivilist*innen für den islamischen Staat angreifen, haben. Diese beiden Fälle haben in Bezug auf Taktiken, Werte oder Ziele nichts gemeinsam; die eine Sache, die sie verbindet, ist, dass beide die zentralisierte Macht der vorherrschenden Regierung in Frage stellen und herausfordern.
Repression: Eine internationale Sprache mit lokalen Dialekten
„Finde heraus, bis zu welchem Grad Menschen sich stillschweigend unterwerfen lassen, dann hast du genau das Maß, wie viel Ungerechtigkeit ihnen auferlegt werden kann.“ “Find out just what any people will quietly submit to and you have the exact measure of the injustice and wrong which will be imposed on them.”
-Frederick Douglass [1]
Es gibt einige neue Entwicklungen im Bereich der staatlichen Repression. Zum Beispiel sehen wir eine rasante Entwicklung der Repressionstaktiken in Russland im Zusammenhang mit dem „Network“ Fall, bei dem viele Aktivist*innen gekidnappt, bedroht, geschlagen und mit Elektroschocks, über Kopf hängend, und anderen Methoden gefoltert wurden. Mit diesen Taktiken haben die Offiziere der russischen Sicherheitskräfte (FSB, Nachfolger des KGB) die Gefangenen gezwungen, falsche Geständnisse zu unterschreiben, die die Existenz einer erfundenen Gruppe namens „Network“, die angeblich Terroranschläge während der Präsidentschaftswahlen im März 2018 und des FIFA World Cups planten, bestätigten. Dieses Vorgehen schuf eine Atmosphäre der Angst, Isolation und Unsicherheit in Russland, die es sehr schwierig macht, Solidarität zu mobilisieren.
Die Neuerung hierbei ist die Folter, um die Existenz eines vom Staat erfundenen „terroristischen Netzwerks“ zu beweisen. Folter ist für Anarchist*innen und andere Gefangene in postsowjetischen Ländern keine neue Sache; es bleibt eines der mächtigsten Werkzeuge in einem Strafsystem, das notorisch korrupt und freizügig gegenüber der Polizei ist, und deren gesetzliche Überwachung noch geringer als in den Vereinigten Staaten ist. Der russische und weißrussische Kontext zeichnet sich dadurch aus, dass in beiden Fällen der Staat offen autoritär ist und nicht zögert, selbst gegen grundlegende Formen des Protests wie das Aufhängen von Transparenten hart und gewalttätig durchzugreifen.
Gegenwärtig scheint diese Strategie in Russland und Belarus zu funktionieren, aber auf lange Sicht macht die brutale Unterdrückung die Behörden anfällig für plötzliche Ausbrüche von angestauter Wut. In Belarus zum Beispiel standen Anarchist*innen trotz des enormen Drucks der totalitären Regierung an der Spitze einer der mächtigsten sozialen Bewegungen des Jahres 2017.
Im Gegensatz dazu sehen wir in den „westlichen“ Ländern eher legalistische Strategien der Repression, wie extreme Kautions- und Entlassungsbedingungen, die dazu dienen, Individuen durch Zermürbung zu isolieren und ruhig zu stellen. Dies stellt subtilere Formen der Unterdrückung dar, die für diejenigen die sich selbst als Bürger einer Demokratie betrachten, gesellschaftsfähiger sind. Ein polizeilicher Forschungsbericht beschreibt die Repression der SHAC Kampagne als einen Prozess der „Enthauptung von Führungskräften“, der durch langwierige Haftstrafen und extreme Haft- und Bewährungsbedingungen erreicht wird, mit dem Ziel die Menschen absolut von ihrer Bewegung zu isolieren.
Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen europäischen Staaten nimmt nicht immer die gleiche Form an. Während zum Beispiel griechische, italienische und deutsche Konferenzen zu anarchistischem „Terror“ und „Extremismus“ stattfinden, wenden Länder die weniger militante Aktionen und geringer verbreitete Unruhen erlebt haben, andere Ansätze an. Viele Staaten führen als akademische Forschung in „Extremismus- und Terrorismusstudien“ Informationsbeschaffung durch, um die Anwesenheit bestimmter Ideen und Taktiken zu überwachen. Dies wurde in der Tschechischen Republik deutlich, wo solche Studien zur Analyse der lokalen anarchistischen Bewegung verwendet wurden. Zum Beispiel werden trotz der fehlenden Verbindungen zur FAI/FRI oder der Verschwörung der Feuerzellen die jüngsten anarchistischen Aktionen des vorhergenannten Netzwerks der Revolutionären Zellen in Tschechien hauptsächlich anhand akademischer und polizeilicher Forschung beschrieben und bewertet, und als Manifestation/Ableger der anderen Gruppen dargestellt.
Von erfolgreichen Unterstützungskampagnen lernen
„Wir lernen trausendmal mehr von einer Niederlage als von einem Sieg“ „We learn a thousand times more from defeat than we do from victory“
– Ed Mead [2]
Es ist nicht einfach, die Wirksamkeit der Repression zu messen. Eine Repressionskampagne könnte als erfolgreich angesehen werden, wenn die Ziele Haftstrafen erhalten – oder wenn die Bewegung mit der sie verbunden sind, effektiv getrennt, befriedet oder zerstört wird – oder wenn der soziale Kampf in dem die Bewegung engagiert ist, vereinnahmt wird.
So könnte man beispielsweise die Operation Fenix als nicht erfolgreich ansehen, da der Anklage nicht entsprochen wurde und es zu Freisprüchen kam. Die tschechische Polizei konnte allerdings eine enorme Menge an Daten über die anarchistische Bewegung im Land sammeln – und obwohl sie den Fall gegen die Angeklagten nicht gewinnen konnten, haben sie erfolgreich anti-terroristische Theorie und „anti-extremistische“ Stimmung im öffentlichen Diskurs verbreitet. Trotzdem haben die tschechischen Anarchist*innen viel Unterstützung aus der ganzen Welt erfahren, was für die Leute hinter Gittern, isoliert und aufgrund von Extremismus angeklagt, sehr wichtig war.
Eine der letzten inspirierendsten Unterstützungskampagnen der letzten Zeit war die Verteidigung der J20-Verhafteten in der USA, ein Fall der in einer fast vollständigen Niederlage für den Staat endete. Ein weiteres inspirierendes Beispiel unter viel weniger günstigen Bedingungen finden wir in der Kampagne gegen den laufenden „Network“ Terror-Fall in Russland, bei der Eltern der Angeklagten ein „Eltern Netzwerk“ (“Parents’ Network“) zur Unterstützung ihrer Kinder und um sich dem totalitären Regime entgegenzustellen, gründeten.
Verpflichtung Bewegung Verteidigung
Repression führt oftmals zu Isolation und anderen Schwierigkeiten. Jeder ist einzigartig, aber im Allgemeinen brauchen diejenigen die am Ende der Unterdrückung stehen, alle das gleiche: finanzielle Unterstützung, emotionale Unterstützung, Unterstützung der Familien und Freunde der Angeklagten, sichere oder zumindest zuverlässige Kommunikationskanäle, Öffentlichkeitsarbeit über den Fall und – am wichtigsten – die Fortsetzung des Kampfes.
Verschiedene Gruppen können im Kampf gegen Repression unterschiedliche Rollen spielen. Es gibt Gruppen die sich bilden um auf Repression zu reagieren, wie die Kampagne zur Unterstützung der J20-Angeklagten oder Solidarat Rebel, die Informationen über den Aachen Bankraub Fall verbreiten, oder die Antifenix Initiative, die die Analyse und den Widerstand gegen die Operation Fenix in der Tschechischen Republik fördert. Diese Projekte sind sehr wichtig, da sie auf den sofortigen und dringenden Bedarf an Unterstützung reagieren. Es gibt auch Gruppen, die eine konsequente langfristige Anti-Repressions-Arbeit leisten, wie zum Beispiel das Anarchist Black Cross (ABC). Das ABC ist ein internationales Netzwerk von anarchistischen Gruppen, die sich seit nunmehr über einem Jahrhundert für die praktische Solidarität mit Gefangenen engagieren.
Wir können auf verschiedenen Ebenen gegen die Repression vorgehen. Wir können das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer Sicherheitskultur (security culture) erweitern und auf die verschiedenen Taktiken der Repression aufmerksam machen, um auf die unvermeidliche Reaktion des Staates auf unsere Bemühungen eine bessere Welt zu schaffen vorzubereiten. Wir können auch materielle Ressourcen aufbauen – Geld für Anwalts- oder Reisekosten sammeln und Gefangene während ihrer Haft und nach der Entlassung zu unterstützen. Dies kann die Organisation von Fundraising-Veranstaltungen oder das Spenden sammeln auf anderen Wegen bedeuten. Am wichtigsten ist es, den Zielen von Unterdrückung und denen, die sie unterstützen, emotionale Unterstützung und Fürsorge zukommen zu lassen.
Abschießend können wir Informationen über Gerichtsverfahren und Gefangene sowie die Möglichkeiten zur Unterstützung in verschiedenen Medienkanälen wie Websites, Broschüren, Podcasts, Büchern, Vorträgen, sozialen Netzwerken (virtuell und real) verbreiten. Das Zine von verschiedenen europäischen ABC Gruppen beispielsweise stellt die Grundlagen der Organisation einer ABC Gruppe vor.
Wir müssen unsere Anstrengungen in der Unterstützung bestimmter Gefangener als Teil eines viel größeren Kampfes gegen Gefängnisse selbst verstehen. Wenn wir bereits solidarisch mit Gefangenen organisiert sind, werden anarchistische Gefangene in einer sehr viel besseren Position sein. Das bedeutet, Gefangenenorganisationen zu unterstützen, Lesestoff und Ressourcen an die Gefangen zu schicken, außerhalb der Gefängnismauern solidarisch mit Revolten zu sein und die Verbreitung eines öffentlichen Diskurs, der klarmacht was wir alle bei der Dekonstruktion des Gefängnis-Industrie-Komplex (prison-industrial.complex) gewinnen können.
Von einer Woche der Solidarität bis zur Abschaffung der Knäste
Anarchist*innen kämpfen an vorderster Front des Kampfes gegen die Gefängnisgesellschaft neben armen Menschen, People of Color, indigenen Menschen und allen anderen, die vom Gefängnissystem weltweit ins Visier genommen werden.
Die sechste jährliche Woche der Solidarität mit anarchistischen Gefangenen ist eine der vielen Möglichkeiten, all die verschiedenen Kämpfe zu verbinden, um ein Beispiel zu geben, wie langfristige koordinierte Anti-Repressions-Arbeit aussehen könnte. Das Startdatum der Woche ist der Jahrestag der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti, zwei italienisch-amerikanischen Anarchisten, im Jahre 1927. Es gab nur sehr wenige Beweise von Seiten des Staates und so wurden die beiden für ihre starke anarchistische Überzeugung hingerichtet.
Anarchist*innen sind nicht immer die Hauptziele des Staates, oftmals werden Menschen mit afrikanischer Herkunft, Migrant*innen, Muslime, und andere ethnische Gruppen Opfer der kolonialen Gewalt. Nichtsdestotrotz sind wir fast immer auf der Liste der Ziele, da unsere Werte und Handlungen die Vorherrschaft des Staates bedrohen. Gefängnis ist der Kleber, der Kapitalismus, Patriachat und Rassismus zusammenhält. Wenn wir uns für eine Gesellschaft einsetzen, die auf Kooperation, gegenseitiger Hilfe, Freiheit und Gleichheit basiert, geraten wir unweigerlich in Konflikt mit der Polizei und dem Gefängnissystem. Lasst uns eine breite Bewegung dagegen aufbauen!
Solange es Gefängnisse gibt, werden die mutigsten, sensibelsten und wunderbarsten unter uns dort landen, und die mutigsten, sensibelsten und wunderbarsten Teile vom Rest von uns werden unerreichbar für uns sein. Jede*r von uns kann zum*zur Gefangenen werden. Keiner ist wirklich frei, bis nicht alle von uns frei sind.
[1] Frederick Douglass: ehemaliger Sklave, späterer Abolitionist und Schriftsteller und einer der einflussreichsten Aktivisten in der amerikanischen Geschichte
[2] Ed Mead: Mitglied der George Jackson Brigade und Männer gegen Sexismus, Langzeit-Häftling und Schwulenrechtler (gay liberationist)
Am Donnerstag, den 12.07.18 (Tag 22 des Berufungsverfahrens) signalisierte die Staatsanwaltschaft und die Richterin überraschend, dass sie einer Haftverschonung für Peike zustimmen würden. PEIKE IST FREI! Nach einem Jahr und 6 Tagen in Haft konnte er endlich – viel zu spät – zu seiner Familie und seinen Freund*innen. Sein Prozess geht jedoch weiter.
Hier geht es weiter zu den nächsten Gerichtsterminen:
Kommt zu den Anhörungen des Widerspruchverfahrens am kommenden Mittwoch, Donnerstag und Freitag!
Tage 21 + 22 + 23(drei Termine an aufeinanderfolgenden Tagen!) – 11.7.-13.7. / 9:00-16:00
Amtsgericht Mitte
Sievekingplatz 3
Hamburg
Updates: freepeike.noblogs.org
Peike würde es begrüßen, wenn so viele Gefährt*innen wie möglich im Gerichtsgebäude zugegen wären.
Ab einer Stunde vor dem Beginn jeder Sitzung gibt es von den Gefährt*innen von United We Stand, Kaffee und Musik außerhalb des Gerichts. Falls ihr einen Übernachtungsplatz in Hamburg benötigt, sendet eine E-mail zur Unterstützungsgruppe: Free Peike: freepeike@riseup.net
Ausdrücklich sollte auch noch einmal an das für Peike eingerichtete Solidaritätskontoerinnert werden.
Angesichts der Eskalation der Repression – R E A K T I O N E N !
Am Mittwoch den 20. Juni brach eine beispiellose neue Welle der Repression über den Kampf gegen das Projekt CIGEOherein. Mindestens 11 Durchsuchungen fanden statt, 8 Personen wurden in Polizeigewahrsam genommen und es gab zahlreiche Vorladungen zur Anhörung. Die verhafteten Personen haben gemeinsam, dass sie sie sich stark für den Kampf gegen das Projekt eingesetzt haben und sie wurden nicht zufällig ausgewählt: ein Anwalt des Kampfes, Aktivist*innen von länger existierenden Vereinigungen, lokale Einwohner*innen und Personen, die sich vor Ort angesiedelt haben.
Die Anklagepunkte, die unseren Freund*innen und Gefährt*innen angelastet werden, sind absurd und wild durcheinandergewürfelt: kriminelle Vereinigung, Gewalt auf einer Versammlung, Vorwurf den “Schwarzen Block beim G 20 in Hamburg geleitet zu haben”…Worum es bei diesem Wahnsinn geht, wissen wir nur zu gut: Als Reaktion auf die fundierte Kritik an Cigeo, angesichts der zunehmenden Empörung gegen das aufgezwungene Projekt, haben die Initiator*innen des Projekts, keine anderen Mittel, als irgendeinen beliebigen Vorwand zum Anlass zu nehmen und isolierte Ereignisse zu instrumentalisieren, um die Gegner*innen zu kriminalisieren. Hier sehen wir einen neue “Tarnac-Affäre” deren Ziel es ist, von den realen Gefahren des Projektes Cigeo abzulenken, Verdächtige aufzubauen und Kampf zu schwächen… Vor allem, indem er stark eingebundene Leute trifft, kriminalisiert der Staat diejenigen, die sich organisieren und versucht Angst und Spaltung in die Kreise der Aktivist*innen zu verbreiten.
Als Antwort auf diese wahnhafte Konstruktion von Politik und Polizei bekräftigen wir unsere Einheit und Solidarität. Nichts gegen die Förderer von Cigeo, unsere Bewegung wird nicht niedergeschlagen und unsere Zusammenschlüsse werden sich nicht beugen, aus Angst, die Nächsten auf der Liste zu sein.
Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Wir appellieren an alle, die sich in diesem Kampf wiedererkennen, diese Repression anzuprangern und sich nicht von den Reden der Regierung täuschen zu lassen.
Wir rufen zu Protesten und Solidarität am nächsten Mittwoch, den 27. Juni in ganz Frankreich ab 19 Uhr, um unsere Freunde zu unterstützen.
Die Repression wird uns nicht zum Schweigen bringen, wir sind solidarisch!
Sie werden uns niemals atomisieren!
Die Soligruppe Bure – Dreyeckland schließt sich den Aufruf zu einem Aktionstag am 27. Juni an, indem sie sich dafür ausspricht, auch in Städten außerhalb Frankreichs “laut zu sein und über die Razzia und den autoritären Trend zu informieren”. Quelle: Indymedia
Auf die Straße am 27. Juni 2018 – 19 Uhr
Solidarisch gegen den G20/CIGEO-Staatskomplex!
Für mehr Widerstand, von Bure nach Hamburg und zurück!
Informiert euch auch auf der deutschsprachigen Informationsseite über den Kampf gegen das Atommüll-Projekt (CIGEO) in Bure
Unbekannte haben in der Nacht des 22.06. die Scheiben des Russischen Visa-Zentrums in Hamburg, Kanalstrasse 14a, zerstört. Außerdem wurde “FUCK FIFA!”, “FIGHT REPRESSION!” und “(A)” an die Fassade gesprüht.
Seit Herbst 2017 gibt es Repressionsschläge gegen Anarchist*innen in mehreren Städten Russlands, in Weißrussland und auf der Krim. Mit Folter, Einschüchterung, Erpressung und Gefangenschaft geht der Geheimdienst FSB gegen sie vor. Gleichzeitig findet mit der Fußball WM gerade eines der größten Spektakel der Herrschaft in Russland statt. Reiche können sich weiter bereichern und im Schatten der Kameras wird das Ganze, wie auch bei den Olympischen Spielen oder bei Gipfeltreffen, genutzt, um Repression und Kontrolle gegen maginalisierte, arme und ungewollte soziale Gruppen auszubauen sowie aggressive Aufwärtung zu
betreiben.
Kommt zu den Anhörungen des Widerspruchverfahrens!
Tag 18 – 29.5 / 8:00-8:30
Tag 19 – 15.6 (Termin noch unsicher!)
Tag 20 – 5.7. / 8:00-8:30
Tage 21 + 22 + 23(drei Termine an aufeinanderfolgenden Tagen!) – 11.7.-13.7. / 9:00-16:00
Amtsgericht Mitte
Sievekingplatz 3
Hamburg
Updates: freepeike.noblogs.org
Peike würde es begrüßen, wenn so viele Gefährt*innen wie möglich im Gerichtsgebäude zugegen wären.
Ab einer Stunde vor dem Beginn jeder Sitzung gibt es von den Gefährt*innen von United We Stand, Kaffee und Musik außerhalb des Gerichts. Falls ihr einen Übernachtungsplatz in Hamburg benötigt, sendet eine E-mail zur Unterstützungsgruppe: Free Peike: freepeike@riseup.net
Ausdrücklich sollte auch noch einmal an das für Peike eingerichtete Solidaritätskontoerinnert werden.
Kommt zu den Anhörungen des Widerspruchverfahrens!
Am 17. Mai, zwei Stunden vor Beginn der Anhörung, sagte die Richterin den gesamten Gerichtstag ab. Der Grund dafür wurde nicht öffentlich bekannt gegeben.
Trotzdem lassen wir uns durch diese lächerlich kurzen oder abgesagten Verhandlungen nicht demotivieren. Wir werden weiter für Peike’s Freiheit kämpfen und bis dahin, kommt nach Hamburg, um Peike und dem Gericht zu zeigen, dass wir solidarisch bleiben, was auch immer sie tun werden.
Tag 17 – 9.5 / 9:00 – 12:30
Tag 18 – 15.6 (Termin noch unsicher!)
Tag 19 – 5.7. (Termin noch unsicher!)
Tag 20 – 11.7. / 8:00-8:30
Tage 21 + 22 + 23(drei Termine an aufeinanderfolgenden Tagen!) – 11.7.-13.7. / 9:00-16:00
Amtsgericht Mitte
Sievekingplatz 3
Hamburg
Updates: freepeike.noblogs.org
Ab einer Stunde vor dem Beginn jeder Sitzung gibt es von den Gefährt*innen von United We Stand, Kaffee und Musik außerhalb des Gerichts. Falls ihr einen Übernachtungsplatz in Hamburg benötigt, sendet eine E-mail zur Unterstützungsgruppe: Free Peike: freepeike@riseup.net
Ausdrücklich sollte auch noch einmal an das für Peike eingerichtete Solidaritätskontoerinnert werden.
Kommt zu den Anhörungen des Widerspruchverfahrens!
Tag 13 – 9/5 – 13.00 – 16:00
Tag 14 – 11/5 – 09:00 – 16:00
Tag 15 – 14/5 – 09:00 -11:30
Tag 16 – 17/5 – 13:00 – 17:00
Amtsgericht Mitte
Sievekingplatz 3
Hamburg
Neue Termine und Updates: freepeike.noblogs.org
Ab einer Stunde vor dem Beginn jeder Sitzung gibt es von den deutschen Gefährt*innen von United We Stand, Kaffee und Musik außerhalb des Gerichts. Falls ihr einen Übernachtungsplatz in Hamburg benötigt, sendet eine E-mail zur Unterstützungsgruppe: Free Peike: freepeike@riseup.net
Englischsprachiger Solidaritäts-Flyer im PDF Format (Vorderseite zum Download / Rückseite zum Download)
28. März 2018: Siebter Tag des Berufungsprozesses – Peike würde sich darüber freuen, wenn zur Unterstützung so viele Gefährt*innen, wie möglich im Gerichtssaal anwesend wären!
9:00-11:00(Kaffee ab 8:00 Uhr ), Amtsgericht Mitte (Sievekingplatz 3, Hamburg)
Die weiteren Termine sind:
8. Verhandlungstag: Dienstag, den 3. April 2018 von 9:00 – 17 Uhr
9. Verhandlungstag: Donnerstag, den 5. April 2018 von 9:00 – 12 Uhr
10. Verhandlungstag:Donnerstag, den 19. April 2018 von 9:00 – 12 Uhr
11. Verhandlungstag: Mittwoch, den 25. April 2018 ab 6 Uhr
12. Verhandlungstag: Donnerstag, den 26. April 9:00 – 16 Uhr
Informations-Veranstaltung über den Fall von Peike aus Amsterdam, der derzeit in Hamburg vor Gericht steht, aufgrund seiner angeblichen Beteiligung an den G20 Aufruhr im letzten Sommer.
Er wurde zu 2 Jahren und 7 Monaten Haft verurteilt, aber am 9. Februar hat sein Berufungsprozess begonnen. Am 16. Februar ist der zweite Verhandlungstag, die weiteren Termine sind hier nachzulesen.
Beginn jeweils 9:00 Uhr, wenn nicht anders angegeben
Weiter Termine sind: im März: 9. (8.45 Uhr) / 20./ 23./ 28. und im April: 3./ 5./ 19./ 25. (6 Uhr )/ 26.
im
Landgericht im Strafjustizgebäude (Sievekingplatz 3, Hamburg)
Peike wünscht sich, dass -zur Unterstützung-
so viele GefährtInnen, wie möglich, anwesend sind.
Peike hat im ersten. G 20 – Prozess am 27. August die ganze Härte der politischen Justiz erfahren müssen. Er wurde durch zwei fragwürdig bewiesene Flaschenwürfe und der lächerlich anmutenden Widerstandshaltung “Embryostellung” am Rande der “Welcome to Hell”-Demo zu 31 Monaten Haft verurteilt. Das noch über den Forderungen der Staatsanwaltschaft hinausgehende Urteil, sollte laut seiner Begründung durch den verantwortlichen Richter Krieten (generalpräventiv) der Abschreckung dienen.
Den Haag, im Januar:“Diese Aktion des deutschen Gerichts ist ein Angriff auf anarchistische Bewegungen, die für egalitäre Ideale kämpfen. Wir werden diese Aktion des deutschen Gerichts nicht vergessen und wir wollen Peike so weit wie möglich unterstützen”
Eine Zusammenfassung für internationalistische Genoss_innen: G20-Repression: Gefangene * Knastbedingungen * Prozesse * Video- und Fotofahndung * Hausdurchsuchungen
Der G20 Gipfel und die Tage der euphorischen Stimmung auf den Straßen im Schanzenviertel waren geprägt von einer massenhaften Wut und Angriffslust, die wir so schon seit Heiligendamm und Frankfurt nicht mehr in Deutschland vermuten konnten.
Die Repression, die folgte und auch im vornherein schon durch die Gesetzesänderung (§114ff.) und präventive polizeiliche Maßnahmen ihren Lauf nahm, erreichte mit der Veröffentlichung der Fahndungsfotos durch die „Sonderkomission (Soko) Schwarzer Block“ am 18.12.2017 wohl ihren abscheulichen Höhepunkt.
Im Ausland haben die Repressionsschläge kaum Gehör gefunden und unsere internationalen Genoss_innen, die mit uns auf der Straße waren oder voller Begeisterung die Krawalle in den Medien verfolgten, berichteten, dass sie wenig bis gar nichts von Gefangenen, Verurteilten oder dem Verfolgungswahn der Behörden erfahren hätten.
Part I: Gefangene Zur aktuellen Situation
Die Bullen haben eine 40-köpfige Soko gegründet, die u.a. das Netz nach bewegten und unbewegten Bildern durchforstet, um diese für die weitere Kriminalisierung von Aktivist*innen zu nutzen. Zur Zeit sitzen an die 200 Cops vor den Bidschirmen und lassen Gesichtserkennungs-software einen Großteil der Vorarbeit für ihre Ermittlungsverfahren leisten.
Der Staat, inklusive Medien, Bullen und Aktivbürgertum, verfolgt hier ganz klar das Ziel der Umdeutung der Krawalle. Wir haben es geschafft den Diskurs dieser Tage zu bestimmen, aber wir sehen gerade, in Form von hohen Strafen, Denunziationen und öffentlicher Hetze, dass wir nicht von einer kontinuierlichen Stärke der Kämpfe sprechen können und somit zurück geworfen sind auf ein bloßes Reagieren; Tag-X Demos, Knastkundgebungen, kaputte Scheiben hier und da..
Nach den 3 Tagen der Auseinandersetzungen in Hamburg saßen ursprünglich 51 Gefangene in Untersuchungs-Haft (U-Haft). Von ihnen blieben 28, meist nicht-deutscher Staatsbürgerschaft, in den Knästen der JVAs Billwerder, Hahnöfersand und Holstenglacis. Sie kommen aus den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Deutschland und Russland. Dazu kamen mehrere Hundert, die für wenige Tage in Gewahrsamnahme in der neu errichteten Gefangenensammelstelle (Gesa) fest gehalten und erkennungsdienstlich (ID, Fingerabdrücke, Fotos, freiwillige DNA-Abnahme) behandelt wurden.
Den noch verbliebenen/verbleibenden G20-Gefangegen werden verschiedene Straftaten vorge-worfen, die in vielen Fällen normalerweise keine U-Haft rechtfertigen würden. Die Vorwürfe reichen von Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, über Landfriedensbruch bis hin zu Widerstand und tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte nach §§ 113/114 StGB (s. Erklärung unten).
Aktuell, Anfang Januar 2018, sind noch 7 Menschen in Hamburg in Haft. Viele Verurteilte sind in Berufung gegangen. Auch Peike, der zu 2 Jahren und 7 Monaten verurteilt wurde und gerade noch in Untersuchungshaft sitzt.
Zu den Bedingungen in der Gesa und U-Haft
Mehr als 100 Anwältinnen und Anwälte waren in 24-Stunden-Schichten in der Gefangenen-sammelstelle (GeSa) während und nach den Gipfeltagen in Hamburg-Harburg präsent. Insgesamt wurden mehr als 250 Personen betreut. Mehrere Gefangene berichteten, dass ihnen keine Hygieneartikel zur Verfügung gestellt wurden, obwohl sie diese benötigten. Bei einer jungen Frau wurde die Verweigerung mit dem Kommentar begleitet “Demonstrantinnen bekommen nicht ihre Tage“. In einem weiteren Fall berichtete eine junge Frau, sie habe sich vor den Augen der Beamt*innen einen Tampon einführen müssen.
In den Zellen war es brütend heiß, teils waren 8 Gefangene statt 5 in einer Zelle. Zu essen gab es Knäckebrot – zwei Scheiben in 24 Stunden, Toilettengänge waren nur selten möglich. Durch regelmäßige Tritte gegen die Zellentüren wurden die Gefangenen vom Schlafen abgehalten, ebenso durch die Dauerbeleuchtung, während andere komplett ohne Licht waren.
Eine verletzte junge Frau, die am Freitag (7. Juli) um 12 Uhr mittags mit Verdacht auf Nasenbein-bruch in die GeSa eingeliefert wurde, erhielt 15 Stunden lang keine Nahrung. Ihre Verletzung wurde nicht geröntgt. Sie wurde erst 40 Stunden nach ihrer Festnahme einem Richter vorgeführt.
Die Gefangenen in U-Haft dürfen nur mit richterlicher Erlaubnis besucht werden. Diese Besuche werden auch streng überwacht (s. z.B. Brief von der Mutter des Gefangenen Fabio auf der Webseite von United We Stand. Des Weiteren konnten wochenlang keine Pakete mit frischer Wäsche an die Gefangenen zugestellt werden.
Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wird u.a. mit der „Verteidigung der Rechtsordnung“ begründet. Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, die üblicherweise in Deutschland U-Haftgründe dar-stellen, spielten keine Rolle. Damit stellt die U-Haft allein schon eine generalpräventive Maßnahme dar. Die Tatsache eines nicht-deutschen Passes verschärfte die Annahme, potentiell Feind*in dieser Gesellschaft zu sein, in Bezug auf die U-Haft sowie bei der Urteilsverkündung. Noch dazu bekamen viele Freigelassene in den Monaten darauf Briefe, mit der Aufforderung zur freiwilligen DNA-Abgabe.
Part II: Prozessführung – Urteile
Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass sich durch alle Prozesse der rote Faden zieht, dass egal welcher Vorwurf und egal welche Menschen vor den Richter*innen und Staatsanwält*innen saßen, allen die Gesamtschuld an den Ausschreitungen v.a. von Freitag Nacht vorgeworfen und sie dafür dann auch verurteilt wurden. Zu dieser Massenbeteiligung an Straßenkämpfen und Angriffen auf Polizist*innen und Privateigentum, dürfe es auf keinen Fall noch einmal kommen. Diese Angst zeigt sich in den unfassbar politisch motivierten Plädoyers dieser machtbesessenen Advokaten, die nach den großflächigen Krawallen, wie überall auf der Welt versuchen, die Kämpfenden als isolierte Straftäter*innen ohne politische Inhalte zu brandmarken und einzuschüchtern.
Um die Empörung über die Urteile und deren Begründungen zu verstehen, ist es wichtig zu erklären, dass es der deutsche Bullenapparat immer wieder versucht, mit Bezichtigungen der Tatbeobachter*innen (Tabos) (s. Erklärung unten) und zusammengeschnittenen Kameraszenen, Verurteilungen herbei zu führen. Verhaftungen, gerade auf Demos, stützen sich in Deutschland oft ausschließlich auf vermeintliche Beobachtungen dieser Tabos. In der Vergangenheit ließen sich ihre Aussagen jedoch selten halten, so dass wenige (jedoch stets Biodeutsche im Gegensatz zu z.B. Kurd*innen) zu Bewährungsstrafen, jedoch fast nie zu Gefängnisstrafen nach Demos oder Kundgebungen verurteilt wurden.
Ein weiterer Punkt ist in der deutschen sogenannten linken Szene zu suchen: Hier gab es in den 80er Jahren die Kampagne „Anna und Arthur halten‘s Maul“. Eine Kampagne die sich auf das Recht auf Aussageverweigerung beruft. Demnach muss ein*e Festgenommene*r oder Angeklagte*r vor den Bullen und Gericht nichts weiter als die Angaben machen, die auf ihrem*seinem Ausweis stehen. Dieses Recht als Waffe zu begreifen – als Schutz davor, Strukturen frei zu legen oder andere zu belasten, aber auch als Widerstandsakt, indem mensch sich dem Dialog mit den Autoritäten gerade im Gerichtssaal entzieht – ist leider nicht mehr selbstverständlich in Strukturen verankert. Die Entscheidung eine Aussage zu machen oder nicht, wird oft individuell getroffen oder der Strategie des Anwalts, der Anwältin überlassen.
Daher gab es nicht nur Deals und Geständnisse unter den G20-Gefangenen, die unter bestimmten Bedingungen auch Sinn machen, sondern es ging auch soweit, dass sich Menschen erniedrigen ließen, sich bei Richter*innen und Bullen entschuldigten, ja sogar bei der HASPA(Bank) und Budni (Drogeriekette). (Beispiel: Ein 28-jähriger Hamburger verlas ein Geständnis: Er wisse selbst nicht, was ihn an diesem Abend geritten habe, sagte er. Er sei nur aus Neugierde ins Schanzenviertel gegangen, nachdem er Fernsehbilder der Ausschreitungen gesehen hatte. Dort habe ihn die Menge mitgerissen “Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich an dem Abend einfach zu Hause bleiben und mir alles im Fernsehen anschauen”, sagte er am Dienstag. Er sei in jener Chaosnacht eigentlich auf dem Weg nach Barmbek gewesen, wo er inzwischen lebe, sei zufällig in die Ausschreitungen am Pferdemarkt geraten, habe einen „Schwall Pfefferspray” abbekommen und sei dadurch in Wut geraten. Außerdem habe er vorher gekokst. Das Urteil: 3 Jahre Knast.)
Fabio sticht als ein G20-Gefangener hervor, von dem wir ein politisches Statement nachlesen konnten, das er vor Gericht verlesen hat. Es zeugt nicht nur von Mut und politischer Gewissheit, dass er das gemacht hat, sondern es bedeutet auch einen extrem wichtigen Schritt um zusammen der Repression stand zu halten, nicht einzuknicken und dem Diskurs der Kriminalisierung unsere Deutung der Kämpfe entgegen zu setzen.
Am Ende des Textes sind mehrere Beispiele von G-20-Prozessen angefügt.
Prozessberichte können auf der Seite „United We Stand“, auch teilweise auf englisch, verfolgt werden. Weitere Prozesse werden mit Sicherheit aufgrund der letzten Hausdurchsuchungen und polizeiinternen sowie öffentlichen Fahndungsaufrufe folgen (s.u.).
Part III: Erste Hausdurchsuchungen Erste Hausdurchsuchung vor dem Gipfel:
In Rostock sind am Abend des 1. Juli die Wohnungen von zwei Genossen durchsucht worden. Die Hausdurchsuchungen wurden nach jetzigem Kenntnisstand zur „Gefahrenabwehr“ durchgeführt. Bei der Durchsuchung mitgenommen wurden Speichermedien, Computer, die Privathandys und Kleidung. Einem Betroffenen wird vorgeworfen Straftaten im Rahmen der G20-Proteste geplant zu haben. In den Tagen vor den Durchsuchungen hat es Observationen gegeben. Der zweite Betroffene ist noch am selben Abend freigelassen worden.
Durchsuchung 8.7
Im Anschluss an den G20-Gipfel durchsuchte das LKA Hamburg am 8. Juli das Internationale Zentrum B5 in St. Pauli. Um 10:45 Uhr stürmten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten in das Vereinslokal und stürzten sich auf die anwesenden Personen. Ohne Nennung von Gründen wurden die Anwesenden gefesselt und die Räumlichkeiten des Vereins sowie zwei Privatwohnungen im selben Gebäude durchsucht. Auch die Kellerräume des angrenzenden Kinos B-Movie und der Einkaufsgemeinschaft FoodCoop wurden durchwühlt. Angeblich sollten sich Molotowcocktails in den Räumen befinden, was sich als haltlose Diffamierung erwies.
Durchsuchungswelle aufgrund der Plünderungen:
Die Polizei Hamburg durchsuchte kurz nach dem Gipfel 14 Objekte in Hamburg und Schleswig Holstein. Grund dafür waren Plünderungen in der Krawallnacht Freitagabend von einem Apple Store. Einige Handys wurden geortet, den Besitzer*innen wurde Hehlerei vorgeworfen. Noch dazu wurde ein Handyladen durchsucht, in dem vermeintlich geplünderte Handys verkauft wurden.
Linksunten.indymedia.org Verbot
Am 25. August hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Nachrichtenplattform “linksunten.indymedia.org” auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten. Linksunten-indymedia war für die deutsche sogenannte linke und linksradikale Szene das Nachrichten- und online Diskussionsmedium, auf dem alle Bekenner_innenschreiben, Demoaufrufe und wichtige Tagespolitik bundesweit zusammen getragen wurden. Die linke Szene nahm diese Platform genauso wichtig, wie sie der Staatsschutz, die Bullen und zuletzt auch die bürgerliche Presse als verlässliche Quelle und Stimmungsbaromteer für anstehende Auseinandersetzungen ansahen. Das Weiter-betreiben des seit 2009 bestehenden offenen Netzwerkes von linken Medienaktivist*innen und Journalist*innen, erklärte de Maizière zur Straftat. In Baden-Württemberg kam es diesbezüglich zu mehreren Hausdurchsuchungen, denen bisher keine Festnahmen folgten. Aktuell fahndet das BKA nach dem Standort des durch die Plattform genutzten Servers. Weitere Durchsuchungen sind nicht auszuschließen.
Über den Zeitpunkt der Verbotsverfügung kann nur spekuliert werden. Es ist denkbar, dass das Innenministerium das angekratze Image aufpolieren wollte, nachdem nahezu wöchentlich neue Medienberichte und Erkenntnisse über die massive Polizeigewalt gegen Anti-G20-Demonstrant*innen erschienen waren.
Part IV: Landesweite Durchsuchungen am 5.12.2017 | Ermittlungsverfahren „Rondenbarg“
Am Morgen des 5.12.2017 durchsuchten knapp 600 Bullen in mehreren Bundesländern (Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hamburg, Berlin, Hessen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz) insgesamt 23 Privatwohnungen und 2 linke Zentren (Göttingen & Stuttgart). Nach Angaben der Bullen wurden hauptsächlich Computer, Laptops, Handys und Datenträger (Festplatten, USB-Sticks, …), aber auch einige legale Waffen beschlagnahmt. Keiner der Betroffenen wurde festgenommen.
Alle Durchsuchungen stehen im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren zum ersten Tag des G20-Gipfels in Hamburg: Etwa 200 militante Genoss*innen waren früh morgens am 7.7. auf dem Weg in Richtung Innenstadt, als sie am Rondenbarg auf mehrere Bulleneinheiten trafen und der Demonstrationszug in der Folge zerschlagen und mehrere Genoss*innen schwer verletzt wurden. (https://www.youtube.com/watch?v=m84fSC2gK4Q) Mehrere Dutzend wurden noch vor Ort festgenommen, ihre Personalien festgestellt und Fabio saß seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Fast alle der 5 Monate später durchsuchten Personen, waren bereits an diesem Tag unter den Verhafteten. Ihnen werden besonders schwerer Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung und Widerstand vorgeworfen.
Da die dort Festgenommenen einen Großteil der während des Gipfels Inhaftierten bildeten und die Bullen ansonsten bisher sehr wenige organisierte Militante zu fassen bekamen, versuchten Polizei und Presse im Nachhinein, die ‚Rondenbarg-Gruppe‘ als besonders gewalttätig zu zeichnen und sie für die gesamten Zerstörungen und direkten Aktionen des G20-Gipfels verantwortlich zu machen. Im Zusammenhang mit diesem Versuch standen auch die Durchsuchungen vom 5.12., deren „Erfolg“ von der Polizeiführung auf einer großen Pressekonferenz verkündet wurde.
Für uns steht hinsichtlich der Durchsuchungen fest, dass sie weniger auf den Beweis der individuellen Teilnahme am Protestzug des 7.7. abzielten (die Personen wurden ja bereits vor Ort festgestellt), sondern neben eines öffentlichen Spektakels, vor allem die Aufdeckung der hinter den Aktionen vermuteten Organisationsstrukturen zum Ziel hatte.
Von offiziellen Stellen bisher nicht bestätigt aber durch mehrere Presseberichte veröffentlicht, suchen die Bullen in den sichergestellten Computern und Unterlagen vor allem nach Hinweisen auf jene Strukturen, die die militanten Aktionen in Hamburg vorbereitet und ermöglicht haben sollen. So wurden besonders im Gebiet um die Elbchaussee (https://www.youtube.com/watch?v=Ujb-sMtJfSk) nach Angaben der Bullen mehrere Behälter und Erdbunker mit Vermummungsmaterial, Feuerwerk und Kleidung gefunden, wodurch sich die deutsche Polizei in ihrer Annahme bestätigt sieht, dass lokale Strukturen die logistische Ausstattung der angereisten internationalen Genoss*innen organisiert hätten. Für das Anzünden von ca. 20 Autos in der Elbchaussee am 7.7. werden dann jedoch hauptsächlich die internationalen Genoss*innen verantwortlich gemacht.
Part V: Fahndungsfotos Polizei Hamburg
In der Nacht auf den 8. Juli veröffentlichte die Hamburger Polizei ein „Hinweisportal“ mit dem Aufruf an die schaulustige Öffentlichkeit, vermeintlich belastendes Foto- und Video-Material der eigenen Smartphones und Kameras hochzuladen. Einen halben Tag nach der Veröffentlichung jubilierte sie, dass „bisher über 1000 Dateien eingegangen“ seien. Durch ihren Aufruf zu Denunziation und Verrat provozierte die Polizei eine private „Online-Hetzjagd“. Die Soko “Schwarzer Block” ist dabei, mehr als zwölf Terabyte Bilddateien auszuwerten. Insgesamt verfolgen in der Ermittlungsgruppe 163 Cops 3340 Fälle.
Montag den 18.12 veröffentlichte die Polizei Hamburg, 104 Fotos von 104 angeblichen Täter*innen und 5 Videos zu den Kategorien: „Elbchaussee“, „G20 Not Welcome Demo!“, „Plünderungen“, „Stein- und Flaschenbewurf“, „Rondenbarg“. Dazu kamen viele dieser Fotos auf die Titelseiten der deutschen Presse.
Die Hamburger Bullen kündigten an: “Es wird weitere Fahndungen geben, weil wir erhebliches Beweismaterial haben, das noch ausgewertet wird.”
Fünf Beispiele von G20-Prozessen 1. Vorwurf: Flaschenwurf
Der erste Prozess fand gegen den Niederländer Peike statt. Er soll laut Gericht am Abend des 6. Juli im Schanzenviertel zwei Flaschen auf einen Berliner Bullen geworfen haben. Die zwei einzigen Zeugen, Polizeibeamte aus Berlin, hatten deutliche Wahrnehmungslücken und beschrieben beide einen vermeintlichen Werfer, der optisch nicht mit dem Angeklagten übereinstimmte.
Die Staatsanwaltschaft begründete ihre Forderung nach einer Haftstrafe mit der Mitverantwortung an den „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“ am Freitagabend (an dem sich Peike schon in Haft befand!). Richter Johann Krieten, als rechter Hardliner bekannt, gab seine Erkenntnisse im Urteil von sich: „Polizeibeamte sind kein Freiwild für die Spaßgesellschaft. Polizeibeamte sind kein Freiwild für erlebnisorientierte Gewalttäter.“ Er nenne das Gewalttourismus mit dem Reiseziel Bullenjagen und Haspa entglasen. Die Strafe sei aus „generalpräventiven“ Gründen nötig. Dieses Schwein verkündete das Urteil von 2 Jahren und 7 Monaten Haft.
2. Pfefferspray und Murmel
Der Angeklagte wurde am Samstag den 8.7. nahe des Dammtorbahnhofs, aufgehalten und durchsucht. Ihm wurde unterstellt auf dem Weg zur Demo „G20 Not Welcome“ gewesen zu sein. In seinem Rucksack befanden sich u.a. ein Pfefferspray, eine Taucherbrille und kleine Böller. Er soll gegen das Versammlungs-, Waffen- und Sprengstoffgesetz verstoßen haben. Erneut endete der Prozesstag mit einem absurd überhöhten Urteil: 6 Monate Haft auf 2 Jahre Bewährung. Oberstaatsanwalt Elsner verkündete seine Propaganda, fernab dieses Falls: Das Bewerfen von Beamten mit Steinen und Flaschen habe bei Demonstrationen ganz erheblich zugenommen. Der Angeklagte müsse eigentlich einen Dankesbrief an die Beamten schreiben, die ihn festnahmen – wenn er geworfen hätte, drohte der Richter weiter, müsste er länger in Haft.
3. Umfangreiche Einlassung
Die Staatsanwaltschaft warf dem 21-Jährigen Angeklagten vor, auf der Demo am Fischmarkt 6 Flaschen in Richtung der Bullen geworfen zu haben, sowie bei der Festnahme Widerstand geleistet zu haben. Nachdem der Richter ihm sein Recht auf Aussageverweigeung erklärt hatte, erfolgte durch den Anwalt des Angeklagten eine umfassende Einlassung: In den letzten 2 Monaten, die er in Haft verbrachte, habe er viel über Einsamkeit gelernt. Er wolle nie wieder sich und seine Familie in eine solche Hölle bringen. Er sei sich über seine Dummheit bewusst. Polizisten seien auch Menschen. Der Richter verurteilte den Beschuldigten zu 1 Jahr 5 Monaten, mit 2 Jahren Bewährungszeit, sowie 500€ Ordnungsgeld, dass an die „Witwen und Weisen der Polizei“ gespendet werden soll.
4. Gefährliches Werkzeug
Die Anklage: gefährliche Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug (Glasflasche), sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Der Angeklagte gestand seine Tat und bereute seine Handlungen. Er stimmte der DNA-Abnahme zu, die im Gerichtsgebäude während einer Unterbrechung der Verhandlung statt fand. Der Tabo Hachmann sei dem Angeklagten nach dem vermeintlichen Flaschenwurf gefolgt und habe beobachtet, wie er in einem Kiosk seine „Vermummung“ ablegte und sich eine Straßenecke weiter umzog.
Urteil: 1 Jahr Haft ausgesetzt auf 3 Jahre Bewährung. Der Beschuldigte habe das Gewaltmonopol des Staates in Frage gestellt und bei seiner Tat den „Menschen in der Uniform“ nicht mehr gesehen. Die Polizei verdiene Hochachtung und Respekt für ihren Einsatz und dürfe keine Zielscheibe werden, hieß es in der Urteilsverkündung.
Fabio‘s Prozess
Fabio ist gegen eine Kaution von 10 000€ erst mal aus dem Jugendknast entlassen. Sein Prozess dauert an. Vorwurf: besonders schwerer Landfriedensbruch im Fall „Rondenbarg“. Hier ein Ausschnitt aus Fabios Prozesserklärung: „[…] Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Herrschaften Politiker, Polizeikommissare und Staatsanwälte wahrscheinlich glauben, dass sie den Dissens auf den Straßen aufhalten können, indem sie ein paar Jugendliche festnehmen und einsperren. Wahrscheinlich glauben diese Herrschaften, dass das Gefängnis ausreicht, um die rebellischen Stimmen aufzuhalten, die sich überall erheben. Wahrscheinlich glauben diese Herrschaften, dass die Repression unseren Durst nach Freiheit aufhalten wird. Unseren Willen, eine bessere Welt zu erschaffen. Ich habe meine Entscheidung getroffen und habe keine Angst davor, wenn es einen Preis geben wird, den ich ungerechterweise dafür zahlen muss. […] Nichtsdestotrotz gibt es noch etwas, das ich Ihnen sagen möchte, ob Sie mir es glauben oder nicht: Gewalt mag ich nicht. Aber ich habe Ideale und ich habe mich entschieden, für sie zu kämpfen…“.
Erklärungen:
Tatbeobachter*innen (Tabos) sind so gekleidet wie alle anderen Demoteilnehmer*innen: mal bunt, mal mit Bierflasche oder vermummt. Sie laufen neben uns in den Reihen und sind nur sehr schwer ausfindig zu machen. Sie beobachten vermeintliche Straftaten ohne zunächst einzugreifen und informieren ihre Kolleg*innen für spätere Festnahmen. Sie werden später als Zeug*innen geladen. Tabos sind einer jeweiligen Hundertschaft zugehörig.
Im Gegensatz dazu gibt es noch weitere zivil gekleidete Bullen: die sogenannte PMS (für Politisch Motivierte Straßengewalt). Diese Zivis laufen meißt in größeren Grüppchen, offen sichtbar, neben den Bullenketten, haben Stöpsel im Ohr, sind bewaffnet und geben Hinweise, über die ihnen bekannten Gesichter, an die BFE (Beweis- und Festnahme Einheit, „Greiftrupp“) weiter (vergleichbar mit der französischen BAC).
Gesetzesverschärfung: Der bisherige §113 wird seit dem 30.05.17 nun aufgeteilt in § 113, welcher Widerstandshandlungen umfasst, und in § 114, welcher „tätliche Angriffe“ normiert. Der neu formulierte §114 beinhaltet den „tätlichen Angriff“ gegen Vollzugsbeamt*innen (Bullen, Rettungskräfte) als eigenen Straftatbestand. Als „tätlicher Angriff“ kann jede aktive Handlung gegen den Körper der Polizist*innen definiert werden. Z.B., wenn du versuchst dich aus einem Polizeigriff zu befreien oder den Arm einer*s Polizist*in bei einer Festnahme wegschlägst. Das Mindeststrafmaß bei §114 beträgt 3 Monate Freiheitsstrafe.
Dazu kommt, dass das bloße Mitführen einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs als besonders schwere Widerstandshandlung oder besonders schwerer tätlicher Angriff erfasst wird, unabhängig davon, was du damit vorhast. Du kannst auch dafür angeklagt werden, dass dein*e Begleiter*innen einen solchen Gegenstand auf der Demo bei sich trugen (z.B. Glasflasche, Nagelfeile).
Society has failed, when it imprisons those who question it!
Feuer und Flamme der Repression!
In diesem Sinne ruft die Kampagne „United we stand“ zu Aktionstagen vom 28.1. – 4.2.2018 auf.
Nach dem erfolgreichen Widerstand gegen die Politik des G20 im Sommer rufen wir in der Woche vom 28.01. – 04.02.2018 zu Aktionstagen auf.
Wir waren mit vielen von euch während des G20 in Hamburg aktiv. An diese Erfahrung wollen wir sichtbar an möglichst vielen Orten mit unterschiedlichen Aktionen anknüpfen.
Es ist bereits 2018 und noch immer sitzen unsere Freund*innen und Genoss*innen seit dem G20-Gipfel in U-Haft. Noch immer wird ein Bild der gefährlichen Gewalttäter*innen stilisiert. Die brutalen Polizeiübergriffe vor, während und nach dem G20 Gipfel sollen heruntergespielt oder vergessen werden. Der Mythos von bürgerkriegsähnlichen Zuständen in der Schanze hat in der Öffentlichkeit nach wie vor Bestand und bietet dem Gericht eine willkommene Grundlage, um absurd hohe Strafen zu verhängen. Dies soll von der Idee ablenken den G20 als Aufstandsbekämpfungs-Übungsfeld im städtischen Raum stattfinden zu lassen. Die Strategie des eskalativen Einsatzkonzepts der Bullen konnte nur scheitern.
Die „unabhängige“ Justiz zieht dabei alle Register in der Interpretation ihrer Gesetze, um drakonische Strafen verhängen zu können wie bei Peike. Dieser sitzt seit dem 06.07. in U-Haft und hatte das Pech bei Richter Krieten zu landen, der ihn zu 2,7 Jahren verknackte. Peike ist jedoch in Berufung gegangen, die noch im Februar beginnen wird. Auch bei diversen anderen starten demnächst die Berufungsverfahren.
Doch nicht nur die drakonischen Strafen sollen als Abschreckungsmaßnahme dienen. Auch die medienwirksam inszenierten Razzien bei Menschen, die im Rondenbarg von den Bullen angegriffen wurden und die öffentliche Fahndungen mit Fotos und Videos von Personen, die während des G20 an öffentlichen Versammlungen teilnahmen, haben das Ziel möglichst viele von der Teilnahme an zukünftigen Demos abzuschrecken und zum Schweigen zu bringen.
Der Widerstand gegen die Politik der G20 sollen kriminalisiert und die herrschenden Verhältnisse gefestigt werden. Eine Politik und Verhältnisse, die auf der ungleichen Verteilung von Gütern basiert. Die rassistische und sexistische Vertreter*innen hofiert, die mit Despot*innen und Mörder*innen verhandelt. Die anti-(queer)feministisch ist, sich mit rassistischen Handlungen und homophoben Äusserungen nicht zurückhält. Die klima- und umweltpolitisch desaströs handelt, die Rüstungsexporte ausbaut und Kriege führt. Nicht zuletzt sollen diejenigen mit ihrer Sicherheitsarchitektur zum Schweigen gebracht werden, die dagegen auf die Straße gehen.
Wie passend auf einem Transpi von Genoss*innen steht: Society has failed, when it imprisons those who question it. – Block G20, not our voices. [Eine Gesellschaft hat versagt, wenn sie die in ihre Knäste steckt, die sie in Frage stellt! – Blockiert G20 und nicht unsere Stimmen!]
In diesem Sinne rufen wir zu Aktionstagen vom 28.1. – 4.2. auf.
Lassen wir uns nicht weiter blockieren, einschüchtern! Zeigen wir ihnen, dass ihre Strategie nicht aufgehen wird. Solange diese Gesellschaft so ist, wie sie ist, wird es Widerstand geben.
Lasst uns mit vielfältigen Aktionen Zeichen setzen die zeigen, dass wir dieses System in Frage stellen. Dabei sind der Phantasie und Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt – von Kuchen backen über Info-Veranstaltungen bis hin zu dem Sich-Nehmen der Straße und direkten Aktionen – Alles kann, nix muss!
Bitte schickt Termine und Bilder von euren Aktionen an: unitedwestand@nadir.org (key auf der Seite https://unitedwestand.blackblogs.org unter Kontakt)
Peike aus Amsterdam wurde nach den Protesten gegen den G20 Gipfel in Hamburg zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt. Für ihn wurde der Solidaritätsblog “Freedom for Peike” eingerichtet.
In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal an das für ihn eingerichtete Solidaritätskonto erinnert.
Die Gesellschaft ist gescheitert, wenn sie diejenigen einsperrt, die sie in Frage stellen. Blockiert G20, nicht unsere Stimmen! Freiheit für Peike. Eingesperrter G20 Aktivist. Befreit alle Gefangenen.
Am 30. September 2017 fand in Amsterdam eine Solidaritätsdemonstration für Gefährt*innen statt, die nach Protesten im Juli gegen den G 20 Gipfel in Hamburg zurzeit im Gefängnis sitzen. An ihr beteiligten sich an die einhundert Leute. Es gab Reden und Musikbeiträge. Im Anschluss folgte eine Spontandemonstration mit ca. fünfzig Teilnehmenden, die durch die Innenstadt von Amsterdam, bis zum Spuiplein gingen.
Freiheit für alle G20 Gefangenen! Freiheit für Peike!
Der seit dem 7. Juli aufgrund der Tage des Aufruhrs gegen G20 in Hamburg in Haft sitzende anarchistische Gefährte Ricardo wurde nach seiner Verhandlung am 5. Oktober vor dem Amtsgericht in Altona aus dem Gefängnis entlassen. Er wurde zu einer Strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Datum der Gerichtsverhandlung von Riccardo aus Genua, der während des Protests gegen den G20 Gipfel, am 7.Juli in Hamburg festgenommen wurde, steht fest. Sie findet am 5. Oktober in Hamburg statt.
Wir laden alle dazu ein, am Verhandlungstag nach Hamburg zu kommen, um seine Verhandlung vor Ort solidarisch zu begleiten.Auch in Genua wird es Solidaritätsveranstaltungen geben.
Für alle, die Ricardo vorher schreiben möchten oder Lesestoff versenden wollen, hier noch einmal die Adresse :
Es sind fast anderthalb Monate vergangen, seitdem ich während des zwölften G20 Treffens in Hamburg festgenommen wurde. In einer Stadt, die von den Sicherheitskräften belagert und als Geisel genommen wurde, die aber auch zu dieser Gelegenheit einen bedeutenden Protest vor Ort hervorgebracht hat.
Zehntausende, wenn nicht mehr, aus ganz Europa und sogar darüber hinaus, sind gekommen, haben sich in einer großen Welle der Solidarität getroffen, aneinander angenähert, organisiert, debattiert und für mehrere Tage zusammen demonstriert. Sie waren sich zu jeder Zeit der Möglichkeit bewusst, Gewalt und Repression der Polizei ausgesetzt zu sein. Von Algeco wurde zu diesem Anlass sogar ein riesiges Polizeigericht (*aus Containern, samt Gefangenensammelstelle) errichtet, um jeden Protest gegen diesen Gipfel so schnell, wie möglich bestrafen zu können.
Meine Verhaftung basiert, so wie die von vielen anderen Gefährt*innen ebenfalls, alleine auf das unantastbare Wort der Polizei. Von einer Einheit, die die Aufgabe hat, zu infiltrieren, observieren und ihrer „Beute“ zu folgen (über 45 Minuten in meinem Fall, aufgrund eines vermuteten Wurfgeschosses). Wenn sie einen erst einmal isoliert haben, gibt es die Möglichkeit zur Verhaftung, indem sie Kolleg*innen schicken, die schnell und gewalttätig eingreifen und keine Möglichkeit zum Entkommen lassen.
So, hier bin ich, eingeschlossen an diesem für das reibungslose Funktionieren einer globalen Gesellschaftsordnung wichtigen Ort. Diese Orte dienen als Werkzeug für die Kontrolle und Steuerung von Armut und sind notwendig für die Aufrechterhaltung ihres „Sozialen Friedens“. Die Gefängnisse entfalten die Wirkung eines Damokles-Schwertes, das über jedem Einzelnen hängt, so dass alle davor “in Erstarrung” Abstand halten, von den Codes und dem Diktat einer etablierten Ordnung „zu arbeiten, konsumieren, schlafen“ abzuweichen, denen kein beherrschtes Individuum entkommen kann. Dadurch entfremden sie sich selbst bei der Arbeit und vom mit ihr einhergehenden Leben. „Pünktlich zu sein, ohne jemals aufzumucken“ und das nicht nur während der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen, wo von uns gefordert wurde, „in Bewegung“, “en march“ zu sein. (Die Parole von Macrons und der Name der Partei an der Macht) oder zu krepieren, aber vorzugsweise lautlos und langsam.
Da die Gesetzgebung weder allgemeinem Interesse dient, noch bestimmt ist neutral zu sein, ist sie stattdessen der Ausdruck einer von den Mächtigen zunehmend eingesetzten Herrschaft. Sie wird eingesetzt, um ihr Eigentum und ihre Sicherheit zu gewährleisten und dadurch alle, die die Dinge anders sehen oder die sich dem nicht unterwerfen wollen, zu lähmen, sanktionieren und marginalisieren.
Jenseits der Fälle von bekannten und unterstützten Aktivist*innen, die eingesperrt sind, gibt es auch und vor allem, diejenigen Männer und Frauen, die der Brutalität und Unmenschlichkeit der Gefangenschaft vollkommen ausgesetzt sind. Hier beträgt der Stundenlohn für die Arbeit einen Euro, wovon die Hälfte erst bei Entlassung ausgezahlt wird. In meinem Flügel werden Gefangene in Untersuchungshaft oder zu kurzen Strafen (zwischen sechs Monaten bis zu vier Jahren) Verurteilte, hauptsächlich nur aufgrund ihrer sozialen Bedingungen und Herkunft festgehalten. Außer der Bediensteten, sind wenige aus dem “Aufnahmeland”. Alle anderen sind Ausländer, Flüchtlinge und / oder prekär, arm, durch das Leben geschwächt. Ihr Verbrechen: Sie haben sich mehrheitlich nicht den Spielregeln unterworfen, indem sie sich alleine oder in der Gruppe organisiert, am Drogenhandel beteiligt, Diebstähle oder Betrügereien begangen haben.
Haft ist eine primäre Säule dieses Systems. Sie kann aber nicht kritisiert werden, ohne die Gesellschaft, die sie produziert, anzugreifen. Das Gefängnis funktioniert nicht in Autarkie, es ist das perfekte Kettenglied zu einer auf verschiedenen Formen von Ausbeutung, Herrschaft und Trennung basierenden Gesellschaft.
Arbeit und Gefängnisse sind zwei primäre Eckpfeiler für soziale Kontrolle. Die Arbeit ist die bessere Polizei und die Wiedereingliederung eine ständige Erpressung.
Meine Gedanken sind bei den italienischen Gefährt*innen, die einer weiteren Repressionswelle ausgesetzt sind. Insbesondere, die beschuldigt werden, vor einer Buchhandlung von Casapound einen „Sprengsatz“ hinterlassen zu haben. Der extremen Rechte ist mit organisiertem, öffentlichen und offensiven Gegenangriff zu begegnen. Sie ist den Staaten nützlich und komplementär und nährt sich von ihren Bestrebungen und ihrem Wahn nach Sicherheit sowei einwe fortwährend geschürten Stigmatisierung von Ausländer*innen. .
Die Gedanken sind auch bei den Gefährt*innen, die für das Anzünden des Polizeiautos am 18. Mai letzten Jahres in Paris, während der Bewegung (*gegen das Arbeitsgesetz)“Loi Travail” im September vor Gericht stehen. Viele Leute waren im Gefängnis und zwei sind immer noch eingesperrt. Ihnen viel Kraft.
Dank den lokalen Aktivist*innen, die Kundgebungen vor unserem Gefängnis organisieren. Eine Initiative, die hier sehr wertgeschätzt wird, weil sie die Routine und den Zustand der Lethargie durchbricht, der uns aufgezwungen wird. Dank an alle, die uns hier und überall unterstützen.
An Bro’, 161, MFC, OVBT, Jeunes Sauvages, denen von BLF und ander Freund*innen
Gefährt*innen, Kraft !
Befreien wir die G20 Gefangenen und alle anderen. Wir sind nicht allein.
Aus Solidarität, hat der Vrije Bond eine eigene Initiative gestartet, um den in Hamburg zu Haft verurteilten Gefährten finanziell unterstützen zu können. Geld, das dringend benötigt wird und auf das folgende Konto überwiesen werden kann:
Der G20-Gipfel ist nun einige Wochen her, die Folgen davon sind jedoch immer noch zu spüren. Fast täglich werden neue Infos über den Einsatz der Gegenseite, die Vertuschungen und Rechtsbrüche, aber auch über die zu erwartenden Repressionen, bekannt.
Von ursprünglich 51 Gefangenen sitzen noch immer 28 Betroffene meist nicht-deutscher Staatsbürgerschaft in U-Haft in den JVAs Billwerder, Hahnöfersand und in der UHA Holstenglacis. Sie kommen aus den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Spanien, Italien, Polen, Ungarn, Deutschland und Russland.
Die Inhaftierten sind nach wie vor den Schikanen und der Willkür von Gericht und JVA-Angestellten ausgeliefert. Bei einzelnen wurden immer wieder die Haftbedingungen verschärft. So dürfen sie z.B. nur mit gerichtlicher Erlaubnis besucht werden. Natürlich werden diese Besuche auch streng überwacht (siehe z.B. Brief von Fabios Mutter an ihren Sohn vom 7.8.17) Des Weiteren konnten wochenlang keine Pakete mit frischer Wäsche an die Gefangenen zugestellt werden, sodass sie nur Anstaltskleidung zum Wechseln hatten. Weiterhin wurde Gefangenen der Besuch der Gefängnisbibliothek verweigert mit der Begründung: „Demonstranten brauchen keine Bücher.“
Trotz aller Widrigkeiten versuchen die Gefangenen, das Beste aus der Situation zu machen. Sie schreiben sich von Knast zu Knast und sitzen in mehr oder weniger großen Gruppen als G20-Gefangene zusammen, die meisten von ihnen in der JVA Billwerder. Sie unterstützen einander und muntern sich gegenseitig auf, wenn der Druck zu groß wird. Konflikte mit Inhaftierten, die nicht wegen G20-Delikten sitzen, scheint es nicht zu geben. Sie freuen sich sehr über die Post, die sie hinter den Gefängnismauern erreicht.
Die Knastkundgebung am 6. August wurde von den Gefangenen gehört. Sie haben sich sehr über dieses Zeichen der Solidarität gefreut. Vorerst ist geplant, jeden 1. Sonntag im Monat vor der JVA Billwerder eine Kundgebung zu machen. Die nächste am 3. September ist als Wunschkonzert für die Gefangenen gedacht. Wenn ihr Kontakt zu Gefangenen habt, fragt sie unbedingt nach ihren Musikwünschen und teilt uns diese rechtzeitig mit!
*Die Vorwürfe*
Den noch verbleibenden G20-Gefangegen werden verschiedene Straftaten vorgeworfen, die in vielen Fällen normalerweise keine U-Haft
rechtfertigen würden. Die Vorwürfe reichen von Verstoß gegen das Versammlungsgesetz über Landfriedensbruch bis hin zu Widerstand und Tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte nach §§ 113/114 StGB. Letzteres wird nach der Gesetzesverschärfung vom 30.05.2017 mit einer Haftstrafe von nicht unter 3 Monaten, in schweren Fällen unter 6 Monaten geahndet.
Bereits aus den Begründungen der Haftbeschlüsse lässt sich jedoch herauslesen, dass es nicht um die Anwendung des StGB geht, sondern um einen klar politisch motivierten Verfolgungswillen. Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft wird u.a. mit der „Verteidigung
der Rechtsordnung“ begründet. Flucht- oder Verdunkelungsgefahr, die üblicherweise Haftgründe darstellen, spielen keine Rolle. Damit stellt die U-Haft allein schon eine generalpräventive Maßnahme dar. Mehr noch: Inhaftierte mit Bezug zu vermeintlichen G20-Straftaten werden ganz bewusst außerhalb der herrschenden Rechtsordnung gestellt und entsprechend behandelt. Ihnen werden von Politik und Justiz die Grundrechte abgesprochen. Das nennt man Feindstrafrecht! Die Tatsache eines nicht-deutschen Passes verschärft die Annahme, potentiell Feind*in dieser Gesellschaft zu sein zusätzlich.
Wir sind von diesem Vorgehen nicht überrascht. Es steht ganz in der Tradition früherer Gipfelrepression, wie nach den Protesten beim
G8-Gipfel in Genua im Jahr 2001 oder auch nach dem G8-Gipfels 2007 in Heiligendamm, als nicht-deutschen Beschuldigten trotz EU-Bürgerschaft keine Haftverschonung gewährt wurde, obwohl sie nicht vorbestraft waren.
Staatsanwaltschaft, Polizei und Politik brauchen unbedingt Schuldige, um ein Exempel zu statuieren – egal, ob die Vorwürfe im Nachhinein haltbar sind oder nicht. Um die juristische Aufklärung im Rahmen eines fairen Verfahren geht es der Justiz dabei nicht, sondern um die Deutungshoheit in einer politischen Debatte. (…)
In den letzten Nächten haben wir symbolisch auf den Solidaritätsaufruf für Anarchist*innen geantwortet, die nach dem Aufstand gegen den G20 Gipfel in Haft sind.
Wir klebten an die dreißig Aufkleber an Fahrzeuge und Polizeiwachen der Zivilpolizei. Auf dem brasilianischen Gebiet ist diese im hohen Maße dafür verantwortlich, die Menschenlager auszurüsten, die sie als Gefängnisse bezeichnen.
Selbst, wenn diese Aufkleber dort nicht lange bleiben, wissen wir, dass unsere Botschaft in den Köpfen dieses Gewürms hängen bleiben wird. Vor allem wollen wir “Flagge zeigen”, dass wir kurz davor sind, unsere nächste Offensive zu planen.
Einige Eindrücke von der Solidemo der Anarchistischen Bewegung Warschau für die in Hamburg inhaftierten Aktivist*innen. Die Demo fand am Montag, den 7.8. vor der Deutschen Botschaft in der polnischen Hauptstadt statt.