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Im Land der Demokratien (eine Broschüre)

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Im Land der Demokratien

„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten
einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty,
„wer die Macht hat – und das ist alles.“

Alice, als etwas naive Idealistin, fragt sich in diesen Tagen, den historisch-etymologischen Diktionär in den Händen, ob es denn wirklich möglich ist, dass das Wort “Terrorismus” eine andere Bedeutung erhält. Humpty Dumpty, als etwas grober Materialist, antwortet ihr, dass, da es der Staat ist, der befielt, und da die Sprache Eigentum von dem ist, der befielt, “Terrorismus” somit genau das bedeutet, was der Staat will. Das ist alles.

In den 70er Jahren gewährte der Staat die Anrede “Terrorist” einem jeden, der ihm das Monopol der Anwendung von Gewalt streitig machte, das heisst, Schusswaffen oder Sprengstoffe einsetzte, vor allem den Beteiligten von kämpfenden spezifischen Organisationen, vor allem, wenn jene Organisationen Ausdruck einer breiteren Protestbewegung waren, vor allem, wenn dieser Protest darauf abzielte, in einer Revolution zu münden. “Terrorist” war für den Staat vor allem derjenige, der ihn mit bewaffneter Hand angriff.

Heute, da die spezifischen bewaffneten Organisationen fast vollständig verschwunden sind, da die subversiven Arsenale trostlos leer sind, da die Protestbewegungen selten beträchtliche Dimensionen annehmen, da sie (fast) nie die revolutionäre Frage stellen, würde Alice daraus folgern, dass der Staat auf den Gebrauch von diesem Begriff verzichtet hat, ihn, abgesehen von vereinzelten Fällen, für unverständlich haltend. Bereits die Definition von “Terrorist”, die an jene gerichtet war, die Gendarmen und Richter ins Visier nahmen, anstatt an jene, die Massaker an Pendlern und Passanten verübten, war unausstehlich für sie, aber schliesslich… ihr wisst ja wie die Leute sind, wenn sie Blutvergiessen sehen, kriegen sie Angst und geraten durcheinander. Man muss annehmen, dass es schliesslich nicht allzu schwierig für die Propaganda war, die Leute in das Missverständnis fallen zu lassen, den Königsmord zu dämonisieren, und nicht den Tyrannen. Aber heute, komm, nachdem man in den letzten Jahrzehnten einem so traurigen Rückgang von institutionellen Begräbnissen beigewohnt hat, machen wir Schluss mit dem Schreckgespenst des “Terrorismus”!

Aber nein. In dieser Zeit, die so ohne glaubwürdige “äussere Feinde” ist, aber der es gleichzeitig an soliden Konsensen ermangelt, wo rund herum niemand mehr übrig ist, um ihm zu applaudieren, hat es der Staat für gut befunden, vorzeitig zu spielen und nicht auf das Auftauchen von irgendeiner subversiven Bedrohung zu warten, um die Kriegsmaschine der anti-terroristischen Rhetorik aufbieten zu können: lieber zuvorkommen als niederzuschlagen. Aber wem zuvorkommen, von was zu tun? Wie ein tiefer Kenner der Kunst des Regierens behauptete, « während die Individuen, angetrieben von ihren Egoismen, zum sozialen Atonismus neigen, stellt der Staat eine Organisation und eine Begrenzung dar. Das Individuum neigt dazu, ständig zu entfliehen. Es neigt dazu, den Gesetzen nicht zu gehorchen, die Steuern nicht zu bezahlen, den Krieg nicht zu führen. Es gibt wenige – Helden und Heilige –, die das eigene Ich auf dem Altar des Staates aufopfern. Alle anderen befinden sich in potenziellem Zustand der Revolte gegen den Staat. »

Soll dies der Grund sein, weshalb der Staat sich die Erlaubnis genommen hat, jeden als “Terroristen” zu definieren, der ihn kritisiert, der ihn anficht, der sich ihm entgegenstellt, ohne allzu viele Unterscheidungen zwischen der Bedeutung der Worte und der Natur der Tatsachen zu machen? Aufgrund der Tatsache, dass, abgesehen von den anzubetenden Heiligen und den zu zierenden Helden, alle anderen potenzielle Rebellen sind?

„Aber das macht keinen Sinn!“. Gewiss nicht, liebe Alice, aber halte dir stets bewusst, wer befielt. Das ist alles.

Wie es begann
2001 ist ein Jahr, das, aufgrund der Wende, die es markiert hat, schwer zu vergessen sein wird. Und sei es nur, weil die Ereignisse von jenem Sommer, in der Spanne von wenigen Wochen, dazu beigetragen haben, das alltägliche Leben von Millionen von Leuten zu verändern. Nach den hitzigen Tagen von Ende Juli in Genua, als die Demonstrationen gegen den regelmässigen Gipfel der Grossen der Erde von einer generalisierten Prügelorgie in Blut getränkt worden sind, hat man einen zweiten Septembermittwoch gehabt, der das unglaublichste Attentat gegen Orte der wirtschaftlichen und militärischen Herrschaft gesehen hat, das jemals auf dem Boden der Vereinigten Staaten erfolgt ist. Auf der einen Seite von sozialen und radikalen Bewegungen theoretisch und praktisch kritisiert, auf der anderen von integralistischen Gruppen militärisch angegriffen, ist es nicht überraschend, dass die westlichen Regierungen in ihrer Gesamtheit beschlossen haben, Hand an ihre gesetzlichen Formalismen anzulegen und sie zu modifizieren, um ihre Gegner leichter neutralisieren zu können.

Von Ende 2001 bis heute haben wir in vielen Ländern einem Anwachsen der repressiven Gesetze beigewohnt, einer regelrechten Restrukturierung im Bereich des Rechts, imstande, wenn nicht den Frieden auf den Märkten, so zumindest die Ruhe auf den Strassen zu garantieren. Wenn die Bedrohung des “Terrorismus” das bevorzugte Schreckgespenst bleibt, womit eine immer durchdringendere Kontrolle des sozialen Lebens, sowie eine unaufhörliche Begrenzung der individuellen Freiheit gerechtfertigt werden kann, so stellt sie dennoch nicht das einzige Instrument dar. Egal, was die Motivation ist, die zu ihrer Umsetzung angewandt wird, es zeigt sich deutlich, dass die unterschiedlichen legislativen Vorkehrungen dazu tendieren, sich nicht bloss an eine einzige allgemeine Direktive zu halten, sondern in jedem Bereich eingesetzt zu werden, der für sensibel gehalten wird. Die administrative Blockierung von Internetseiten, beispielsweise, hat mit dem Kampf gegen “Pädopornographie” begonnen, aber wird bald überall auf den “anti-terroristischen” ausgeweitet werden. Die spezifischen Sicherheitsmassnahmen, die ergriffen wurden, beschränken sich ihrerseits nicht darauf, einer Sorte von Verbrechen zuvorzukommen (der jüngste Kauf durch das französische Eisenbahnwesens von zahlreichen, entlang der Gleise zu verteilenden Drohnen wird zwar, wie offiziell deklariert, darauf ausgerichtet sein, eventuelle Kupferkabeldiebstähle abzuwenden, aber wird sich zweifellos auch zur Prävention von Sabotagen als nützlich erweisen). Und so weiter und so fort.

Nun, so interessant es auch sein mag, es macht hier nicht viel Sinn, ein Inventar der verschiedenen Massnahmen aufzulisten, die in Europa im Bereich des Kampfes gegen den Terrorismus ergriffen worden sind. Auch, weil wir, von der Inkriminierung einiger italienischer Basissyndikalisten 2001, schuldig, nicht versucht zu haben, den Black Block aufzuhalten, über die Anklageerhebung gegen ein englisches Erwachsenenpaar 2007, die in Besitz von Büchern mit anarchistischen Rezepten gefunden worden sind, bis schliesslich zur Verurteilung zu 7 Jahren Haft eines französischen Islamisten 2014, der von einem kurzen Aufenthalt in Syrien zurückgekehrt ist – nur um ein paar einzelne Beispiele zu nennen –, Gefahr laufen würden, uns in einem Labyrinth zu verlieren, dessen Zweck es wäre, uns alle in Richtung des einzigen Auswegs zu treiben: ein unumgänglicher blinder und passiver Gehorsam. Es scheint uns interessanter, uns anzustrengen, um zu verstehen, was in den Köpfen der Verteidiger der sozialen Ordnung schwirrt, und im Gegenlicht aus ihnen die grössten Sorgen herauszulesen. Continue reading Im Land der Demokratien (eine Broschüre)

Weder schuldig, noch unschuldig: Briefe von aufständischen Gefährten, die in Mexiko eingesperrt sind (eine Broschüre)

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übersetzt aus dem Englischen, Herbst 2014

Gegen die Stadt der Reichen (PDF)

Gegen die Stadt der ReichenDieses Phamphlet hat für einen ziemlichen Skandal gesorgt. Herausgekommen ist es zwei Wochen nach den Krawallen in Zürich am 12. Dezember 2014 die aus einer RTS-/ACAB-Party hervorgingen, und 7 verletzte Bullen, hunderte zerstörte Schaufenster, brennende Autos u.ä. hinterliess. Es wurde in etlichen Briefkästen in der Stadt verteilt (Auflage 10’000) und wurde von den Medien als “Communique der Organisatoren” und ähnliches betitelt, was offensichtlich Schwachsinn ist. Ebendiese Medien waren sich nicht zu Schade zur Denunziation der “Herausgeber” aufzurufen. Auch setzten sie Kautionen auf Leute, die Bengalos auf die Bullen (bzw. in ihr Auto und ihre Station!) geschmissen haben aus.

Die Spuren der Krawalle von letztem Dezember sind heute noch zu sehen. An der Europaallee sind noch etliche Scheiben kaputt, da es sich um Spezialanfertigungen handelt, die sich nicht so leicht ersetzen lassen. Stimmen, die diese Revolte verteidigen gibt es kaum, da sie die beschränkten Bahnen der Politik verlassen hat und zum Angriff überging. Die Linken schaffen es nicht sie für sich auszubeuten, und so bleibt sie, wie auch im Text geschrieben wurde “Nur ein Beispiel davon was möglich ist – und noch wäre…”

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Grenzenlos nr. 3, anarchistische Zeitschrift

Vor Kurzem ist die 3. Ausgabe der anarchistischen Zeitschrift “Grenzenlos” erschienen. Nachfolgend das Editorial und das Inhaltsverzeichnis der aktuellen Ausgabe. Die Zeitschrift kann per Mail über “grenzenlos-zeitschrift [at] riseup [.] net” oder per Post über “Grenzenlos c/o Anarchistische Bibliothek FERMENTO, Rosengartenstr. 10, 8037 Zürich” bestellt werden.

„Grenzenlos“, Anarchistische Zeitschrift, Ausgabe Nr. 3, Zürich, Oktober 2014
Format: 76 Seiten, A4

EDITORIAL

Doch noch eine dritte Ausgabe der Grenzenlos. Es hat lange gedauert. Die Gründe dafür sind viele. Sicherlich nicht die Untätigkeit. Einer der Hauptgründe war vielmehr die Unentschlossenheit über Form und Funktion, die diese Zeitschrift annehmen soll. Der Spagat zwischen Revue und Agitationszeitung, der Versuch, einerseits eine theoretische Vertiefung der hiesigen und internationalen Debatten unter Anarchisten und andererseits aktuelle Dokumente und Informationen zu spezifischen Kämpfen sowie der sozialen Konfliktualität im Allgemeinen zusammenzutragen, zeigte sich immer schwieriger in einer einzigen Zeitschrift tragbar. Es drängte sich eine Entscheidung auf. Wie bereits in der ersten Ausgabe angemerkt, « wird diese Zeitschrift in Form, Umfang und Schwerpunkten variieren und sich ihren Platz fortwährend suchen ». Aber in welche Richtung? Bereits in der letzten Ausgabe zeigte sich die Tendenz, den Anspruch einer Dokumentation der Kämpfe und Konflikte, in ihren chronologischen Begebenheiten, zu vernachlässigen, um mehr den theoretischen Vertiefungen Platz zu geben, die daran gebunden sind. Nicht nur, weil die mangelnde Periodizität und somit Aktualität von dieser Zeitschrift den Sinn einer solchen informativen Arbeit, offensichtlicherweise, fraglich macht, sondern auch, weil wir der Ansicht sind, dass die Erfordernis, die wir um uns spüren, um voranzukommen, eine andere ist. Nicht schlicht die Information. Im Gegenteil, die Übersättigung mit Informationen, meistens knapp, verzerrt und abgeflacht, mit geringer inhaltlicher Auseinandersetzung und Kontextualisierung, wie sie in unserem Zeitalter durch die allgegenwärtigen Kommunikationstechnologien besorgt wird, trägt oft eher dazu bei, jenen grundlegenden Punkt zu überschütten, von dem es auszugehen gilt: dass es keinen äusseren Mechanismus gibt, der an unserer Stelle wirkt, den es bloss zu verfolgen und abzuwarten gilt, dass wir es sind, die ein Projekt aufbauen müssen, ohne uns in der Virtualität der Informationen oder im Rausch des Tuns zu verlieren, dass wir es sind, die eine Brücke zwischen der uns umgebenden Realität und der freiheitlichen Zukunft aufbauen müssen, die wir uns wünschen. Und dazu reicht keine blosse Informiertheit über Ereignisse und Begebenheiten, sondern brauchen wir Ideen und Analysen. Ideen, welche die Methodologie bestimmen, wie wir, als Anarchisten, in die Realität des sozialen Konfliktes intervenieren, und die nicht blosse Intuitionen bleiben können, sondern ein Fundament brauchen, um darauf bauen zu können, um sie auch einer gewissen Belastung unterstellen zu können. Analysen, die es uns erlauben, die Realität besser zu verstehen, die Bewegungen und Entwicklungen des Feindes (des Staates, des Kapitals, ihrer repressiven, produktiven und konsensbeschaffenden Strukturen) zu erkennen, und die sozialen Spannungen ausfindig zu machen, um, unsererseits, die Initiative zu ergreifen und anzugreifen. Und in diese Richtung gibt es, mit Sicherheit, noch viel Arbeit zu tun. Die verschiedenen internationalistischen Initiativen, die in den letzten Jahren aufkamen, können dazu, unserer Ansicht nach, sehr hilfreich sein.

Projektualität

Wenn in dem vergangenen Jahr, hier in Zürich, Vorträge und Diskussionen über die Ideen und Aktionen von Anarchisten wie Severino Di Giovanni, Francisco Sabaté und Albert Libertad gehalten wurden, so war das, scheinbar, weil es in diesen Anarchisten, wie in vielen anderen, etwas gibt, das sie gemeinsam haben, etwas, das unser Interesse weckt.

Severino Di Giovanni, ein ungestümer Mann der Aktion, Autor zahlreicher Enteignungen von Kapitalisten und Anschläge gegen die Verantwortlichen der Unterdrückung, aber auch einer anarchistischen Zeitung, “Culmine”, die er herausgab, worin er seine Ideen ausdrückte und Analysen des südamerikanischen Kontexts entwickelte, in dem er mit seinen Gefährten agierte, stets auf der Suche nach den Punkten, worauf es zu pressen gilt, um die Ausgebeuteten zu einem generalisierten Aufstand anzutreiben, ein Mann von ebenso grossem Durst nach Aktion wie nach Bildung, selbst bereit, seine Freiheit zu riskieren, um, obwohl er überall gesucht wurde, persönlich die Matrizen für ein Buch von Éliée Reclus abzuholen, das er mit seinem Verlag zu drucken beabsichtigte, was schliesslich zu seiner Verhaftung führte.

Dann Francisco Sabaté, ein unermüdlicher Rebell, von den Aufständen von 1933 gegen die Spanische Republik, durch den Verlauf des Bürgerkrieges, bis hinein ins Franco-Regime, wogegen er ununterbrochen weiterkämpfte, während er mit Aktionen wie aus einem Taxi über den Paraden abgeschossenen Flugblättern genauso wie mit bewaffneten Angriffen versuchte, die Leute zur Auflehnung zu ermutigen, jemand, der mit seinen Enteignungen der anarchistischen Bewegung einen beträchtlichen Anteil an finanziellen Mitteln verschaffte, ungeachtet der Missachtung und des Argwohns, den die Führer der vorherrschenden anarchistischen Organisation, der CNT, für ihn übrig hatten, da seine Aktionen, die keine Kompromisse akzeptierten, ihrem opportunistischen Paktieren im Wege standen.

Und schliesslich Albert Libertad, ein feuriger Agitator, der kein Blatt vor den Mund nahm und mit seinen Ideen in Versammlungen aller Art intervenierte, Herausgeber der anarchistischen Wochenzeitung “L’Anarchie”, mit einem journalistischen und literarischen Talent, das sich in der Geschichte der anarchistischen Propaganda kaum zweimal finden lässt, Initiator der “Causeries Populaires”, öffentliche Debattieranlässe, die sich im Paris des anbrechenden 19. Jahrhunderts rasch weiterverbreiteten und rege Beteiligung fanden, und gleichzeitig ein Förderer der Revolte, der Dringlichkeit des Angriffs, der, trotz seiner Krücken, nicht zögerte, mit seinen Gefährten einem Streik der Arbeiter bewaffnet zur Seite zu stehen, als dieser begann, aufständische Charakteristiken anzunehmen.

Nun, was ist es also, was diese Menschen, so unterschiedlich in ihrer persönlichen, sozialen und zeitlichen Realität, miteinander gemeinsam haben? Eine ununterbrochene Wechselwirkung zwischen Gedanken und Aktion, Theorie und Praxis, der Entwicklung und Vertiefung von Ideen und Analysen und der praktischen Realisierungen von Kampfprojekten und Angriffen. Kurz: eine revolutionäre Totalität, die alles miteinschliesst, und die einheitlich darauf ausgerichtet ist, ausgehend von wo auch immer man sich befindet, zur Kreierung jener aufständischen Bewegungen beizutragen, die der unumgängliche Weg zur Anarchie sind. Ihre Tätigkeiten, von den gedruckten Schriften bis zu den bewaffneten Aktionen, von der theoretischen Ausarbeitung bis zur Beschaffung von Mitteln, geschahen nicht als separate Tatsachen, sondern als Bausteine ihrer eigenen revolutionären Projektualität.

Eben dieser Sinn für eine revolutionäre Projektualität ist etwas, das heute oft selten geworden ist, und das wir unbedingt zurückerlangen müssen, wenn wir nicht in der Folklore der Geschichte verschwinden wollen. Wenn wir eine treibende Kraft in den gegenwärtigen und kommenden Konflikten sein wollen.

Aber die Bedingungen um uns herum haben sich verändert seit der Zeit von Di Giovanni, Sabaté und Libertad, und zwar grundsätzlich. Auch wenn die Methoden, wie wir als Anarchisten kämpfen wollen, dieselben bleiben, so werden die revolutionären Strategien heute anders aussehen müssen. Es ist deshalb unentbehrlich, unsere Bedingungen und die tiefgreifenden Veränderungen, die erfolgt sind, zu analysieren.

Ideen und Mittel

Um überhaupt so etwas wie eine Projektualität entwickeln zu können, brauchen wir also grundsätzlich zwei Dinge: Ideen und Mittel. Wenn wir die anarchistische Bewegung von heute mit jener zur Zeit der obengenannten Gefährten vergleichen, ist der Verlust an kulturellen und praktischen Grundlagen unübersehbar. Korrespondenzen, Zeitungen und Bücher sind selten geworden, viel technisches Wissen ist abhanden gekommen. Analysen sind oft inhaltsarm, Angriffe oft platonisch. Eine Tendenz, die nicht losgelöst von den Veränderungen betrachtet werden kann, die auf gesellschaftlicher Ebene erfolgt sind. In diesem Sinne ist es “normal”, dass sich die allgemeine kulturelle und sprachliche Verarmung, die Entwicklung einer flexiblen, demokratischen Mentalität und die Produktion von sozialem Frieden auch in der anarchistischen Bewegung widerspiegeln. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass wir eben dieser Tendenz entgegenwirken müssen, wenn wir aus unserer selbstgemachten Marginalisierung ausbrechen wollen. Dass wir uns anstrengen müssen, diese kulturellen und praktischen Grundlagen so weit es geht zurückzuerobern, als Waffen im Kampf gegen die Macht, deren man uns berauben will. Ansonsten könnten wir schneller, als wir es erwarten, von Ereignissen überrollt werden, die uns verständnislos und entwaffnet dastehen sehen…

INHALTSVERZEICHNIS

– Editorial
– Zur Analyse der Situation in der Schweiz
– Revolutionäre Perspektiven
– Ansatzpunkte für einen Diskussionszyklus
– Sitzen wir alle im selben Boot?
– PJZ Niemals!
– Die revolutionäre Frage
– Der Bau des PJZ kann verhindert werden
– Gefangene der Geschichte
– Vortrag
– Notizen zum Kampf gegen das PJZ

– Insurrektionismus oder Evolutionismus?
– Historische Entwicklung des anarchistischen Insurrektionalismus
– Neue Wenden des Kapitalismus
– Ein spezifischer Organisationsvorschlag
– Organisationsdokument der selbstverwalteten Ligen
– Ein Massenembryo
– Selbstverwaltung als anarchistische Kampfmethode
– Kurze Klarstellung über unsere Weise, den aufständischen Kampf anzugehen

Internationales anarchistisches Treffen in Zürich vom November 2012

– Neue Realitäten, alte Verlangen
– Über die Kommunikation
– Etwas, das fehlt
– Barbarenbeitrag
– Einige Schritte auf dem Terrain der Informalität

– Redebeiträge am Treffen von Velletri
– Das Unvorhergesehene
– Ja, der Reichstag brennt
– Buchrezension: Über den Terrorismus und den Staat
– Wenn das Vorurteil zur Gewissheit wird
– Vierzig

Neue anarchistische Zeitschrift: „Die Erstürmung des Horizonts“

Die erste Ausgabe der Zeitschrift „Die Erstürmung des Horizonts – Anarchistisches Instrument zum Schüren von Diskussion, Affinität und Feinschaft“ ist erschienen (November 2014).

Die Zeitschrift kann man über dedh(ät)riseup.net beziehen.

INHALTSVERZEICHNIS:

Im Rauch des Feuers
Die Freiheit
Verstreute Gedanken über Utopie, Selbstverwaltung und die
Feindseligkeit gegenüber dem Bestehenden
Warum ich kein Kommunist bin

Dossier „Bruch mit der Linken“:
Einleitende Worte
Angst vor dem Konflikt
Die Kunst der Politik oder: was ist links?
Post-linke Anarchie
Der Essentialismus und das Problem der Identitätspolitik
Die Politik aus unseren Kämpfen verbannen
Politik oder Ehtik

Die Initiative
Das geringere Übel

EDITORIAL:

Diese Zeitschrift soll mit der Notwendigkeit drängen, dem heutigen Anarchismus und einer anarchistischen Perspektive Leben einzuhauchen, um nicht vergeblich im Nebel der Macht und in Gefolgschaft ihrer Hirten, Schafe und Schäferhunde herum zu irren. Mit der Notwendigkeit drängen, eine Perspektive zu verlassen, aus der kein Horizont ersichtlich ist, sondern nur das Bestehende und derlei Fata Morganas, die sich als Horizont tarnen. Durch eine Vertiefung unserer Ideen, unserer Methoden und der Subversion des Existierenden kann sich der Nebel vor unseren Augen lichten und ein Horizont – das Unmögliche – sichtbar werden. Die Fatalisten und Resignierten lehren uns auf ein Zeichen, einen Startschuss oder „reifere Zeiten“ zu warten, doch sich zum Horizont zu bewegen, heißt diesen entgegen aller Widrigkeiten zu erstürmen. Der Horizont kann kein zu erreichendes Ziel oder auf uns wartendes Paradies sein, denn was heute der Horizont ist, kann schon morgen der Boden unter unseren Füßen sein und der Horizont, falls wir ihn erblicken, in ebenso weiter Ferne liegen. Die Erstürmung des Horizonts kann keine Suche nach Beständigkeit, keine Suche nach fixen Startpunkten sein, denn wenn wir uns auf das Terrain des sozialen Krieges begeben, ist jeder Moment ein Startpunkt und so lässt die Erstürmung keine Zeit für das Pflastern von sicheren Wegen und die Errichtung von neuen Mächten.

Wenn Theorie und Praxis für uns als Anarchisten keine getrennten Sphären sind, bedeutet das erste, das zweite zu reflektieren, zu überlegen, wie wir da hin kamen, wo wir heute sind, sich Orientierung zu verschaffen und eine Bewegung und Navigation zu ermöglichen, indem wir überlegen, wohin wir wollen und welche Mittel für diesen Weg angemessen erscheinen. All das ist wertlos, wenn wir es nicht praktizieren und anhand der uns umgebenden konkreten Gegebenheiten versuchen herauszufinden, welche Projekte und Koordination uns hilfreich sind und uns nicht im Kreis führen. Wer die Realität nicht zu verstehen versucht, wer seine Waffen nicht schärft, kann seine eigenen Feindschaften gegenüber dem Bestehenden nicht in die Tat umsetzen. Unzählige Programme, abgepackte Revolutionstheorien und Einheitsfronten werden denen angeboten, die bereit sind, immer die einfachste Lösung zu wählen. Ein Anarchismus, wie wir ihn verstehen, muss zur Vertiefung von Theorie und Praxis den dafür notwendigen Raum für Kommunikation eröffnen und so entsteht diese Zeitschrift auch aus einem in unseren Augen existenten Mangel an Kommunikation und Kommunikationsmöglichkeiten, die in die alltägliche Realität und täglichen Kämpfe eingreifen wollen und sich so auch aus der Realität, und nicht realitätsfernen Theorien, speisen. Das Schüren von Diskussionen wird so unabdingbar, da es gerade an eintönigen Monologen und auf dem Silbertablett gelieferten Meinungen nicht mangelt. Diskussionen, nicht nur um Theorie und Praxis zu vertiefen, sondern auch um mögliche Affinitäten und Feindschaften auszumachen und zu intensivieren. Wer nicht sieht, wer mögliche Komplizen und wer potentielle Feinde sind, ist unfähig zu agieren, und wer nicht weiß, was einen verbindet oder trennt, muss immer von Null anfangen. Doch genauso, wie unsere Wege nicht geradlinig sind, sind Affinität und Feindschaft keine konservierten Kategorien, die sowohl hinterfragt als auch gepflegt werden müssen. Provokationen können dabei sehr wohl als Mittel wirksam sein, da sie jenseits von vorsichtiger Höflichkeit und Zurückhaltung Polarisierungen erzeugen, die uns Eindrücke geben, wie es tatsächlich um Nähen und Differenzen beschert ist.

Die Erstürmung des Horizonts ist ein anarchistischen Instrument, das wir als Individuen wählen, um zu versuchen, Anstöße in diese Richtung zu geben. So sind auch die Texte in dieser Zeitschrift zu verstehen. Sie spiegeln nicht unsere einheitliche Meinung wieder (da es diese auch nicht gibt und geben kann), repräsentieren nichts und niemanden und stehen nicht stellvertretend für irgendetwas. Genauso wenig soll diese Zeitschrift als zentralistisches Organ oder als Sprachrohr des Anarchismus oder eines bestimmten Diskurses verstanden werden. Auf diesen Seiten geben wir allen die Möglichkeit, die sich den hier artikulierten unterschiedlichen Ideen nahe sehen, Beiträge (eigene Texte, Rezensionen, Reaktionen, Kommentare, etc.) zu veröffentlichen – um Raum für Diskussionen und Kontroversen zu öffnen. Die Erstürmung des Horizonts ist hierbei ein anarchistisches Instrument, das ein Mittel und kein Zweck an sich ist. Nicht um eine beliebige Ansammlung von Buchstaben zu verbreiten, die ein gewisses Interesse wecken könnten, sondern um ein Instrument zu schmieden, das wir im deutschsprachigen Raum vergeblich suchten, vermissten und als notwendig erachten, um dazu beizutragen, dem Anarchismus auf diesen Territorien die abgestumpften Zähne zu schleifen.

Die Erstürmung des Horizonts

[Griechische Gefängnisse] Nikos Romanos: Befreiende Reisen des Angriffs

Der folgende Text ist vorgesehen als Fortsetzung eines Dialogs über die Werkzeuge des anarchistischen Aufstands und der Art und Weise, uns zu organisieren; ein Dialog, der während einer internationalen Begegnung von Anarchistinnen und Anarchisten irgendwo auf dem Land in Frankreich begann und jetzt von einer griechischen Gefängniszelle aus fortgeführt wird.

Die hier geäußerten Meinungen sind meine persönlichen Ansichten, es sollte also klar sein, dass sie eine besondere Position zu dem Thema vertreten. Dennoch ist nicht gewünscht, eine Position über alle anderen zu stellen. Worauf es ankommt, ist wie die verschiedenen und doch komplementären Sichtweisen miteinander kommunizieren und interagieren. Angesichts eines Feindes, der in Bezug auf den Gebrauch und die Vielfalt der Mittel und Formen des Angriffs sehr flexibel ist, versteht sich die Vielfältigkeit der Überlegungen und Praktiken auf anarchistischer Seite von selbst. Wobei verschiedene Perspektiven nicht dogmatisch vorangebracht werden können, sondern basierend auf der Grundlage des vielgestaltigen Angriffs.

Zuerst müssen wir über das eigentliche Konzept der Organisation sprechen, ein Wort, das in anarchistischen Kreisen recht oft missverstanden wird.

Wir haben es mit einem Feind zu tun, der komplexe und komplizierte Funktionen hat. Eine der wesentlichen Merkmale, die diesen Feind Macht verleihen, ist die konstante Hervorbringung und Organisierung der sozialen Paranoia, die wir heute erfahren; eine technologische, militärische, architektonische, zivile, industrielle, ökonomische, wissenschaftliche Organisierung. Jeder Aspekt dieser Welt wird organisiert, wobei jegliche Unvollkommenheit permanent durch ein intelligentes System korrigiert wird, das eine große Zahl von Dienern hat.

Angesichts dieser Bedingungen sind diejenigen gelinde gesagt naiv, die glauben, es gebe die Möglichkeit zu kämpfen, ohne sich zu organisieren.

„wenn die bullen 1972 mit 150 000 mann die totale mobilmachung für die fahndung gegen die raf gemacht haben, die volksfahndung übers fernsehen, einschaltung des bundeskanzlers, zentralisierung der gesamten polizeimacht beim bundeskriminalamt – dann waren damit zu diesem zeitpunkt durch eine zahlenmäßig kleine gruppe von revolutionären schon alle materiellen und personellen kräfte dieses staates im einsatz; es wurde materiell sichtbar, daß das gewaltmonopol des staats begrenzt ist, seine kräfte erschöpfbar, daß der imperialismus taktisch ein menschenfressendes ungeheuer, daß er strategisch ein papiertiger ist. es wurde materiell sichtbar, daß es an uns liegt, wenn die unterdrückung bleibt, und ebenfalls an uns, wenn sie zerbrochen wird“ (Ulrike Meinhof)

Wir können also sagen, dass alle diejenigen, die sich nicht organisieren, zu einer harmlosen Gruppierung werden, die früher oder später von den entfremdenden Mechanismen des Bestehenden einverleibt werden. Sie verlieren die kämpferischen Eigenschaften, die sie gefährlich für den Feind machen und infolgedessen vom Feld des antagonistischen Kampfes abgeschoben werden.

Im umgekehrten Fall wird jede und jeder, der oder die sich entschieden hat, dieses System zu bekämpfen, notwendigerweise ihren oder seinen Hass organisieren müssen, um effektiv und gefährlich zu sein. Somit beginnt die Diskussion über die Art und Weise unserer Selbstorganisation, die Eigenschaften besitzt, die unseren anarchistischen Werten entsprechen, irgendwo an dieser Stelle.

Das Dilemma besteht dann darin, ob wir uns über eine zentrale anarchistische Organisation als Bezugspunkt für die anarchistische Bewegung organisieren oder in einer dezentralisierten und diffusen Art in anarchistischen Affinitätsgruppen, die sowohl im Hinblick auf Aktion als auch auf kollektive Entscheidungen ihre politische Autonomie behält.

In puncto zentralisierter Organisationsweise werde ich nach allgemeinen und nicht nach spezifischen Gesichtspunkten darüber sprechen, wer sich wie in Griechenland für diese Option entschieden hat.

Wenn ihr es historisch betrachtet, haben diese zwei Organisationsformen immer existiert, aber niemals co-existiert. Im spanischen Bürgerkrieg waren Anarchistinnen und Anarchisten auf der zentralen Ebene organisiert, um gegen die Faschisten zu kämpfen, und so war es auch bei anderen revolutionären Versuchen.

Dasselbe ist der Fall bei den meisten kämpfenden Stadtguerillaorganisationen der letzten Jahrzehnte, die zu neuen Genossinnen und Genossen im Kontext eines bestimmten politischen Projektes Kontakt aufnahmen. Somit strebten sie danach, die Organisation zu stärken und nicht eine bewaffnete Streuung, bei der die Autonomie eines jeden Individuums die Möglichkeit eröffnet, chaotische Fronten des Angriffs zu schaffen.

Dieses Verständnis von Organisationsweisen sollte nicht getrennt von den sozialen und politischen Bedingungen im zeitlichen Kontext betrachtet werden.

Die Kämpfenden jener Zeiten studierten ihre Gegner mit ihren eigenen analytischen Werkzeugen, kämpften für Freiheit und bezahlten den Preis in Form von Morden, hohen Gefängnisstrafen, Folter, Isolationshaft. Jene unter ihnen, die ihre Werte nicht aufgegeben haben, machen ihre eigene kritische Bewertung der Erfahrungen, die sie im Laufe der Jahre gesammelt haben. Erfahrungen, die offensichtlich ein sorgfältiges Studium verdienen; doch wenn wir daran hängenbleiben, sind wir verloren. Worauf es ankommt ist, was wir heute machen, in der Ära in der wir leben.

Für mich sind demnach die zentrale Organisationsform und der revolutionäre Zentralismus Geister, die wir verbannen müssen.

Ein Hinweis darauf ist außerdem die Tatsache, dass all die übriggebliebenen zentralen Anarchistinnen und Anarchisten einfach die glorreichen Kennzeichen dieser Zeiten behalten haben und dabei tief in den Reformismus abgesunken sind. Sie lehnen direkte Aktion und alltägliche Rebellion ab und haben nichts zu schaffen mit allem, was irgendwie mit Kampfbereitschaft verbunden ist. Sie weigern sich, die enormen sozialen und politischen Veränderungen zu verstehen, sie weigern sich, über die Schärfe der zeitgenössischen Unterdrückung, das Voranschreiten der Wissenschaft, die technologische Faschisierung, die Dominanz der Multinationalen zu sprechen. Sie wiederholen nur immer ideologisierte Theorien über den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit und verwenden Begriffe, die vor hundert Jahren gebildet wurden und aus einer anderen Ära des Kapitalismus stammen.

Schlimmer noch, sie weigern sich zu handeln. Sie sind unfähig zu begreifen, dass wenn sie in der glorreichen Vergangenheit leben würden, in deren Erinnerung sie schwelgen, sie nur Komparsen wären, da sie niemals irgendwelche Risiken auf sich nehmen würden.

Nun, was den revolutionären Zentralismus innerhalb Stadtguerillagruppen betrifft, so verstehe ich zwar die Ursachen und Wirkungen hinter einer solchen Entscheidung, stimme jedoch nicht mit ihr überein. Denn ich glaube stattdessen, dass es unser Ziel ist, nicht alle zusammen entsprechend einem gemeinsamen politischen Projekt-Programm zu laufen, sondern unsere Mittel zu zerstreuen und jeder und jedem nahezulegen, ihre und seine eigene Autonomie zu wahren und so zur Schaffung neuer Wahrnehmungsweisen und Möglichkeiten für die Intensivierung polymorpher anarchistischer Aktion beizutragen.

Das ist der Grund, warum ich für die informelle Organisation bin, die ich als qualitativ besser und effektiver betrachte aus Gründen, die ich später erklären werde. Die grundlegende Komponente, welche die informelle Organisation (und nicht nur sie) greifbar macht, ist nichts anderes als die direkte Aktion; sonst wären wir nur ein Haufen Scharlatane mit Dissidentenrhetorik.

Das Allerwichtigste für eine Anarchistin und einen Anarchisten ist die Entscheidung, in Aktion zu treten. Denn damit bricht die Individualität durch die Angst hindurch, die ihr durch die Herrschaft hinsichtlich der Entscheidung für revolutionäre Aktion zugefügt wird. Wenn du in Aktion trittst, überwindest du hemmende Faktoren, die dich in die Passivität treiben. Du nimmst dein Leben in beide Hände und gewinnst die Fähigkeit, mehr oder weniger auf die Umstände, die dein Leben definieren, einzuwirken. Aktionen durchzuführen ist gleichbedeutend damit, unser Leben, das uns gestohlen wurde, zurückzugewinnen und damit die Eigenschaften freier Menschen zu entwickeln, die kämpfen, um ihre Fesseln, ihre sozialen Verträge loszuwerden, tagtäglich, die autoritären Rollen zu beseitigen, die ihnen aufgezwungen wurden, und eine Kultur aufzubauen, welche die Qualität eines neuen Lebens in sich trägt, das Leben anarchistischer Aufständischer, die der zeitgenössischen Welt offene Schnittwunden zufügen.

Nachdem eine solche Entscheidung getroffen ist, kommt das Experimentieren. Anarchistinnen und Anarchisten sollten keine fixierten Positionen haben, sie sind konstant unterwegs. Ohne sich zu bewegen, laufen sie Gefahr, sich durch ideologischen Dogmatismus selbst zu zerstören. Sie hinterfragen Dinge, kritisieren sich selbst und erforschen die kollektive Erfahrung, um sie in den laufenden historischen Kontext einzufügen. Sie legen ihr Herz auf Eis, um Schmerz zu widerstehen, und legen Feuer an die Spuren, die von ihrem vergangenen „ruhigen“ Leben übrig geblieben sind. Von diesem Punkt an ist das, was zählt, der Kampf, aber auch die Rache, denn wer immer Gewalt am eigenen Leib erfahren hat und nicht auf Rache sann, verdient sein oder ihr Leiden.

Lasst uns zurückgehen zum Thema des praktischen Experimentierens, das heißt, Aktion auf verschiedene Arten, viele Methoden und viele Formen.

Ich glaube, dass die Organisation unserer destruktiven Wünsche durch Aktionsnetzwerke von großer Unverwechselbarkeit ausgedrückt werden sollte, in denen jede und jeder die eigenen Worte und Werke lesen, inspiriert werden, reflektieren und an unserer Seite oder gegen uns kämpfen kann. (In kommunikativer Hinsicht) sichtbar zu sein ist Teil unseres Ziels, einen maximalen Grad sozialer Polarisierung zu erreichen, um die Rolle eines und einer jeden in dem autoritären Gebäude klarzustellen und dann von bewaffneter Kritik zu einer Kritik der Waffen überzugehen.

Meiner Meinung nach ist es das Bekennerschreiben, das einer Aktion Bedeutung verleiht. Es führt die Aktion zu deinen gewünschten Zielvorstellungen und erklärt jedem und jeder, die oder der daran interessiert ist, den Teufelskreis der Unterdrückung zu durchbrechen und in die Offensive zu gehen, die Motive und Gründe, die dich dazu gebracht haben, sie durchzuführen. Einfach und klar. In einer Welt der allgemeinen Informationsüberflutung und des Terrorismus virtueller Bombardierung kann keine Aktion für sich selbst sprechen, wenn nicht die Subjekte-Akteure sich zu ihnen äußern.

Das hohe Niveau der Unverwechselbarkeit, die ich oben erwähnt habe, bezieht sich sowohl auf unveränderliche aufständische Namen wie auch Akronyme. Für mich sind unveränderliche Namen in aufständischen Aktionen von besonderer Wichtigkeit, weil auf diese Weise eure Aktionen miteinander verbunden werden, und gleichzeitig an Eigendynamik gewinnen.

Außerdem bekommt euer Diskurs größere Bedeutung, da er mit der Konsistenz eurer Aktion verbunden ist. Ihr habt die Möglichkeit, Strategien aufständischer Aktion auszuarbeiten und eure ihnen zugrunde liegenden Prinzipien verständlich zu machen, einen Bezugspunkt zu erschaffen und eine Herausforderung zur Aktion in Umlauf zu setzen. Auf diese Weise verschärft ihr die revolutionäre Drohung und durchbrecht das staatliche Gewaltmonopol, denn Anarchistinnen und Anarchisten nehmen sich ihren Teil der Gewalt, um sie gegen den Feind zu richten.

Um jetzt auf den Gebrauch von Akronymen einzugehen, ist dieser von ähnlicher Nützlichkeit auf einer umfassenderen Ebene. Ihre größte Wichtigkeit besteht darin, dazu beizutragen, dass Widerstand ohne ein Zentrum wiedererkennbar wird. Stattdessen ist Widerstand horizontal und chaotisch und hängt von den Entscheidungen von Rebellinnen und Rebellen ab.

Ich denke dass die Existenz von Akronymen auch ein wichtiges Mittel der Propaganda ist. Übersetzungsnetzwerke können die Arbeit von Botschaftern zwischen aufständischen Gruppen machen, unabhängig davon, ob diese ein Akronym benutzen oder nicht. Nichtsdestoweniger steigert die Existenz eines oder mehrerer informeller Netzwerke, die Akronyme verwenden und sich gegenseitig erkennen, die Durchschlagskraft von Aktionen, indem sie diese in einen umfassenden Kontext stellt, so dass sie nicht etwas Fragmentarisches bleiben, und eine solide (im Sinne ihrer Existenz als kontinuierliche Aktion) Struktur schafft, die von ihrem Ursprung her anarchistisch und aufständisch ist.

Anstelle eines Epilogs

Es ist klar, dass im Namen der „Sicherheit der Bürger“ künstliche soziale Bedrohungen konstruiert werden, um ein politisches Alibi zu liefern, damit die größten Staatsverbrechen begangen, mehr und mehr Praktiken der Kontrolle und Überwachung etabliert und Antiterrorgesetze verschärft werden können. All dies zielt darauf ab, dass sich die privilegierten Bürgerinnen und Bürger der entwickelten Länder, denen dieses elitäre Niveau zugestanden wird, sicher fühlen, während ihre staatlichen Beschützer massiv und wahllos Tod um sich herum säen.

Das ist der Grund, warum ich mir einen kriegführenden Zustand in den städtischen Zentren vorstelle, in dem Rebellinnen und Rebellen jeden Tag Angriffspläne ausarbeiten und eine asymmetrische Bedrohung erzeugen, die sozialen Zusammenhalt und politische Stabilität in Stücke reißt und in den Reproduktionszentren des Kapitalismus Unsicherheit sät. Der reibungslose Fluss der Güter wird nicht mehr selbstverständlich sein, und die Repräsentanten der Unterdrückung werden in Furcht leben.

Wir haben nichts, worauf wir warten müssten. Also organisieren wir uns und schlagen los gegen die Gesellschaft des Kapitalismus. Revolutionäre Aktionen formen die objektiven Bedingungen, lasst sie uns multiplizieren.

Stärke für alle gefangenen und flüchtigen Genossinnen und Genossen
Stärke für die vier anarchistischen Hungerstreikenden in Mexiko*

Nikos Romanos
Dikastiki Filaki Koridallou, Ε Pteryga
(Haftanstalt Koridallou, Ε-Flügel)
18110 Koridallos, Athen, Griechenland

Oktober 2014.

Zuerst veröffentlicht in der 3. Ausgabe von Avalanche (November 2014).

* Bemerkung der Transkription: Zur Zeit der Abfassung dieses Textes befanden sich die in verschiedenen mexikanischen Gefängnissen eingekerkerten Genossen Fernando Bárcenas, Abraham Cortés Ávila, Carlos López Marín und Mario González noch im Hungerstreik, den sie am 17. Oktober 2014 beendeten. Am 31. Oktober wurde Mario aus dem Gefängnis entlassen. Freiheit für alle!

[Belgien] Kein TV, kein Telephon, kein Radio für die Abstimmenden

Am Tag vor den Europa- und Nationalwahlen. 24. Mai 2014. Der Meinungszirkus und das Dauerbombardement an Lügen und Versprechen kommt zu einem Ende. Die Abstimmenden sind zu ihrer BürgerInnenpflicht bereit. Sie beklagen sich, da gibt es keine Zweifel. Sie beklagen sich darüber, dass die PolitikerInnen keine Ideen mehr haben, alle gleich sind, eine einzige grosse Mafia.

Aber sie traben dennoch immer zur Urne. Aber sie werden doch immer noch ihre Meister wählen und zustimmen, dass alles wie immer weitergeht. Und werden so zu KomplizInnen der PolitikerInnen. Und werden so zum Feind jener, die diesen ganzen Zirkus ablehnen, die sich weigern, noch länger Herren oder Bosse, links oder rechts, Korrupte oder „Ehrliche“ zu haben. Sie werden zu unserem Feind, zum Feind jener, die sich in die Freiheit verliebt haben.

Der Tag vor den Wahlen. Während der Nacht wird in Wavre ein grosser Übertragungsantennenmasten des öffentlichen französischen TVs und Radios RTBF angezündet. Der Brand führt zu einem totalen Blackout vieler Radiostationen und einige digitale TV-Sender werden unterbrochen. In der Provinz Brabant Wallonien und im Süden Brüssels ist das gesamte Mobiltelefon- und mobile Internetnetzwerk der Gesellschaft Base ausgeschaltet, weil der Antennenmasten auch als Übertragungsknoten zwischen dutzenden oder gar hunderten Mobiltelefonantennen funktionierte. Anderswo, in Veltem-Beisem bei der Stadt Leuven im Flämisch-Brabant ist eine weitere Übertragungsantenne betroffen, diesmal vom Flämischen öffentlichen Fernsehen und Radio VRT, ebenfalls Brandstiftung. Dort werden einige Radiosender unterbrochen. So werden, in der Nacht vor den Wahlen, am Tag der Wahlen, hunderttausende Leute vor dem Datenbombardement, vor dem Wahnsinn der modernen Kommunikation, die nichts als Entfremdung ist, vor der durch ihren Propagandaapparat getätigten mentalen Kontrolle der Mächtigen das eine Mal geschützt.

Am Tag der Wahlen hätten wir alle der Stimme des Herrn lauschen sollen, die uns durchs Netz, TV und Radio erreicht. Wir hätten den ganzen Tag lang über die Wahlresultate reden sollen. Doch, vielleicht, dank dieser Sabotageaktionen, haben einige über etwas anderes geredet, wer weiss. Sabotage verursacht einen Bruch, einen Riss in der Normalität. Etwas, das nicht hätte geschehen sollen. Etwas Abnormales. Nicht verwunderlich also den Chef von RTBF erklären zu hören, dass „Wenn Medien angegriffen werden, ist das für Alle schlecht. Ich denke, dass Irgendwer ein abscheuliches Signal senden wollte.“ Abscheulich? Für wen? Abscheulich ist das Wort, dass wir eher dem Wahlzirkus, der Welt in der wir leben, dem Spektakel, durch das die Macht sich die Zustimmung seiner Subjekte sichert, indem sie es als eine „Wahl“ darstellt, vorbehalten würden. Abscheulich ist die Gehirnwäsche der Medien, sind die JournalistInnen, die als Stimme der Macht funktionieren und alle im Namen der Macht begangene Schrecklichkeiten legitimieren, vom Krieg bis zur totalen Verseuchung der Umwelt und von den BullInnen begangene Morde. Abscheulich ist das, was wir in einer Zeit erleben, in der die Kommunikationsmittel allgegenwärtig sind, aber in der Niemand mehr zur Kommunikation, zum Dialog, zur Diskussion, zur Reflexion fähig ist, weil alle nachplappern, was die Maschinen und Bildschirme ihnen sagen.

Die AnarchistInnen sind FeindInnen jeglicher Autorität, sei sie staatlich, kapitalistisch oder patriarchal. Sie sind für die Freiheit und gegen Sklaverei. Aber nicht dumm. Sie wissen, dass Autorität nicht nur aus den PolitikerInnen, KapitalistInnen und Leaders besteht. Sie besteht aus denen, die gehorchen, aus denen, die zulassen, dass sie ausgebeutet werden, aus denen, die Befehle befolgen. Auch wenn wir jene, die Autorität ausüben und die, die der Autorität unterworfen sind, jene die Industrien besitzen und die, die in den Fabriken ausgebeutet werden, jene die eine Uniform tragen und die, die dazu gezwungen werden sie zu achten nie auf dieselbe Stufe stellen würden, werden wir nie aufhören zu sagen, dass der einzige Weg zur Emanzipation daraus besteht, den Kampf zu beginnen und mit dem Zusammenleben von HerrInnen und SklavInnen zu brechen.

Wahrscheinlich fragen sich Viele, wieso denn nach Jahrhunderten der Unterdrückung und Ausbeutung das kapitalistische System und die Macht des Staates sich scheinbar immer noch solch guter Gesundheit erfreuen? Wieso wurden sie nicht von der Oberfläche der Erde ausradiert, wie aller Abfall in den Müllhaufen geschmissen? Es gab viele Versuche, Versuche des Aufstandes und der sozialen Revolution. Aber heute, heute müssen wir die Tatsache einräumen, dass es der Herrschaft gelang eine breite Masse der Ausgebeuteten selbst, mit einzubeziehen. Durch den Konsumfetisch, generalisierte Verdummung, die Dezentralisierung und folglich die Verbreitung der Macht auf alle Bereiche des menschlichen Lebens, scheint es Staat und Kapital im Moment zu gelingen, jeglichen Horizont auszuschalten ausser jenen der Reproduktion des Bestehenden. Diese Reproduktion der Herrschaft ist wahrscheinlich das wichtigste Ziel des revolutionären Eingriffs heutzutage. Auch wenn ab und zu Riots ausbrechen mögen, wenn sich Unzufriedenheit mal in den Strassen ausdrückt und es zu scharfen Reaktionen gegen das x-te weitere Verbrechen der Macht kommen mag, die Aufgabe ist, viel umfassender, tiefer, grundlegender zu zielen. Ist, das aufs Korn zu nehmen, was „den üblichen Lauf der Dinge“ gewährleisten soll.

Zurück zu den Sabotagen der Übertragungsantennen von RTBF und VRT: wir glauben, dass sie einige wichtige Hinweise auf die einzusetzenden Kampfmethoden und die möglichen Einsatzbereiche geben. Auch wenn die technologische Welt permanent, rund um die Uhr, Resignation und Akzeptanz für unseren „Platz“ in der Gesellschaft einflösst, den Platz des Schafes, das konsumiert, arbeitet und gehorcht; so hängt diese Welt auch von vielen materiellen Strukturen ab, die rund um uns verstreut und die sehr leicht anzugreifen sind. Und keine militärische Macht oder engmaschige Überwachung könnte sie je effektiv wirksam verteidigen.

Einen Kurzschluss im täglichen Leben der Verdummung und Ausbeutung zu verursachen heisst, in die Betonschicht, die uns alle erdrückt, Risse zu schlagen. Nicht warten, auf einen magischen Moment, wo „die Leute“ das Bewusstsein ihrer Lage erlangen und auf die Strassen gehen werden; warten spielt nur das Spiel der Herrschaft, die sich jeden Tag ausweitet und konsolidiert, sowohl auf materieller (neue Knäste, neue Polizeistationen, neue Industrien, neue Kontrollnetzwerke) als auch auf mentaler Ebene (Gehirnwäsche, Ausradierung der wahren Vorstellung von Revolte, Reduzierung des Lebens auf eine Ware). Aus den Rissen, welche die RebellInnen zu schlagen wissen werden, kann ein anderer Horizont entstehen, ein Horizont der Freiheit und der sozialen Revolution.

veröffentlicht aus Hors Service („Ausser Betrieb“),
anarchistische Zeitschrift, N.45, Brüssel, Juli 2014

Quelle: AVALANCHE, anarchist correspondence, N.2, Juli 2014
Üb. mc, Menzingen-CH (Juli 2014)

Solidarität mit Nikos Maziotis – Neue Broschüre zum „Revolutionären Kampf“

Solidarität mit dem Mitstreiter Nikos Maziotis, am 16.07.2014 von den Bullen verwundet und verhaftet! Terroristen sind der Staat und seine HelferInnen!

Neue Broschüre zum „Revolutionären Kampf“ :: PDF

Am 16. Juli wurde der anarchistische Revolutionär Nikos Maziotis im Zentrum von Athen festgenommen. Die Festnahme erfolgte nach einem Zusammenstoß mit den Bullen, bei der Maziotis einen lebensgefährlichen Schuss in die Schulter bekam, und ein Bulle leicht am Fuß verletzt wurde, sowie zwei Touristen, sehr leicht. Maziotis wurde unter starker Polizeipräsenz als Gefangener in das Krankenhaus Evangelismos gebracht und dort operiert und ist nun außer Gefahr.

Diese Publikation ist ein solidarischer Beitrag für die Revolutionäre der Stadtguerilla „Revolutionärer Kampf“/RK (Epanastatikos Agonas) in Griechenland. Nach den Ereignissen der letzten Wochen, der Festnahme des Mitstreiters Nikos Maziotis, der Verschärfung der Repression und der Einführung der neuen Hochsicherheits-Trakte innerhalb der griechischen Knäste, haben wir das Bedürfnis empfunden diese Publikation zusammenzustellen und somit vielleicht zu weiterer Solidarität in verschiedenster Form anzustiften. In Zeiten zunehmender Repression und staatlicher Gewalt hat der RK seit 2003 mit seinem Kampf auf die Angriffe des Kapitals geantwortet, indem er internationale Bankenkolosse (Citibank, Eurobank), die Justiz (Evelpidon Gericht), staatliche Institutionen und Behörden (Börse, Arbeitsministerium und Wirtschaftsministerium), Politiker, Imperialisten (US-Botschaft), uniformierte Mörder der Demokratie (Bullen und ihre Infrastruktur) und multinationale Konzerne die ausbeuten, sich bereichern und die Natur zerstören (Shell), als Ziele wählte.

Die RevolutionärInnen Kostas Gournas, Nikos Maziotis und Pola Roupa haben sich als Mitglieder der Gruppe bekannt. Durch ihre Erklärungen machten sie auch deutlich, dass Lambros Foundas, der am 10.03.2010 nach einem Schusswechsel von Bullen erschossen wurde, ihr Mitstreiter und Mitglied der Gruppe war und dass seine Aktion ein Teil der Vorbereitung einer Aktion der Gruppe war.

Als AnarchistInnen fühlen wir uns vielen Ideen und Taten des RK nahe haben jedoch auch viel Kritik an seiner Analyse und Methodik. Wir finden uns nicht in der anarcho-kommunistischen Theorie des RK wieder doch was uns verbindet ist der Drang diese Verhältnisse jetzt und hier umzustürzen. Denn eine Botschaft des RK ist die Notwendigkeit des direkten Angriffs auf die Strukturen von Kapital und Staat.

Wir wollen einen Überblick über die Ereignisse im Zusammenhang des RK geben um im deutschsprachigen Raum die Möglichkeit von Diskussion und internationalistischer Intervention zu schaffen. Diese Zusammenstellung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit aber es war uns wichtig einen spontanen Beitrag zu leisten, der in diesen Tagen ein Solidaritätsaufruf sein soll.

ein paar solidarische AnarchistInnen

Kontakt: noprison_nostate (ät) riseup.net

Dortmund: Heute wie vor 100 Jahren – Krieg dem Krieg – Für die soziale Revolution

Am 28. Juli jährt sich der Beginn des ersten Weltkrieges zum hundertsten Mal, am 1. August der Eintritt von Deutschland in diesen. Bereits seit Anfang des Jahres zeigt sich ein erhöhtes mediales und gesellschaftliches Interesse am ersten Weltkrieg. Leider beschränkt sich die Berichterstattung jedoch oft auf den Verlauf des Krieges und eine oberflächliche Aufarbeitung der Ursachen. Bis heute gesellschaftlich als unbequem empfundene Ursachen für den Krieg werden gar nicht oder nur unzureichend diskutiert.

Dabei gibt es in jedem Krieg auch Menschen, Systeme und Ideologien, die durch ihn profitieren und die daher den Ruf zu den Waffen begrüßen und unterstützen. Seien es nationalistische und chauvinistische Großmachtphantasien in Bevölkerung oder Regierung, die profitorientierte Rüstungsindustrie oder der Staat der auf das Erreichen bestimmter geopolitischer Ziele oder eine ordnende Funktion nach Innen abzielt. Im Jahr 2014 sind viele dieser Zusammenhänge noch lange nicht verschwunden, obwohl die Gesellschaft oft denken möchte, dass diese Vergangenheit unendlich weit weg ist. Heute werden diese Ziele weniger offen nach außen kommuniziert und vorsichtiger und diplomatischer dargestellt, wenn nicht gar als Entwicklungshilfe verkauft.

Natürlich dürfen die Fortschritte seit 1914 und 1939 nicht geleugnet werden, trotzdem treiben in diesen Tagen, da wir uns mit einem zunehmenden Ausbau der Kompetenzen der Bundeswehr und den massiven deutschen Waffenexporten konfrontiert sehen, die Aushängeschilder unserer ‘repräsentativen Demokratie’ den Prozess der schleichenden Militarisierung im Kontext einer geänderten Kriegsführung und im Bewusstsein um “deutsche Verantwortung” voran. Sie tun damit ihren Teil, das Ideal einer Welt ohne Militär und Krieg in noch weitere Ferne rücken Ferne zu lassen.

Militär steht mit seinen hierarchischen Strukturen und in seiner Funktion der befreiten Gesellschaft grundsätzlich entgegen. Um unsere radikalen antimilitaristischen Inhalte in den breiten öffentlichen Diskurs einzubringen haben wir uns mit verschiedenen anarchistischen Gruppen in einem Bündnis organisiert, das ab dem ersten Augustwochenende an verschiedenen Orten in Deutschland Aktionen durchführen wird und Genoss*innen dazu aufruft sich an unseren Aktionen oder mit eigenen zu beteiligen!

Wir wollen diesen Jahrestag zum Anlass nehmen deutlich zu zeigen, dass die Grundlage für große Kriege auch heute noch in unserem System verankert ist und dass die Kriege, die in einer globalisierten Gesellschaft heute stattfinden, in einem größeren Zusammenhang zu unserem eigenen Leben stehen, als wir es uns als Menschen die in Mitteleuropa 2014 leben oft eingestehen möchten. Stichwörter hierzu sind der Friedensnobelpreis für die EU, die NATO und die Rolle Deutschlands in der weltweiten Kriegsführung und -ermöglichung in Form von Rüstungsexport, Logistik, Ausbildung.

Wir, als Anarchist*innen, werden weiter gegen jede Form von Militarismus, Nationalismus und Kapitalismus kämpfen. Wir wollen Aufklären und für die Thematik sensiblisieren, die Passivität ein Stück weit aufbrechen und wie immer unbequem bleiben. Wir wollen aufzeigen, dass unsere Idee von einer herrschaftsfreien Gesellschaft und unsere radikale Kritik die wichtigsten Schritte zur Vermeidung von Kriegen beinhaltet: Der Abbau von sozialen Ungleichheiten, der nach unserer Auffassung mit dem Abbau von Herrschafsstrukturen einhergehen muss. Erst wenn wir alle auf Augenhöhe miteinander unsere Vorstellungen von gesellschaftlichem Zusammenleben aushandeln können, werden wir uns nicht mehr dazu gedrängt fühlen empfundene oder reale Benachteiligung mit Waffengewalt ausgleichen zu müssen.

Der Abbau von Kriegsgründen gelingt uns mit dem Abbau von Machtstrukturen und Abhängigkeitsverhältnissen, dem Durchbrechen von Systemen wie Ohnmacht, Angst vor Machtverlust und dem im Parlamentarismus häufig vertretenen Gefühl nicht clever genug zu sein um die Politik die uns betrifft selbst zu gestalten.

Vom 1.-3. August startet unsere Kampagne mit einem vielfältigen Wochenende in Dortmund. Mit Lesungen, Vorträgen, einer Kundgebung, einem Workshop uvm. wollen wir ein klares Zeichen gegen Krieg und für die Soziale Revolution setzen!

Freitag 01.08.
Dortmund, Katharinentreppen (gegenüber vom Hauptbahnhof)
18 Uhr – Kundgebung “Heute wie vor 100 Jahren – Krieg dem Krieg – Für die Soziale Revolution”
Partei- und Nationalfahnen sind nicht erwünscht!

Samstag 02.08.
Taranta Babu, Humboldtstr.44, Dortmund
19 Uhr – Vortrag: Die „unbekannte Internationale“, Anarchistischer und Syndikalistischer Widerstand gegen den 1. Weltkrieg – Institut für Syndikalismusforschung
Anschließend: Lesung von libertären Schriften und Gedichten

Sonntag 03.08.
Langer August, Braunschweiger Str. 22, Dortmund
12 Uhr – Vortrag: Kriegsausbruch in Dortmund 1914 – Andreas Müller
14 Uhr – Lesung: “Deutschland, du sollst die Ermordeten nicht und nicht die Mörder vergessen!” – Uwe Neubauer
Ab 14 Uhr – KüfA ( vegan Grillen im Hof)
16 Uhr – Vortrag: “Früher, entschiedener und substanzieller” (Bundespräsident Gauck, 2014) zum Krieg – Wolf Wetzel
18 Uhr – Workshop: Praktischer Antimilitarismus im Alltag

Im Juli gibt es auch einige Veranstaltungen zum Thema.

Alle weiteren Informationen und Materialien wie eine 24-seitige Broschüre findet ihr unter: krieg-dem-krieg.fda-ifa.org
Kontakt: kriegdemkrieg ät riseup.net

Organisiert von:
Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr
Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

[Italien] Zusammmen für das Susatal

Die NO TAV Bewegung ist, wegen der Entschlossenheit mit der sie in den Kampf gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitslinie Turin-Lyon vorangebracht hat, nunmehr Ziel einer beispiellosen repressiven und gerichtlichen Feindseligkeit.

Heute zählt man ungefähr 120 Verfahren mit mehr als 600 betroffenen Angeklagten und erstinstanzlich Verurteilten (eigentlich ±450 Personen, da gegen einige mehrfach vorgegangen wird). Nach, von der Staatsanwaltschaft gut informierten, journalistischen Quellen, wird sich diese Zahl bald erhöhen und die Tausend überschreiten. Die erste Verhaftung gab es 2005, als das NO TAV-‚Präsidium‘ in Venaus von Bullen angegriffen wurde und es zu mehreren Verletzten in der Bewegung kam. Ein junger Turiner Anarchist war angeklagt worden einen DIGOS (politische Polizei)-Beamten während einer BürgerInnen-Demo in der Stadt verletzt zu haben. Der Prozess brachte einen Freispruch. Andere Zeiten, wo die Strafverfolgung noch „normal“ verlief. Darauf folgten Anzeigen wegen diverser Ereignisse, vor allem im Kontext der Strassenblockaden, die im Tal als Antwort auf die Angriffe der Regierung von der Bewegung beharrlich vorangebracht wurden.

Was sich anfänglich als normale Routine gerichtlicher Aktivität zur Verfolgung eventueller Straftaten vorstellte, bzw. als sozusagen „von Amts wegen“, hat sich – seitens der Turiner Staatsanwaltschaft unter Leitung des Ex-Staatsanwaltes Caselli – zur regelrechten Offensive mit allen Mitteln verwandelt, die nun auch an die Grenzen des StGB stösst.

Gegen den repressiven Angriff
MIT DER VAL DI SUSA

Der erste Leckerbissen dieser harten Linie der Staatsanwaltschaft hatte man am 9. September 2011 mit der Verhaftung von Nina und Marianna wegen einer Demo an der Baustelle; sie wurden zwei Wochen lang im Turiner Knast Le Vallette gefangen gehalten um dann etliche Monate durch Hausarrest und verschiedenen Massnahmen eingeschränkt, zu verbringen.

Nina wurde letztlich freigesprochen, Marianna zu 8 Monaten verurteilt. Abgesehen von der Geringfügigkeit (na ja…) des Urteils, war es bezeichnend wie die PD (Demokratische Partei), zum ersten Mal, gegen die NO TAV Bewegung zu Felde zog.

Giancarlo Caselli, in Befolgung der Erwartungen der Bezugspartei, warf sein ganzes, im Kampf gegen die Mafia erworbenes, Prestige – ob verdient oder nicht, ist nicht wichtig – in die Waagschale; die traurige Figur verlangte und erhielt, U-Haft und sein erstes Urteil wegen eines Steinwurfs. In dieser ersten Phase, im Gegensatz zu dem was er später tun wird, exponierte sich der rechtschaffene Staatsanwalt nicht in den Medien. Er beschränkte sich auf den Auftritt im Saal während des Prozesses um den Richtern ein eindeutiges Signal zu geben: der Einsatz ist hoch und man soll sich vor hohen Strafen nicht scheuen. Wieso dieser plötzliche neue Kurs der Repression, der aus Verhaftungen und Knast für strafrechtlich unbedeutende Episoden bestand?

Man verstand es erst am Anfang des Folgejahres.

Im Morgengrauen des 26.Januar 2012 wurden an verschiedenen Orten Italiens 25 Menschen (darunter der Schreibende) verhaftet. Ermittelt wurde insgesamt gegen 48, wegen der Zwischenfälle der vorangegangenen Tage des 27. Juni und 3. Juli.

Die Tatsachen waren bekannt. Die Regierung musste damals, wegen der Finanzierungen durch die EU, mit der Einrichtung einer Baustelle schnell vorwärtskommen, während die Bewegung sich voll gegen die Erreichung dieses Zieles einsetzte.

HARTE LINIE
Von diesem Zeitpunkt an verfolgte die Regierung die harte Linie bzw. eine äusserst harte. Continue reading [Italien] Zusammmen für das Susatal

Hamburg: Liberi Tutti! – Solidarität mit den gefangenen und verfolgten AnarchistInnen in Italien

Am 08.05.2014 fand unter dem Motto „Liberi Tutti“ in Hamburg ein Abend in Solidarität mit den gefangenen und verfolgten AnarchistInnen in Italien statt. MitstreiterInnen aus Hamburg und Umgebung sprachen mit 2 MitstreiterInnen der „Cassa di Solidarietà Aracnide“ (Solidaritätskasse Aracnide), die für den Abend angereist waren. Sie haben einen interessanten Ein- und Überblick gegeben und es tat gut fern von Internet und anderen Medien persönlich zu diskutieren. Neben dem aktiven Austausch gab es auch noch aktuelle Materialien zur Situation in Italien. Es gab ein Pamphlet mit Vorstellungen und Beiträgen der Gefangenen von der Solidaritätskasse Aracnide mit dem Titel „We are the Tempest that breaks the civil quiet“ (Wir sind das Unwetter das die bürgerliche Ruhe durchbricht) in englisch. Außerdem wurde die erste Ausgabe eines neuen anarchistischen Newsletters zur Situation in Italien auf deutsch verteilt. Unter dem Titel „Fuoco e Fiamma!“ (Feuer und Flamme) wird es unregelmäßig Beiträge zur Situation der AnarchistInnen in Italien geben.

Hier die „Fuoco e Fiamma!“ Ausgabe 1 zum Downloaden.

In der nächsten Ausgabe der „Fuoco e Fiamma!“ wird außerdem ein schriftlicher Beitrag von MitstreiterInnen aus Pisa veröffentlicht, den sie für den Solidaritätsabend am 08.05. in Hamburg geschrieben haben und in dem sie die repressiven Operationen gegen AnarchistInnen analysieren und einen Überblick über die Repressionsschläge von 2003-2014 geben. In Pisa gibt es seit einigen Monaten wieder starke Repression, da die MitstreiterInnen dort gegen die Einleitung nuklearen Wassers in den lokalen Fluss kämpfen. Gerade am 07.05., einen Tag vor unserem Solidaritätsabend gab es wieder Hausdurchsuchungen aufgrund einer Demo am 03.05., bei der einige Banken angegriffen wurden und Parolen gesprüht wurden. Wir senden Kraft und Solidarität an die MitstreiterInnen!

„Hallo – Ein Gruß von nirgendwo“ (eine Broschüre)

Hier findet ihr den Text „Hallo – Ein Gruß von nirgendwo“ in PDF Form, zu selbstausdrucken und verteilen.

„Alles ist hoffnungslos und doch erzählt Alles seine Geschichte immer auf eine Art, die verzweifelt hoffnungsvoll klingt. Viele tun das gleiche mit ihren Geschichten, wie sie alles ändern könnten. Wer diese Geschichten abschüttelt und der Hoffnungslosigkeit ins Gesicht sieht, kommt zu einer echten, vielleicht zur einzig wirklich wichtigen Entscheidung: in Verzweiflung schwelgen oder den Sprung wagen, für ein unermesslich anderes Leben.“

Übersetzung translationcollective: i, ii

„Hier und Jetzt!“ (eine Broschüre)

Am 30. Oktober 2013 begann der Prozess gegen die beiden Gefӓhrten Nicola Gai und Alfredo Cospito. Ihnen wurde der Angriff auf den Atommanager Adinolfi, in Genua, vorgeworfen. Am 7. Mai 2012 wurde diesem vor seinem Haus aufgelauert und ins Knie geschossen. Zu der Tat bekannte sich die Zelle Olga FAI/FRI. Im darauffolgenden September wurden dann die beiden Gefӓhrten verhaftet. Dieser repressive Schlag reihte sich in eine ganze Serie von repressiven Operationen gegen AnarchistInnen in Italien: Z.B. die Operationen Ardire und Thor oder den langen Haftstrafen fϋr GefӓhrtInnen fϋr Genua 2001 und den Krawall 2011 in Rom. Immer werden den Verhafteten Angriffe oder Subversion in Form von Agitation vorgeworfen. Weder die Angriffe gegen das Bestehende, noch die Repression hören auf, so ist es wichtig sich nicht entmutigen zu lassen und sich mit den Gefӓhrten auf den verschiedenen Wegen solidarisch zu begnen.

In den Texten von Nicola und Alfredo können wir von ihrer kompromisslosen Haltung, gegenüber dem was uns unterdrückt, lesen. Beide sind trotz ihrer Situation im Knast weiterhin aktiv und beteiligen sich an Diskussionen.

Hier in PDF-Form

Aktuelle Ereignisse in Hamburg

Hier ein Artikel aus dem anarchistischen Blatt „Wut im Bauch“ (die nur in Papierform verbreitet wird) über aktuelle Ereignisse in Hamburg. Außerdem ein kurzer Bericht über einen weiteren wilden Spaziergang gegen Kontrolle, der kürzlich stattfand.

Außer Kontrolle

Die letzten Monate gab es in Hamburg eine breit aufgestellte Offensive staatlicher Repression und Kontrolle. Einige dieser Geschehnisse verdienen nochmal genauerer Betrachtung. Die aufgeführten Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt der alltäglichen Repression – sie sind aber ein präzises Bild der aktuellen Entwicklung, sie sind als Experimente der HüterInnen dieser Ordnung zu verstehen. Sie wollen ein Klima der permanenten Angst, des ungebrochenen Respekts vor Ihrer Ordnung schaffen, um Ihr reibungsloses Funktionieren zu garantieren.

Gefahrengebiete demaskieren und gefährden

Was in St. Georg rund um den Hansaplatz und St. Pauli auf dem Kiez schon länger Realität ist, hat seit dem 1. Juni das Schanzenviertel erreicht. Ein permanentes Gefahrengebiet wurde eingerichtet und berechtigt Bullen zu Kontrollen zu jeder Zeit an jedem Ort. Die damit verbundenen Szenarien und Auswirkungen sind in St. Georg deutlich zu spüren. Große Gruppen von Bullen, die gezielt ungewollte, d.h. nicht zahlungsfähige oder aufgrund von rassistischen Denkmustern ausgeschlossene Menschen kontrollieren und drangsalieren. Was auch hier wieder unter dem Deckmantel von Sicherheit läuft ist einfach zu demaskieren.

In St. Georg soll sich der SexarbeiterInnen entledigt werden und sozial, oder doch besser finanziell schwächere Menschen verdrängt werden um somit das Viertel aufzuwerten und profitabler zu machen. Im Falle des Schanzenviertels sind die Ziele die gleichen nur richtet sich das Gefahrengebiet hier hauptsächlich gegen die Drogenszene und aufgrund von Rassismus auch gegen migrantisch aussehende Menschen, die dieser oft automatisch zugeordnet werden. Machen wir uns nichts vor, Bullen brauchen keine spezielle Rechtfertigungen für Kontrollen. Im Zweifelsfall steht ihr Recht auf ihrer Seite. Die Gefahrengebiete sind neben großen Machtdemonstrationen gezielte Offensiven zur Verdrängung durch permanente Schikane und Kontrolle.

Lasst euch nichts gefallen

Am Abend des 11. Juli kam es auf der Holstenstraße zu einer Auseinandersetzung zwischen Bullen und jugendlichen AnwohnerInnen. Zum wiederholten Mal hatten die Bullen Kontrollen gegen Grüppchen von Jugendlichen angewandt. Nach klar rassistischen Kriterien wurden und werden Leute, die nicht in das Bild der Bullen passen drangsaliert. In dieser Nacht haben sich einige gewehrt und es kam zu Auseinandersetzungen, die Verletzte und Festnahmen zur Folge hatten. AnwohnerInnen solidarisierten sich und brachten das Bild der akzeptierten Ordnungshüter ins Schwanken. In den nächsten Tagen herrschte angespannte Stimmung rund um die Holstenstraße. In den folgenden Abenden versammelten sich zum Teil Hunderte in großen Gruppen um sich solidarisch zu zeigen. Die Bullen besetzten die Umgebung und fuhren im Minuten-Takt die Straße mit Bereitschafts-Polizei sowie in Zivil auf und ab. Es kam zu Wut-Ausbrüchen. Continue reading Aktuelle Ereignisse in Hamburg

Belgien: Kurze Störungsmeldungen

Angriff auf die Baustelle der Macht: Staat und Kapital bauen fortlaufend, um die Umwelt den Bedürfnissen von Kontrolle und Ausbeutung zu unterwerfen. Von neuen Verkehrsachsen für die Wirtschaft, über Bürogebäude bis Gefängnissen und neuen Industrieflächen: der Krebs wuchert jetzt überall. In Charleroi nutzten eine ChirurgInnen ihre aufrührerischen Skalpelle um zwei Tumore herauszuschneiden: Zwei Baustellenaggregate wurden durch Feuer zerstört.

Kommunikation unterbrochen: Um Mitternacht wurde eine große Telekommunikationsanlage in Koningslo, nördlich von Brüssel durch ein Feuer zerstört. Anscheinend wurden Kabel der Anlage angezündet, die Flammen loderten fünfzig Meter hoch. Die Feuerwehr benötigte mehrere Stunden, um das Feuer zu löschen. Die Brandstiftung unterbrach die Telekommunikation der Anbieter Base und Mobistar auf dem gesamten Gebiet von Neder-over-Hembeek, Vilvorde und Haren. Die Anlage besitzt auch Antennen für das 3G Netzwerk. Der Schaden ist ziemlich groß, Störungen werden für mehrere Monate bestehen bleiben. Einer der selbstversorgenden Adern, die Telekommunikation, war somit zerschnitten.

Aufrührerische Rache: Ein Polizeiauto wurde vor der Polizeiwache von Mortsel verbrannt. Beamte fungierten als StatistInnen und sahen hilflos, wie ihr Arbeitsgerät in Flammen aufging. Zwei Jahre vorher wurde ein Junge in der Zelle dieser Polizeistation zu Tode geprügelt. Eine weitere Brandstiftung gegen dieses Revier ereignete sich nachdem die Familie des Jungen das Videomaterial des Mordes in der Wache für die Öffentlichkeit freigegeben hatte. .Dieser Angriff wurde selbstverständlich durch die Macht verschwiegen.

Abholzungsindustrie lieber als Bäume: In der Gegend von Dinant wurden ein LKW und ein Transporter der selben Forstwirtschaftsfirma in Brand gesetzt und zerstört. Kürzlich wurde ein weiteres Abholz-Fahrzeug mit Feuer angegriffen. Es scheint, dass seitdem sogar noch mehr Genehmigungen Wald in Industriefläche zu verwandeln erteilt wurden, GegnerInnen direkt die Verantwortlichen für die Umweltvernichtung angreifen.

Solange es Geld gibt… werden weiterhin jene, die diese auf Macht und Finanzen basierende Welt bekämpfen, ihre Verkörperung direkt anzugreifen. In Louvain brachen unbekannte Personen den Eingang einer Bank auf und verwüsteten die Innenausstattung.

Quelle: Hors Service, anarchistisches Magazin Nr. 40, 12. September 2013, Brüssel.

„Revolt und Krise in Griechenland“-Buch steht jetzt Online zur Verfügung

Lies das PDF (Englisch) hier

Revolt and Crisis in Greece
Between a Present Yet to Pass and a Future Still to Come
ein Buch-Projekt von Occupied London

Die Einnahmen aus dem Verkauf dieses Buches werden an anarchistische Druck- und Veröffentlichungsprojekte weltweit fließen, Rotta in Griechenland und AK Press in den USA mit eingeschlossen.

»In der Vergangenheit versuchten wir, Occupied London als ein „anarchistisches Kollektiv, dass über alle möglichen städtischen Dinge schreibt“ zu beschreiben. Das stimmt zwar, ist aber so nicht ganz richtig. Wir sind nicht ausschließlich anarchistisch, wird sind nicht exakt ein Kollektiv und wir schreiben auch über andere Sachen! Aber als wir das erste Mal im Herbst 2007 zusammentrafen, um ein größtenteils irreguläres Journal zu produzieren, war folgendes unser Hauptziel: Wir waren an Fragen zu städtischen Revolten interessiert und auch am alltäglichen Leben in den Städten – insbesondere in London, da das der Ort ist, wo wir uns zu der Zeit alle befanden. Und wir wollten diese Fragen auf einer anarchistischen Plattform stellen, einer, die allen offen stand, die mit uns reden wollten.

Im Dezember 2008 veränderte sich der Fokus unseres Projekts dramatisch. Als sich die Revolte in Griechenland entfaltete, bemerkten wir, dass vieler unserer Fragen genau dort beantwortet wurden, wo viele von uns herkamen. Also verlagerte sich der Fokus auf die Situation in Griechenland und das Blog „On the Greek Riots“ (jetzt „From the Greek Streets“) wurde geboren. Auf eine Art und Weise ist das Buch eine Evolution unseres Interesses und Fokusses auf Griechenland in den vergangen paar Jahren.«

—aus einem Interview mit Occupied London und VerlegerInnen von „Revolt and Crisis in Greece“ (8. Juni 2011)

Athen: Gegen die rassistischen Pogrome

Es ist unvorstellbar, aus seinem Zuhause vertrieben zu werden. An den Grenzen von Ländern, die dich mit Rassismus willkommen heißen, erschossen und gejagt zu werden. Länder, die dich zwingen, in erbärmlichen Kellerlöchern zu hausen, dir die schlechtesten Jobs mit entwürdigender Bezahlung geben, dich stundenlang Schlangestehen lassen, um Aufenthaltpapiere zu bekommen und dich in Gefängnisse und Konzentrationslager sperren.

Als wäre das alles schon nicht genug, wird ein brutaler Mord von rassistischen Gruppen (wie Chrissi Avgi) als Vorwand missbraucht. Mit ganz offensichtlicher Hilfe der Polizei, jagen sie dich durch die Straßen, zerren dich aus Bussen, zertrümmern deinen Laden und dein Zuhause, verprügeln dich und stechen dich tod. Und das alles nur, weil einige MörderInnen möglicherweise dieselbe Sprache sprechen, wie du. Genug!

Die weiblichen und männlichen ImmigrantInnen in dieser Stadt sind nicht alleine. Wir sind auch hier und wir wissen: was hier in dieser Stadt von den RassistInnen und der Polizei ausgetragen wird, ist die andere Seite der ökonomischen und militärischen Kriege, die in euren Ländern stattfinden (oder stattfanden). Wir sind auch hier und wir wissen sehr genau: dass der Rassismus, den ihr täglich ertragen müsst, Teil des Plans ist, der euch billige Arbeitskräfte bleiben lassen will. Der euch als konstante Bedrohung für alle anderen Menschen hinstellt, nur weil sie wollen, dass ihr von uns getrennt und entfremdet werdet.

An all jene von uns, die glauben, dass wir solange wir durch Grenzen, Nationen, Geschlechter und Religionen voneinander getrennt gehalten werden, schwach bleiben und ein leichtes Ziel für all jene darstellen, die uns niedermachen und wehtun wollen: Wir können zusammen arbeiten, um unsere eigenen Gemeinschaften zum Kampf für ein besseres Leben aufzubauen. Wir können selbst gegen die RassistInnen und die Polizei kämpfen und uns gegen sie verteidigen. Wir müssen die Angst und Brutalität mit Freundlichkeit und Solidarität bekämpfen, bevor der Hass und Rassismus der Kapitalmächte jede/n Einzelne/n von uns auffrisst.

Solidarität zwischen den Unterdrückten!

Patission 61 & Skaramaga Squat

mehrsprachiges PDF

Solidaritätsaktion von “anarchistischer Funke”

Die Gruppe “anarchistischer Funke” präsentierte am Wochenende ein Solidaritätsbanner und einen Stand auf dem  Friedensfestival in Iserlohn. Die Gruppe geriet mit vielen Leuten in Diskussionen um die Situation in Griechenland. Zudem präsentierte sie den Leuten mittels eines Banners und eines Flyers unsere Seite und machte die Menschen darauf aufmerksam nicht blind den Massenmedien zu trauen, sondern auf unabhängige Berichterstattungen zu setzen.

Mehr Infos zur Aktion gibt es hier: anarchistischer Funke

Den Flyer gibt es hier im PDF-Format: schwarze Katze

Exarchia, Athen: Präsentation–Besprechung

Präsentation–Besprechung
der Edition „Archäologie der Gewalt“, einer Serie von Essays von Pierre Clastres
Freitag, 17. Juni, 20.30 Uhr im Autonomo Steki (Autonomer Hangout),
Zoodohou Pigis & Isavron Str. 95-97, Exarchia, Athen
im Rahmen des Diskussionskreises in der Selbstorganierten Leihbücherei

autonomosteki.espivblogs.net

Warum sich Pinochet im Grab nicht wohl fühlt

Veröffentlichung des Übersetzungs-Gegeninformationsnetzwerk contrainfo.espiv.net aus Solidarität zu den durch das chilenische Regime politisch Verfolgten. Das Flugblatt wurde am 24. September auf einer Demonstration vor der chilenischen Botschaft in Athen verteilt, die im Rahmen des Internationale Solidaritätstag mit den politischen Gefangenen in Chile stattfand.

2009 begann der chilenische Staat eine intensive Kampagne der Verfolgung von HausbesetzerInnen und gegen die Mapuche Urbevölkerung. Perfekt kooperierend mit der Justiz, war das Ziel beiden Gruppen Terrorismus vorzuwerfen.

Das Spektakel um die »Bomben«
Früh morgens, am 15. August 2010 fanden unglaubliche und spektakuläre Polizeioperationen in verschiedenen chilenischen Städten statt. Polizeikräfte drangen in besetzte Häuser, Sozialzentren und Häuser ein, verhafteten viele Leute und zerstörten alles, was sich in ihrem Weg befand.
Diese neue Devise des chilenischen Staates wird »Caso Bombas« genannt. Intention dieser Operationen ist es, einfache Opfer zu finden, denen die 23 Bombenanschläge von Santiago angehängt werden können.

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