Herrschaft, Staatlichkeit, Religion – generell Macht über Andere in allen Spielarten und Abstufungen – trägt fast alles menschgemachte Übel (auch in allen Spielarten und Abstufungen) in sich: Rassismus, Krieg, Sexismus, Ausbeutung, Unterdrückung, Vernichtung, Umweltzerstörung … Das sind keine Auswüchse, sie sind immanent.
Sich diesem Übel und auch seinen Verlockungen zu entziehen ist schwer. Das Spektakel hat auf der Zuckerbrot-Seite viel im Köcher: von Privatfernsehen über Prostitution bis hin zu Ballerspielen–- für Jede und Jeden ist alles Vorstell- und auch schwer Vorstellbare dabei. Für die im Gesamtmaßstab überschaubare Bevölkerung der sogenannten westlichen Welt ist das Angebot, sich im Kapitalismus ein erfüllendes Plätzchen zu suchen, unendlich.
Falls die Moral, ob des schlechten Zustandes dieser Welt, dann doch ein wenig zuckt, haben wir die Option mitzureden. Sogenannte “linke“ Parteien, NGOs, arbeitgeberverstehende Gewerkschaften haben ihre Türen für diejenigen sperrangelweit aufgerissen, die den realexistierenden Spätkapitalismus mitgestalten möchten. Hinter den offenen Türen warten Parteibücher, viel Kosmetik, idiotische Luftballons, Sonnenblumen, Wahlkabinen und diverse Unterschriftenlisten auf uns. Die durchsetzungsfähigsten Mitgestalter*innen lassen sich dann richtig wild in Turnschuhen vereidigen oder sie tragen auf Treffen mit anderen Ministern – Achtung! – keinen Schlips. Zuhause angekommen. Absehbar, dass das Mitgestalten in Innenministerien, Posten in der Justiz, Verteidigungsministerien etc. mündet. Mitgestaltenwollen ist der direkte Switch vom Protest zum Problem, der kürzeste Weg in die Hölle der Mitte der Gesellschaft.
Die, die ohne Umwege über gute Vorschläge ein Land, einen Kontinent oder gleich die ganze Welt übernehmen befreien wollen, sehen wir zum Beispiel auf der ein oder anderen “revolutionären“ 1. Mai-Demo. Blöckchen mit Fans totalitären Sozialismusses’ und ihrer Führer. Na klar, dass die verbliebenen Reste dessen, was da mal “realexistierender Sozialismus“ genannt wurde, nicht der wahre Sozialismus war und mit der roten Knute ließe sich der Laden wieder auf Spur bringen. Sicher.
Für unsere historischen Vorgängerinnen und Vorgänger war ein Programm mit einem wesentlichen Kapitel über eine zu erkämpfende Diktatur, selbst wenn es die des Proletariats sein sollte, bereits suspekt und es endete für viele mit Knast, Verbannung und Hinrichtung. Da die Geschichte des Anarchismus dicke Bücher mit derlei Erfahrungen füllt, braucht es wohl keinen extra Hinweis, dass wir eine Zusammenarbeit mit Parteikommunisten/autoritären “Sozialist*innen“, in welcher Form auch immer, ablehnen. Wir werden diesen Teil der Geschichte nicht wiederholen. Den anscheinend immer noch existierenden Anarchistinnen und Anarchisten, die da meinen, es gäbe mit autoritären Sozialist*innen oder Parteikommunist*innen irgendwelche gemeinsamen Ziele, die sich mit Bündnissen, Bündelungen der Kräfte oder was auch immer erreichen lassen, denen sei das Studium der oben genannten dicken Bücher empfohlen. Die Bibliothek dieser Bücher ist, allzu gerne vergessen, international bestückt: Bände aus Spanien, Kuba, diverse aus der Sowjetunion, der DDR, der BRD usw..
Vielleicht noch in aller Kürze was zu den realexistierenden/realvergangenen sozialistischen Staaten:
Zu einem sind/waren sie tatsächlich gut. Ein besserer Beweis dafür, dass Mächtige für idiotisches wie mörderisches Wachstum, “nationale Interessen“ oder wohin auch immer gehenden “Fortschritt“, wörtlich über Leichen gehen, dürfte schwer zu finden sein. Der Unterschied zum kapitalistischen Entwurf ist homöopathisch, eventuell sind die, die vor Zeiten noch Diktaturen des Proletariats befehligten sogar noch effizienter. Staaten und deren Champions League – Diktaturen – sind Ausdruck des nie endend wollenden Bestrebens nach größtmöglicher Effizienz in Sachen Ausbeutung und der damit einhergehenden Verwüstung von Geist, Bildung, Natur, Liebe und Freiheit. Sie nennen es das Glück, welches jede und jeder selber schmieden kann. Wir nennen es alle gegen alle.
Gut. Wir können also feststellen, dass so ziemlich alles Schlechte von oben kommt. Und Macht beginnt nicht erst als Staat, sie startet viel früher, im Umgang mit der Natur, im Umgang miteinander, in den Schulen, in den Universitäten, bei der Arbeit, in der Arbeitslosigkeit, im wirtschaftlichen, im sozialen, im wissenschaftlichen. Aber wo geht denn jetzt nun die Sonne der freien Gesellschaft auf?
Wir wissen es nicht. Oder: Wir wissen es nicht genau. Was wir (Stand heute) sagen können, ist, dass es keine Patentlösung gibt, geschweige denn irgendetwas, irgendwann mal abgeschlossen ist und alles paletti sein wird. Anarchismus will die hierarchiefreie, horizontale Welt; niemand oben, niemand unten, keine Spezialist*innen, keine Führer*innen, selber denken, selber handeln, selber organisieren, solidarisch sein. Mit Anlauf in die Fettnäpfchen und schlauer wieder rausklettern, Freundschaft miteinander, Verantwortung füreinander. Der Weg dahin wird kein Ende haben, im Gegenteil, es gilt mit allem zu rechnen, was die unendliche Wanderung so auf der Pfanne hat … scharfe Kurven, glitschige Straßen, staubtrockene Pisten, Serpentinen rauf, Serpentinen runter, Schlammlawinen und vor allem höllischer Gegenverkehr.
Was Letzteren angeht, so sagen wir hier stark verkürzt und Ausführlicheres ankündigend, dass wir kein Mittel der politischen Auseinandersetzung ausschließen, ergo uns auf nichts festlegen lassen werden. Die anarchistische Bewegung bekam und bekommt sich chronisch darüber in die Wolle, was nun der richtige Ansatz wäre, die bestehenden Verhältnisse umzukippen. Wir denken, dass ein ausschließlich rabiates Agieren – ohne Theorie, Agitation und positive, gelebte Gegenentwürfe (!) – scheitern wird – und umgekehrt genauso. Auf der Straße finden sich eben nicht alle Antworten, genauso wenig wie auf dem antiautoritären Bauernhof. Wir halten es mit dem bunten, sich durch die Jahrhunderte erfreulich erweiternden Sträußchen der B‘s: Bambule, Boykotte, Bengalos, Bankenbesuche, Blumenzucht, Besetzungen (Bahnlinien, Bäume, Buden), bezahlbares Bio-Food, Blockaden, bewaffnete Beschwerden, Buchläden, Bildung, Bibliotheken, Blöcke (schwarz), Bullen beleidigen und gegebenenfalls auch brennende Bemerkungen.
In diesem Sinne!
Anarchistische Initiative, April 2017
Das vorläufige Programm
Das Programm ist noch nicht vollständig, auch Änderungen können wir nicht ausschließen. Öfter hier reinschauen! Die Vorträge werden möglichst in Deutsch und Englisch gehalten. Falls es noch mehr Leute gibt die andere Sprachen als Flüsterübersetzer*in machen können –gerne!
(Alle Veranstaltungen werden in Hamburg stattfinden.)
Mittwoch, 28.06.
Auftaktveranstaltung
Film „Black Block“
18:00 Uhr
3001 Kino
Schanzenstrasse 75/
S11, S21, S31, und U3, Haltestelle Sternschanze
Donnerstag, 29.06.
Jens Störfried
Postanarchismus/Postanarchism
Vortrag + Diskussion
19:00 Uhr
Barco Liberado
Meiendorfer Straße 47
ab Hbf RB 81 nach Rahlstedt, dann Bus 24 bis Schneehuhnkamp
Freitag, 30.06.
Anarchistische Antirepression: Das Anarchistische Schwarze Kreuz
Vortrag + Diskussion
17:30 Uhr
Cafe Knallhart
Von-Melle-Park 9 (Campus Uni Hamburg)
S11, S21, S31 und R70 Haltestelle Dammtor
Samstag, 01.07
Andreas Blechschmidt: Repressionen im Zusammenhang mit dem Gipfel
Vortrag + Diskussion
15:00 Uhr
Kölibri
Hein-Köllisch-Platz 11
S S1, S2, S3 Haltestelle Reeperbahn
Sonntag, 02.07./Sun. 07.02:
Chrimethink: Widerstand in der Trump-Ära
Vortrag + Diskussion
15:00 Uhr
Centro Sociale
Sternschanze 2
U3, Haltestelle Feldstrasse oder
S11, S21, S31, und U3, Haltestelle Sternschanze
Montag, 03.07:
Rob Evans: Spitzel und Möglichkeiten sie zu enttarnen
Vortrag + Diskussion
19:00 Uhr
Centro Sociale
Sternschanze 2
U3, Haltestelle Feldstrasse/ U3, Stop “Feldstraße“, oder
S11, S21, S31, und U3, Haltestelle Sternschanze
Dienstag, 04.07./Thurs. 07.04.:
Anarchistische Initiative Ljubljana
Die Rolle autonomer Räume in sozialen Kämpfen
Vortrag und Diskussion
Ort wird noch bekanntgegeben
Ach ja:
Während des Gipfels wird es in der Stadt Zonen geben, in denen sich nur sehr eingeschränkt, bzw. gar nicht bewegt werden kann. Wo die Grenzen, insbesondere der so genannten blauen Zone, verlaufen ist noch nicht völlig klar. Gut möglich, dass ein paar Orte an denen unsere Veranstaltungswoche stattfinden wird, in dieser Zone liegen. Wir wissen noch nicht, ab wann die Zonen gelten sollen, es kann aber durchaus sein, dass Veranstaltungen in den eigentlich gedachten Örtlichkeiten nicht stattfinden können, weil Uniformierte im Weg rumlungern und Leute belästigen. Für diesen Fall haben wir uns um Ersatzlokalitäten bemüht, die bekannt gegeben werden, sobald sich abzeichnet, dass die Zone uns direkt betrifft.
Fortbewegung:
Wir denken, dass es am Besten ist, mit dem Fahrrad oder der Bahn unterwegs zu sein. Die Stationen der S und U Bahn in Hamburg haben keine Drehkreuze. Fahrkarten werden per Zufallsprinzip von zivilen Kontrolleur*innen, manchmal auch von der S Bahn Wache kontrolliert. Weniger häufig sind Kontrollen an denen die Eingänge einer Station dichtgemacht werden. Ob sie vor und während des Gipfels mehr, weniger oder vielleicht gar nicht kontrollieren, wir wissen es nicht. Wovon auszugehen ist, ist dass mindestens an Knotenpunkt Haltestellen Polizei rumstehen wird. Beim OSZE Gipfel in 2016 ging das bis weit in die tiefsten Vororte rein. Nicht vergessen: Bahnen, Busse und Bahnhöfe sind videoüberwacht.