Am 19. Oktober wurden, aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung, unsere zwei Gefährten, wegen ihrer Teilnahme am anarchistischen Protest gegen den Europäischen Wirtschaftskongress EEC (2015) in Katowice, inhaftiert.
Unsere Freunde wurden wegen einer als „Verletzung der Privatsphäre“ bezeichneten Straftat zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Sie protestierten in einem leeren verlassenen Mietshaus, das sich im Besitz der Stadt befand. Sie wollten gegen den grundätzlichen Widerspruch zwischen Leerstand von Eigentum und Obdachlosigkeit und die Ungerechtigkeit des brutalen Kapitalismus protestieren
Die Verhaftung ist eine Konsequenz der Verweigerung dieser Gemeinschaftsdienste. Einer der beiden Aktivisten ist für 2 Monate bis zum 15. Dezember ins Gefängnis gegangen. Er wird in Tarnowskie Góry (Schlesische Region) im Gefängnis gehalten. Von Anfang an trat er in den Hungerstreik, weil er keine Möglichkeit erhalten hat, sich vegan zu ernähren. Die Verwaltung verweigerte es, ihm warme Kleidung zu geben. Die Zelle ist nicht beheizt und er hat keine Jacke. Gemäß dienstlicher Vorschriften, erhält er nur 50% des gesamten einkommenden Geldes. Außerdem erlaubt ihm der Direktor dieser Strafanstalt nicht, den Gefängnis-Shop zu nutzen oder, dass Essen im Rahmen von Besuchsterminen gekauft wird.
Über den anderen Gefangenen haben wir keine Information. Die Polizei will, aufgrund formaler Gründe, niemanden über seine Situation informieren, Seitens der Gefängnisverwaltung werden ihm Besuchstermine mit Verwandten verweigert, weil er sich nicht genau an die genaue Adresse ihres Wohnortes erinnert. Deshalb wissen wir nichts über die Bedingungen seines Gefängnisaufenthaltes.
Wir unterstützen unsere Freunde. Das Gesetz betrachtet gemeinnützige Arbeit als eine Möglichkeit, die Gesellschaft zu stärken. Unserer Meinung nach, ist es aber nur ein anderer Weg, Leute zu zwingen, etwas zu tun und sie von wirtschaftlichen Debatten auszuschließen. Unsere Gefährten versuchen zu zeigen, dass Selbstorganisation und radikale Aktionen mehr für die Gesellschaft tun können. als gemeinützige Arbeit.
Die Polizei störte ihre Verwandte an ihren Arbeitsplätzen, an ihren Häusern. Sie versuchten irgendeine Information über den Aufenthaltsorrt unserer anarchistischen Freunde herauszubekommen. Die Polizei hat Familien bedroht, indem sie Lügen über die Verlängerung der Strafen erzählten oder eine notorische Lüge verbreiteten, dass eine unsere Gefährten aufgrund von „Stalking“ verurteilt wurde.
Wir sympathisieren mit den verhafteten Aktivisten. Heute ist jed*r von uns ein Stalker der Wirtschaftselite, ereuropäischen Kommissar*innen, Premierminister*innen und Leiter*innen internationaler Konzerne, die jedes Jahr während des EEC hinter verschlossenen Türen debattieren. Sie treffen Entscheidungen über die Zukunft unserer Gesellschaft und es ist die Gesellschaft, die die Last ihrer Entscheidungen trägt.
Wir möchten betonen, dass die inhaftierten Gefährten keine Opfer sind- sie leisten Widerstand und wir unterstützen ihre Entscheidung
Quelle: its going down, Übersetzt von ABC Wien, eingegangen am 17.9.18
In den Vereinigten Staaten ist ein praktisch noch nie dagewesener Gefängnisstreik im Gange, der neue Paradebeispiele für die Koordination zwischen Kämpfen in Gefängnissen und Haftanstalten und der Solidarität mit denen hinter Gittern schafft. In der Zwischenzeit ist vom 23. bis 30. August die sechste jährliche Solidaritätswoche mit anarchistischen Gefangenen, in der Anarchist*innen auf der ganzen Welt solidarische Kämpfe in verschiedenen Ländern und Kontinenten koordinieren. Wir sind der festen Überzeugung, dass jede*r Gefangene ein*e politische*r Gefangene*r ist, und dass der beste Weg anarchistische Gefangene zu unterstützen darin besteht, eine Bewegung gegen den Komplex aus Gefängnis und Industrie (prison-industrial complex) zu schaffen. Gleichzeitig ist die Woche der weltweiten Solidarität auch eine großartige Möglichkeit, von unseren Gefährt*innen aus anderen Teilen der Welt Informationen über die verschiedenen Repressionsstrategien, die die unterschiedlichen Regierungen heutzutage anwenden, zu bekommen und wie diesen entgegengewirkt werden kann.
Im folgenden Text werden wir heutige Repressionsmuster, die gegen Anarchist*innen auf der ganzen Welt gerichtet sind, sowie einige Wege, wie die Bewegung darauf reagierte, untersuchen. Betrachtet man dies als einen Mikrokosmos der Art wie Repression in Bezug auf die breite Bevölkerung funktioniert, kann es uns helfen die Gefangenensolidarität als einen Teil der umfangreichen Kämpfe gegen Gefängnisse und für die Freiheit aller Menschen zu verstehen. Als Anarchist*innen wollen wir staatliche Repressionstaktiken analysieren, um bessere Sicherheitspraktiken zu entwickeln, internationale Verbindungen aufzubauen und geschickter darin zu werden, uns zu unterstützen und füreinander da zu sein.
Repressionswellen 2017 – 2018
In den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts haben sich die Repressionen gegen Anarchist*innen und ihre Gefährt*innen immer weiter verschärft. Einige der bekanntesten Beispiele der letzten Jahre sind der Tarnac Fall in Frankreich, eine „Terrorismus“-Untersuchung die 2008 begann und dieses Jahr damit endete, dass alle Angeklagten freigesprochen wurden; Operations Pandora, Piñata und Pandora 2 in Spanien, die im Dezember 2014 begannen und dieses Jahr abgeschlossen wurden; Scripta Manent in Italien, seit 2017; Operation Fenix in Tschechien, seit Frühling 2015; die Angriffe der Polizei überall in Europa seit der Kämpfe im Sommer 2017 in Hamburg; der Warsaw Three Brandstiftungsfall in Polen, 2016-2017; und Massenrepression in den USA, die aus der Besetzung von Standing Rock und dem Widerstand gegen Trump’s Amtseinführung resultierten, wobei hierbei der letzte Fall im Juli letzten Jahres abgeschlossen wurde. Wir beobachten auch anhaltende Repressionen in der Diktatur von Belarus und Russland, in letzter Zeit meist im Zusammenhang mit dem „Network“ Fall.
Überall auf der Welt wählen Staaten und ihre Polizeikräfte aus dem gleichen Sortiment an Taktiken um das gleiche Ziel zu erreichen. Die spezifischen Entscheidungen die sie treffen, variieren je nach Kontext, aber der Werkzeugkasten und die grundlegenden Zielsetzungen sind die gleichen.
Es werden beispielsweise in vielen verschiedenen Ländern die gleichen Computerprogramme verwendet, um Online-Zensur zu realisieren. In einigen Ländern werden sie dazu verwendet, einzelne Websites zu blockieren, während anderswo direkt eine Vielzahl an Inhalten geblockt wird – in beiden Fällen ist das gleiche Prinzip wirksam und die Autoritäten müssen nur einige weitere Häkchen in der Repressions-Software setzen, um die erste Situation zur zweiten zu machen. Das gleiche gilt für andere Formen der Polizeirepression. Dies zeigt, der Unterschied zwischen einer vermeintlich freizügigen liberalen Demokratie und einer autokratischen Diktatur ist quantitativ und nicht qualitativ.
Wenn die Polizei in einem Teil der Welt eine neue Strategie entwickelt oder eine spezifische Taktik häufiger anwendet, verbreitet sich dies oft auf andere Polizeibehörden auf der ganzen Welt. Zum Beispiel können wir Parallelen zwischen den verschiedenen Fällen mit Gefängnisstrafen in den USA ziehen – Eric McDavid, David McKay, Bradley Crowder, Matthew DePalma, the NATO 3, the Cleveland 5 – und nachfolgend die Operation Fenix in Tschechien, bei der Agents Provocateurs versuchten, Leute zur Planung von Angriffen gegen einen Militärzug sowie ein Polizeiräumkommando mittels Molotov Cocktail zu bewegen. Anfangs war die Operation Fenix eine Kampagne gegen das Netzwerk der Revolutionary Cells, ein Netzwerk das sich zu diversen Brandanschlägen gegen Polizei und Kapitalist*innen bekannt hatte; am Ende war es ein erfolgloser Versuch, Anarchist*innen zu stigmatisieren und die Legitimität der tschechischen Polizei in den Augen der Öffentlichkeit wiederherzustellen.
Ebenso können wir die Operation Fenix im Kontext der jahrzehntelangen Bemühungen der Polizei in Italien, der USA, Frankreich, Spanien und anderswo verstehen, einen Präzedenzfall zu schaffen, um Fälle terroristischer Verschwörung zu kreieren, mit denen Anarchist*innen diskreditiert und inhaftiert werden können. Einzeln betrachtet sind der Marini Fall in Italien, der Tarnac 9 Fall, Operationen Pandora und Pinata und Operation Fenix nichts mehr als irritierende Beispiele für das übertriebene und kompetenzüberschreitende Verhalten der Staatsanwaltschaft. Wenn wir diese Fälle aber als Teil eines globalen Musters betrachten, in dem die repressiven Kräfte des Staates nach einer neuen Methode suchen, die Netzwerke, die weitverbreitete soziale Bewegungen verbinden, zu neutralisieren, können wir erkennen, was sie alle gemeinsam haben. In diesem Kontext wird auch deutlich, wie sich die russische Taktik der Folter von Gefangenen, um falsche Geständnisse zu bekommen, auf andere Länder ausbreiten kann, wenn wir nicht sofort Schritte unternehmen, dies bekannt zu machen. Deshalb ist es so wichtig, einen globalen Ansatz zur Untersuchung staatlicher Repression zu verfolgen.
Wachsende internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Überall auf der Welt kooperieren Polizeikräfte mehr als je zuvor. Repression in ganz Europa zeigt die internationale polizeiliche Zusammenarbeit und die extremistischen und terroristischen Paragrafen in Aktion.
Der jüngste Fall des Bankraubs in Aachen zeigt dies: ein europäischer Haftbefehl, das Teilen von Geheimdienstinformationen unter Polizeieinheiten und die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen diversen Justizbehörden nach zwei Bankenteignungen 2013 und 2014. Spanische und deutsche Polizei kooperierten, um DNA-Material der angeblichen Enteigner*innen zu erhalten, die wegen des Überfalls der Pax Bank, der Bank der katholischen Kirche, verurteilt wurden.
Im letzten Fall im Zusammenhang mit der SHAC Kampagne (Stop Huntigdon Animal Cruelty), der auf den derzeitigen Animal Liberation Gefangenen Sven van Hasselt abzielte, können wir diesen Trend ebenfalls erkennen. Sechs europäische Staaten kollaborierten bei seiner Verhaftung.
Wir sehen ebenfalls, dass die Polizei in verschiedenen Ländern ihre Ausbildung und Erfahrungen auf einer besser organisierten Basis austauschen. So veranstaltete die europäische Polizeiakademie (CEPOL) ein Terrorismus Seminar in Griechenland im Juli 2012, bei dem die italienischen Behörden einen detaillierten Überblick über die repressiven Maßnahmen lieferten, die sie gegen die aufständische anarchistische Bewegung eingesetzt hatten. Das Europäische Polizeiamt (EUROPOL) veröffentlicht jedes Jahr einen Bericht, Terrorismus Situation und Trendanalysen (TE-SAT), in dem ein Kapitel dem linken und anarchistischen „Terrorismus“ gewidmet ist. Diese Art der Zusammenarbeit hat an anderen Orten an Dynamik gewonnen, wie die European Union Intelligence and Situation Center (SitCen); die Mitgliedstaaten der europäischen Union kooperieren auch auf rechtlicher Ebene mit Institutionen wie Eurojust (Anm: Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union).
Regierungen im globalen Norden rüsten und trainieren routinemäßig im globalen Süden, um ihre Technologie- und Repressionsstrategien einzusetzen. Deutschland und Israel haben beispielsweise ein Vermögen mit der Unterstützung Brasiliens bei der WM 2014 gemacht. In einem extremen Beispiel versucht Großbritannien nun, Gefangene nach Afrika auszulagern und einen neuen Gefängnisflügel in Nigeria zu errichten. All dies sind gute Gründe, unsere Kämpfe miteinander zu verknüpfen.
Terrorismus Diskurs und Gesetzgebung
Gesetze und Rhetorik gegen „Extremismus“ und „Terrorismus“ sind einige der mächtigsten zeitgenössischen Werkzeuge, um soziale Kämpfe zu kriminalisieren und zu delegitimieren. Viele Staaten entwickeln Anti-Terror-Gesetze als Folge der vorherigen Generation von politischen Bewegungen, wie die Baskische Unabhängigkeitsbewegung in Spanien oder die Rote-Armee-Fraktion (RAF) in Deutschland in den 1970ern. In gewisser Weise kann dies die Struktur des „Terrorismus“ veraltet erschienen lassen, wenn es um zeitgenössische soziale Bewegungen geht, denen es normalerweise an den formalen Hierarchien wie in der RAF fehlt.
Die Hauptfunktion des „Terrorismus“-Rahmens besteht darin, die Aussetzung der gesetzlichen Rechte zu legitimieren, um die Polizei zu befähigen, uneingeschränkte Überwachung, unbefristete Inhaftierung ohne Anklage oder Gerichtsverfahren, völlige Isolation im Gefängnis, Folter anzuwenden – all die Taktiken, die bereits früher zur Aufrechterhaltung des Kolonialregimes, von Monarchien oder Diktaturen angewandt wurden. Seit dem 11. September 2001 und der Erklärung des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“ wurden Anti-Terror-Gesetze auf der ganzen Welt verschärft, um Personen die die Stabilität der herrschenden Ordnung bedrohen könnten, mit diesen Taktiken zu unterdrücken.
Deshalb können die liberalsten europäischen Demokratien mit den Autoritäten einer faktischen Diktatur wie Putins Russland übereinstimmen, die den gleichen rechtlichen Rahmen sowohl gegen Anarchist*innen, die die Öffentlichkeit gegen Polizeigewalt verteidigt, als auch gegen Fundamentalist*innen, die willkürlich Zivilist*innen für den islamischen Staat angreifen, haben. Diese beiden Fälle haben in Bezug auf Taktiken, Werte oder Ziele nichts gemeinsam; die eine Sache, die sie verbindet, ist, dass beide die zentralisierte Macht der vorherrschenden Regierung in Frage stellen und herausfordern.
Repression: Eine internationale Sprache mit lokalen Dialekten
„Finde heraus, bis zu welchem Grad Menschen sich stillschweigend unterwerfen lassen, dann hast du genau das Maß, wie viel Ungerechtigkeit ihnen auferlegt werden kann.“ “Find out just what any people will quietly submit to and you have the exact measure of the injustice and wrong which will be imposed on them.”
-Frederick Douglass [1]
Es gibt einige neue Entwicklungen im Bereich der staatlichen Repression. Zum Beispiel sehen wir eine rasante Entwicklung der Repressionstaktiken in Russland im Zusammenhang mit dem „Network“ Fall, bei dem viele Aktivist*innen gekidnappt, bedroht, geschlagen und mit Elektroschocks, über Kopf hängend, und anderen Methoden gefoltert wurden. Mit diesen Taktiken haben die Offiziere der russischen Sicherheitskräfte (FSB, Nachfolger des KGB) die Gefangenen gezwungen, falsche Geständnisse zu unterschreiben, die die Existenz einer erfundenen Gruppe namens „Network“, die angeblich Terroranschläge während der Präsidentschaftswahlen im März 2018 und des FIFA World Cups planten, bestätigten. Dieses Vorgehen schuf eine Atmosphäre der Angst, Isolation und Unsicherheit in Russland, die es sehr schwierig macht, Solidarität zu mobilisieren.
Die Neuerung hierbei ist die Folter, um die Existenz eines vom Staat erfundenen „terroristischen Netzwerks“ zu beweisen. Folter ist für Anarchist*innen und andere Gefangene in postsowjetischen Ländern keine neue Sache; es bleibt eines der mächtigsten Werkzeuge in einem Strafsystem, das notorisch korrupt und freizügig gegenüber der Polizei ist, und deren gesetzliche Überwachung noch geringer als in den Vereinigten Staaten ist. Der russische und weißrussische Kontext zeichnet sich dadurch aus, dass in beiden Fällen der Staat offen autoritär ist und nicht zögert, selbst gegen grundlegende Formen des Protests wie das Aufhängen von Transparenten hart und gewalttätig durchzugreifen.
Gegenwärtig scheint diese Strategie in Russland und Belarus zu funktionieren, aber auf lange Sicht macht die brutale Unterdrückung die Behörden anfällig für plötzliche Ausbrüche von angestauter Wut. In Belarus zum Beispiel standen Anarchist*innen trotz des enormen Drucks der totalitären Regierung an der Spitze einer der mächtigsten sozialen Bewegungen des Jahres 2017.
Im Gegensatz dazu sehen wir in den „westlichen“ Ländern eher legalistische Strategien der Repression, wie extreme Kautions- und Entlassungsbedingungen, die dazu dienen, Individuen durch Zermürbung zu isolieren und ruhig zu stellen. Dies stellt subtilere Formen der Unterdrückung dar, die für diejenigen die sich selbst als Bürger einer Demokratie betrachten, gesellschaftsfähiger sind. Ein polizeilicher Forschungsbericht beschreibt die Repression der SHAC Kampagne als einen Prozess der „Enthauptung von Führungskräften“, der durch langwierige Haftstrafen und extreme Haft- und Bewährungsbedingungen erreicht wird, mit dem Ziel die Menschen absolut von ihrer Bewegung zu isolieren.
Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen europäischen Staaten nimmt nicht immer die gleiche Form an. Während zum Beispiel griechische, italienische und deutsche Konferenzen zu anarchistischem „Terror“ und „Extremismus“ stattfinden, wenden Länder die weniger militante Aktionen und geringer verbreitete Unruhen erlebt haben, andere Ansätze an. Viele Staaten führen als akademische Forschung in „Extremismus- und Terrorismusstudien“ Informationsbeschaffung durch, um die Anwesenheit bestimmter Ideen und Taktiken zu überwachen. Dies wurde in der Tschechischen Republik deutlich, wo solche Studien zur Analyse der lokalen anarchistischen Bewegung verwendet wurden. Zum Beispiel werden trotz der fehlenden Verbindungen zur FAI/FRI oder der Verschwörung der Feuerzellen die jüngsten anarchistischen Aktionen des vorhergenannten Netzwerks der Revolutionären Zellen in Tschechien hauptsächlich anhand akademischer und polizeilicher Forschung beschrieben und bewertet, und als Manifestation/Ableger der anderen Gruppen dargestellt.
Von erfolgreichen Unterstützungskampagnen lernen
„Wir lernen trausendmal mehr von einer Niederlage als von einem Sieg“ „We learn a thousand times more from defeat than we do from victory“
– Ed Mead [2]
Es ist nicht einfach, die Wirksamkeit der Repression zu messen. Eine Repressionskampagne könnte als erfolgreich angesehen werden, wenn die Ziele Haftstrafen erhalten – oder wenn die Bewegung mit der sie verbunden sind, effektiv getrennt, befriedet oder zerstört wird – oder wenn der soziale Kampf in dem die Bewegung engagiert ist, vereinnahmt wird.
So könnte man beispielsweise die Operation Fenix als nicht erfolgreich ansehen, da der Anklage nicht entsprochen wurde und es zu Freisprüchen kam. Die tschechische Polizei konnte allerdings eine enorme Menge an Daten über die anarchistische Bewegung im Land sammeln – und obwohl sie den Fall gegen die Angeklagten nicht gewinnen konnten, haben sie erfolgreich anti-terroristische Theorie und „anti-extremistische“ Stimmung im öffentlichen Diskurs verbreitet. Trotzdem haben die tschechischen Anarchist*innen viel Unterstützung aus der ganzen Welt erfahren, was für die Leute hinter Gittern, isoliert und aufgrund von Extremismus angeklagt, sehr wichtig war.
Eine der letzten inspirierendsten Unterstützungskampagnen der letzten Zeit war die Verteidigung der J20-Verhafteten in der USA, ein Fall der in einer fast vollständigen Niederlage für den Staat endete. Ein weiteres inspirierendes Beispiel unter viel weniger günstigen Bedingungen finden wir in der Kampagne gegen den laufenden „Network“ Terror-Fall in Russland, bei der Eltern der Angeklagten ein „Eltern Netzwerk“ (“Parents’ Network“) zur Unterstützung ihrer Kinder und um sich dem totalitären Regime entgegenzustellen, gründeten.
Verpflichtung Bewegung Verteidigung
Repression führt oftmals zu Isolation und anderen Schwierigkeiten. Jeder ist einzigartig, aber im Allgemeinen brauchen diejenigen die am Ende der Unterdrückung stehen, alle das gleiche: finanzielle Unterstützung, emotionale Unterstützung, Unterstützung der Familien und Freunde der Angeklagten, sichere oder zumindest zuverlässige Kommunikationskanäle, Öffentlichkeitsarbeit über den Fall und – am wichtigsten – die Fortsetzung des Kampfes.
Verschiedene Gruppen können im Kampf gegen Repression unterschiedliche Rollen spielen. Es gibt Gruppen die sich bilden um auf Repression zu reagieren, wie die Kampagne zur Unterstützung der J20-Angeklagten oder Solidarat Rebel, die Informationen über den Aachen Bankraub Fall verbreiten, oder die Antifenix Initiative, die die Analyse und den Widerstand gegen die Operation Fenix in der Tschechischen Republik fördert. Diese Projekte sind sehr wichtig, da sie auf den sofortigen und dringenden Bedarf an Unterstützung reagieren. Es gibt auch Gruppen, die eine konsequente langfristige Anti-Repressions-Arbeit leisten, wie zum Beispiel das Anarchist Black Cross (ABC). Das ABC ist ein internationales Netzwerk von anarchistischen Gruppen, die sich seit nunmehr über einem Jahrhundert für die praktische Solidarität mit Gefangenen engagieren.
Wir können auf verschiedenen Ebenen gegen die Repression vorgehen. Wir können das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer Sicherheitskultur (security culture) erweitern und auf die verschiedenen Taktiken der Repression aufmerksam machen, um auf die unvermeidliche Reaktion des Staates auf unsere Bemühungen eine bessere Welt zu schaffen vorzubereiten. Wir können auch materielle Ressourcen aufbauen – Geld für Anwalts- oder Reisekosten sammeln und Gefangene während ihrer Haft und nach der Entlassung zu unterstützen. Dies kann die Organisation von Fundraising-Veranstaltungen oder das Spenden sammeln auf anderen Wegen bedeuten. Am wichtigsten ist es, den Zielen von Unterdrückung und denen, die sie unterstützen, emotionale Unterstützung und Fürsorge zukommen zu lassen.
Abschießend können wir Informationen über Gerichtsverfahren und Gefangene sowie die Möglichkeiten zur Unterstützung in verschiedenen Medienkanälen wie Websites, Broschüren, Podcasts, Büchern, Vorträgen, sozialen Netzwerken (virtuell und real) verbreiten. Das Zine von verschiedenen europäischen ABC Gruppen beispielsweise stellt die Grundlagen der Organisation einer ABC Gruppe vor.
Wir müssen unsere Anstrengungen in der Unterstützung bestimmter Gefangener als Teil eines viel größeren Kampfes gegen Gefängnisse selbst verstehen. Wenn wir bereits solidarisch mit Gefangenen organisiert sind, werden anarchistische Gefangene in einer sehr viel besseren Position sein. Das bedeutet, Gefangenenorganisationen zu unterstützen, Lesestoff und Ressourcen an die Gefangen zu schicken, außerhalb der Gefängnismauern solidarisch mit Revolten zu sein und die Verbreitung eines öffentlichen Diskurs, der klarmacht was wir alle bei der Dekonstruktion des Gefängnis-Industrie-Komplex (prison-industrial.complex) gewinnen können.
Von einer Woche der Solidarität bis zur Abschaffung der Knäste
Anarchist*innen kämpfen an vorderster Front des Kampfes gegen die Gefängnisgesellschaft neben armen Menschen, People of Color, indigenen Menschen und allen anderen, die vom Gefängnissystem weltweit ins Visier genommen werden.
Die sechste jährliche Woche der Solidarität mit anarchistischen Gefangenen ist eine der vielen Möglichkeiten, all die verschiedenen Kämpfe zu verbinden, um ein Beispiel zu geben, wie langfristige koordinierte Anti-Repressions-Arbeit aussehen könnte. Das Startdatum der Woche ist der Jahrestag der Hinrichtung von Sacco und Vanzetti, zwei italienisch-amerikanischen Anarchisten, im Jahre 1927. Es gab nur sehr wenige Beweise von Seiten des Staates und so wurden die beiden für ihre starke anarchistische Überzeugung hingerichtet.
Anarchist*innen sind nicht immer die Hauptziele des Staates, oftmals werden Menschen mit afrikanischer Herkunft, Migrant*innen, Muslime, und andere ethnische Gruppen Opfer der kolonialen Gewalt. Nichtsdestotrotz sind wir fast immer auf der Liste der Ziele, da unsere Werte und Handlungen die Vorherrschaft des Staates bedrohen. Gefängnis ist der Kleber, der Kapitalismus, Patriachat und Rassismus zusammenhält. Wenn wir uns für eine Gesellschaft einsetzen, die auf Kooperation, gegenseitiger Hilfe, Freiheit und Gleichheit basiert, geraten wir unweigerlich in Konflikt mit der Polizei und dem Gefängnissystem. Lasst uns eine breite Bewegung dagegen aufbauen!
Solange es Gefängnisse gibt, werden die mutigsten, sensibelsten und wunderbarsten unter uns dort landen, und die mutigsten, sensibelsten und wunderbarsten Teile vom Rest von uns werden unerreichbar für uns sein. Jede*r von uns kann zum*zur Gefangenen werden. Keiner ist wirklich frei, bis nicht alle von uns frei sind.
[1] Frederick Douglass: ehemaliger Sklave, späterer Abolitionist und Schriftsteller und einer der einflussreichsten Aktivisten in der amerikanischen Geschichte
[2] Ed Mead: Mitglied der George Jackson Brigade und Männer gegen Sexismus, Langzeit-Häftling und Schwulenrechtler (gay liberationist)
Liebe Freund*innen,
vom 27.09. – 29. Oktober lädt das ABC Warschau dazu ein, dass ihr euch an der 4. Ausgabe der Anti-Knasttage in Warschau beteiligt. Das Hauptthema dieses Jahr lautet “Unterstützt eurer lokales ABC” (…)
Wir werden nicht mehr passiv bleiben. Wir benötigen Solidarität mit denen, die hinter Gittern und außerhalb der Gefängnisse, von Repression betroffen sind. Wir sollten breite Anti-Repressionsstrukturen aufbauen. Das ist es, was wir während der 4. Anti-Knasttage diskutieren wollen.
Repression nimmt ständig zu.
Um dagegen zu kämpfen, müssen wir gemeinsam handeln
Bis nicht alle von ihnen frei sind, ist keiner von uns frei. Unterstützt eure örtliche Anarchist Black Cross – Gruppe!
Beteiligt euch an den 4. Anti-Knast-Tagen! 27-29. Oktober 2017
Przychodnia Skłot // Cafe Kryzys
Was ist für die 4. Anti-Knast-Tage geplant?
– Begegnungen und Diskussionsrunden
– Anti-Knast Kunstgallerie, eine Ausstellung von Arbeiten mit Künstler*innen, die sich an Projekten mit Gefangenen beteiligen
– Anti-Knast Filmvorführungen
– Briefe an Gefangene schreiben
– Bücher für Gefangenen sammeln
– Soli-Tattos
– ABC’s Distro
– Soliparty für’s ABC.
seit über einem Jahr warten wir auf den Prozess gegen die Warschau 3. Heute übermitteln wir diesen Solidaritätsaufruf für Solidaritätsaktionen anlässlich des 1. Gerichtstages am 31. Mai 2017.
An diesem Tag ist auch vor dem Gericht in Warschau (Adresse: Marszałkowska 82) eine Demonstration unter dem Motto „WIR ALLE SIND TERRORIST*INNEN“ geplant.
Die Polnische Regierung folgt dem internationalen Trend, überall terroristische Bedrohung zu sehen.
Es gibt keinen besseren Grund die Kriegswirtschaft zu befeuern, Überwachungswerkzeuge zu verstärken und den Boden für Autokratie zu bereiten, als die Figur des Feindes. In der ganzen EU wird im Moment entweder die Bedrohung von Außen durch Migrant*innen, (Jugendliche mit eingeschlossen, bereit Terrorakte zu begehen) oder die innere Bedrohung in Form der inländischen Terrorismuskategorie häufig genutzt, um die Bevölkerung zur Gehorsamkeit zu verängstigen.
Wie für andere Länder in der EU waren terroristische Angriffe die Rechtfertigung neue Sicherheitsregelungen einzuführen, die dem Staat größere Macht garantieren und deutliche Einschränkung für die Menschen bedeuten. Auch die polnische Regierung möchte die Chance ergreifen, ihre eigene Position beim Ritt auf der europäischen Anti-Teror-Welle abzusichern. Vor dem Hintergrund der Einführung der neuen Anti-Terrorgesetze in Polen, berichteten zuerst die Massenmedien über die Welle von falschen Bombenalarm im ganzen Land, als sie schließlich das hatten, worauf sie warteten. In der Nacht des 23. wurde drei Anarchisten auf dem Parkplatz einer Polizeistation geschnappt, beim Versuch ein Polizeiauto in Brand zu setzen.
Für die Regierung und ihre Medien stellt die Verhaftung einen lang erwarteten Beweis dar, das es wirklich eine terroristische Bedrohung in Polen gibt. Die verhafteten Drei wurden, nachdem sie geschlagen und gefoltert wurden, in die Isolationszellen für die gefährlichsten Kriminellen geworfen, um dort für die nächsten 4 Monate eingesperrt zu bleiben.
Das Medientheater hatte begonnen und die Einführung des neuen Anti-Terrorismus-Gesetzes wurde der Öffentlichkeit als berechtigt präsentiert.
Das Wort „Terrorist*in“ wurde durch die Medien bis zur Lächerlichkeit missbraucht. Weil diese Kategorie so vage ist, das zwei Individuen, die als „Terrorist*innen“ etikettiert sind, fast nichts gemeinsam haben können, haben die Staatsorgane schnell seinen Nutzen verstanden, potenzielle Bedrohung für ihre Macht auslöschen zu können.
Der polnische Staat hat die Warschau 3 eingesperrt, aber das war nicht genug. Er hat drei Antifreiheitsgesetze verabschiedet, aber es war nicht genug. Dann haben seine Schläger brutal einen PhD Studenten abgeschoben, der nicht für sie spionieren wollte – wir alle erinnern uns an Ameer – aber das war immer noch nicht genut. Sie verspüren auch den Drang weiterhin Aktivist*innen zu erpressen, Ausländer*innen abzuschieben und Alle zu kriminalisieren, die es wagen, Widerstand zu leisten.
Wir rufen auf, an diesem Tag Solidaritätsaktionen durchzuführen.
Wir rufen dazu auf, zur nächsten polnischen Botschaft zu kommen und der Republik Polen zu zeigen, was ihr von ihr haltet!
Feuer für Gefängnisse, Gericht und Copshops!
(Hier findet ihr den englischsprachigen Aufruf zu Solidaritätsaktionen als Flugblatt im PDF Format. Er beinhaltet auch Updates zum Fall der Warschau 3)
Aktualisierung: Das Geld für die Kaution ist entgegen der im Text noch geäußerten Bedenken dann doch dank großer Hilfe rechtzeitig zusammengekommen. Die drei Anarchisten sind frei und stehen jetzt unter Polizeiüberwachung. Sie benötigen aber immer noch unsere Unterstützung. Das Geld wird für die RechtsanwältInnen gebraucht und für Rückzahlung der Kaution. Deshalb wird weiter um Spenden an das unten angegebene Konto gebeten.
Im Mai wurden die Warschau 3 verhaftet und sitzen seitdem im Hochsicherheitsgefängnis mit sehr limitierten Kontakt zur Außenwelt ein. Aufgrund der neuen Anti-Terrorismus und antianarchistischen Gesetze müssen sie mit harten Strafen rechnen. Sie warten noch auf ihre Verhandlung.
Während der heutigen Gerichtsanhörung, aufgrund eingereichter Haftbeschwerde, wurde die Entscheidung getroffen, sie auf Kaution freizulassen. Eine Beitrag von 20.000 PLN (4600 Euro) Kaution wurde für jeden von ihnen festgelegt. Sollte das Geld, innerhalb einer Woche, bis zum 21. September eingezahlt sein, werden die Verhafteten entlassen und stattdessen unter Polizeiüberwachung gestellt.
60.000 PLN (13 800 Euro) ist ein Vermögen für die Familien und Freundinnen der Verhafteten. Diesen Betrag innerhalb einer Woche zusammenbekommen scheint nicht möglich. Wenn ihr könnt, zeigt eure Unterstützung. Entweder finanziell, oder indem ihr den Spendensammelaufruf weiterleitet. Jeder Euro bringt uns näher, sie frei zu bekommen.
Aus der Haft zu kommen würde für die verhafteten Anarchisten das Ende der täglichen Folter bedeuten, die sie seit mehr als drei Monaten in ihrer Einzelhaft ausgesetzt sind. Wir können uns diese Chance nicht entgehen lassen!
Spendenkonto:
Kontoinhaber: VpKK e.V.
IBAN: DE 4085 0205 0000 0361 5700
BIC: BFSWDE33DRE
Bank für Sozialwirtschaft
Verwendungszweck: Donation ABC Warsaw \ ACK Warszawa
Wichtig: Vergesst nicht den Verwendungszweck “Donation ABC Warsaw” oder “ACK Warszawa”. Ohne ihn kann niemand erkennen, dass eure Spende für die drei Anarchisten aus Warschau ist.
Mehr Informationen: www.wawa3.noblogs.org
Am frühen Morgen des 23. Mai 2016 wurden in der Nähe eines Parkplatzes im Warschauer Viertel Vlochy drei Anarchisten verhaftet, weil sie angeblich eine selbstgefertigte Sprengladung unter ein Bullenfahrzeug angebracht haben, um zu versuchen, die örtliche Polizeistation anzugreifen. Die drei Gefährten (im Alter von 17, 31, und 35 Jahren) verweigerten die Aussage und bestritten alle vorgebrachten Vorwürfe gegen sie. Mindestens einer wurde im Polizeigewahrsam geschlagen.
Am gleichen Tag wurde eine Razzia auf dem besetzten Gelände Radykalne Ogrody Działkowe (radikale “Reclaim the fields” Kleingartenanlage) durchgeführt und wiederholt von Bullen „besucht“ die von allen anwesenden Personen die Personalien aufnahmen und versuchten die GärtnerInnen zu verhören (Am 2. Juni kamen die Bullen zu einem weiteren „Besuch“ beim ROD vorbei.)
Aufgrund der Verhaftungen brach ein Medienrummel aus. Die drei Anarchisten wurden als Terroristen dargestellt und ihre Bilder wurden bereits zu Beginn veröffentlicht. Sie wurden in ein Untersuchungsgefängnis gesteckt, wo sie drei Monate auf ihren Prozess warten müssen. Ihnen drohen bis zu 8 JahrenHaft.
Alle drei in Warschau existierende Squats, Syrena, Przychodnia und ROD – und verschiedene andere anarchistische und sich für soziale Gerechtikeit einsetzenden Kollektive (die Liste der UnterzeichnerInnen findet ihr hier) veröffentlichten einen Offenen Solidaritätsbrief für die drei Verhafteten. Unter anderem erklärten sie, dass dieses alles zu einer Zeit passiert, wenn die polnischen Herrschenden auf die Verabschiedung eines neuen Anti-Terrorgesetzes drängen, für das sich die regierende PIS (Recht und Gerchtigkeit) Partei einsetzt.
Ein weitere Stellungsnahme kam von Łukasz Bukowski, der in Poznań eingesperrt ist und dringend seine GefährtInnen dazu aufruft, Solidarität mit den drei Verhafteten zu zeigen.
Die Gefangenen haben auch die Unterstützung vom Grecja w Ogniu Gegeninformationsportal.
Am 1. Juni 2016 wurde an einer Straßenunterführung in der Stadt Poznań ein Transparent entrollt und dazu folgender Text verteilt:
“An einer der Unterführungen von Poznań haben wir aus Solidarität mit den drei in Warschau ingesperrten Anarchisten ein Transparent aufgehängt.
Unsere Solidarität geht an die Verhafteten. Wir sind weder mit der Manipulation durch die Medien und der Polizei einverstanden, noch mit der Angewohnheit von Teilen der „Szene“, die im Falle einer realen Repression die Gefangenen isoliert und kritisiert, obwohl sie überall „SOLIDARITÄT IST UNSERE WAFFE“ verkündet.
Wir werden immer alle unterstützen, die von Polizeigewalt betroffen sind und sich zur Gegewehr entschlossen haben”
Am 27. April 2016 ging Lukasz Bukowski, der in der Anarchistischen Föderation Poznan mitmacht, für drei Monate ins Gefängnis. Er war wegen Körperverletzung eines Polizisten angeklagt und verurteilt worden. Zu der Tat soll es gekommen sein, als Leute die Zwangsräumung der Wohnung einer behinderten Frau und ihres Ehemannes, Katrzyna und Ryszard Jencz, durch eine Blockade verhindern wollten. Lukasz weigerte sich, die gegen ihn verhängte Geldstrafe zu bezahlen, die erst in zwangsweise Ableistung von Sozialstunden und dann in eine Gefängnisstrafe umgewandelt wurde. Er hat die dreimonatige Gefängnisstrafe in Poznan angetreten.
Lukasz will auf die Vertreibungen und brutalen Wohnungsräumungen aufmerksam machen, die weiterhin nicht nur in Poznan, sondern in ganz Polen stattfinden. Er verweigerte die Zahlung der Geldstrafe, weil seiner Auffassung nach die Verteidigung der Mieter_innen richtig war und ist. Er will auch auf die ungleiche und ungerechte Behandlung von Mieter_innen aufmerksam machen, sowie auf die Repression gegen all diejenigen, die die Mieterrechte verteidigen.
Die Räumung von Ryszard und Katarzyna, die schwer krank ist und seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt, geschah am 25. Oktober 2011. Trotz Katarzynas offensichtlichem Leiden hat das Gericht, das den Räumungstitel verfasste, ihr und ihrem Ehemann keine Sozialunterkunft zugewiesen, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Gerichte verweigern dies oft mit Hinweis auf den Mangel an Sozialunterkünften. Die beiden wurden also tatsächlich auf die Straße gesetzt.
Viele Polizisten wurden eingesetzt. Sie tauchten schon Stunden vor der Räumung in dem Gebäude auf und versperrten den Zugang nicht nur zum Haus, sondern auch zur Wohnung. Etwa 70 Aktivist_innen versuchten, die Räumung zu verhindern. Einige Leute aus der Nachbarschaft schlossen sich ihnen an. Schlussendlich musste Katarzyna Jencz jedoch aufgrund ihres sich verschlechternden Gesundheitszustandes aus dem Gebäude gebracht und von einem Krankenwagen abgeholt werden. Der Gerichtsvollzieher beschlagnahmte danach die Wohnung.
Während der Blockade wurden drei Leute, darunter Lukasz, festgenommen. Er sagt, dass die Vorwürfe nicht der Wahrheit entsprechen und seine Verurteilung ein Racheakt war, gerichtet gegen seinen sozialen Widerstand. Die Polizei zeigte zwei andere wegen Aufruf zu einer illegalen Versammlung an, aber beide wurden freigesprochen.
Jedes Jahr stellen polnische Gerichte zwischen 30.000 und 40.000 Räumungstitel aus. Die Gerichtsvollzieher führen etwas 8.000 Räumungen durch, oft in Begleitung der Polizei. Andere verlassen einfach ihre Wohnungen, wenn sie einen Räumungstitel erhalten. Der Hauptgrund für die Räumungen sind wachsende Schulden aufgrund von hohen Mieten bzw. Strom-, Gas- oder Wasserrechnungen, niedrigen Löhnen, prekären Beschäftigungsverhältnissen und fehlender Sozialhilfe. Oft bekommen die geräumten Mieter_innen keine Sozialunterkünfte zugewiesen. Die Behörden kommen ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nicht nach, Leuten der untersten Einkommensstufe, Kranken und Arbeitslosen Sozialunterkünfte bereitzustellen. Der Fall von Katarzyna und Ryszard Jencz ist einer der schlimmsten, weil er zeigt, wie rücksichtslos die städtischen Behörden bei Räumungen und Vertreibungen vorgehen und wie sie die Interessen der Vermieter und Bauträger vertreten.
Für uns und die Bewegung ist Lukasz ein politischer Gefangener, eingesperrt aufgrund seiner politischen Haltung. Er fordert die Einhaltung der Mieterrechte und das Ende der Räumungen. Seine Festnahme und Gefängnisstrafe markiert den Anfang einer neuen Kampagne gegen Räumungen, illegale Vertreibungen und die Verletzung von Mieterrechten.
Zusammen mit Lukasz fordern wir das Ende der Räumungen und der ungerechten sozialen Wohnungspolitik, die Ursache vieler menschlicher Tragödien ist. Die Opfer dieser Politik sind oft die Ärmsten der Armen.
Wir fordern die Behörden von Poznan auf, die bereits für die Zeit bis November angekündigten 250 Zwangsräumungen aus Sozialwohnungen zu stoppen und zu garantieren, dass jede Einwohner_in dieser Stadt einen Platz zum Wohnen hat. Sie sollen zeigen, dass sie die soziale Wohnungspolitik wirklich ändern wollen!
Wir fordern gleichzeitig alle in der anarchistischen Bewegung Aktiven und an der Mieterrechtsbewegung Beteiligten auf, Lukasz, allen geräumten Mieter_innen und den Opfern polizeilicher Übergriffe ihre Solidarität zu zeigen.
Gegen die Verletzung von Mieterrechten! Gegen Polizeigewalt! Stoppt die Zwangsräumungen!
Schickt Lukasz Briefe (auch auf Englisch):
Łukasz Bukowski s. Zbigniewa
Zakład Karny Gorzów Wielkopolski P-2
ul. Podmiejska 17
66-400 Gorzów Wlkp.
Polen
weitere Infoveranstaltungen: Hamburg am 06.05.15, 19 Uhr in der Kneipe der KoZe (Norderstraße 65, im Münzviertel) Leipzig am 09.05.15, 20 Uhr in der Meuterei (Zollschuppenstraße 1, Plagwitz)
Gegen 14:45 griffen Teilnehmer des „Unabhängigkeitsmarsch“ das Soziale Zentrum Przychodnia an. Es ist nur unserer Entschlossen- und Gelassenheit zu verdanken, dass wir es geschafft haben, die nationalistische Aggression abzuwehren. Ein paar Leute sind verletzt, aber Niemand lebensgefährlich.
NeofaschistInnen waren darauf vorbereitet den Vorfall in den Medien zu kommentieren und informierten sofort, dass es Leute des besetzten Hauses waren, die ihren Marsch vom Dach aus mit Steinwürfen in ihre Richtung angegriffen haben. Es ist offensichtlich, dass das unmöglich ist, weil das Ende der Skorupki Straße, wo sich das Gebäude befindet, 200m Abstand zur Marszałkowska Straße hat, auf der die NationalistInnen marschiert sind.
Wie wir in einigen Filmaufnahmen erkennen können [z.B. i, ii], hat es eine paramilitärische Formation, die sich die „Garde des Unabhängigkeitsmarsch“ nennt, einer Gruppe ermöglicht, bewaffnet und kampfbereit mit Leuchtsignalstiften, Flaschen und Steinen in ihren Händen zu passieren und auf das Przychodnia loszustürmen.
Die Nationalisten setzten ein Auto in Brand, ein anders wurde verwüstet. Sie verursachten Schaden am Gebäude, um sich Zutritt zu verschaffen. Aber zum Glück schafften wir es, den Angriff abzuwehren. Das war nur möglich, weil wir Wachen auf dem Dach postiert hatten (wir wurden bereits einige Mal bedroht) und reaktionsschnell brennende Signalmunition löschten, die in das Gebäude fiel.
Wir möchten betonen, dass trotz der Tatsache, dass die Polizeieinheiten ein paar hundert Meter von uns stationiert waren, es 20 Minuten brauchte, bis sie eingriffen. Wenn wir auf die Polizei gehört und die Gefahr ignoriert hätten, wäre unser Squat niedergebrannt.
Die Goebbelsche Propaganda der Nationalen Bewegung versucht es wie einen Akt von Hooliganismus erscheinen zu lassen; Tatsache ist, dass es die offiziell eingesetzte Garde des Marsches war, die es zugelassen hatte, dass die Angreifer den Marsch verlassen haben und nachher ihre Flucht unterstützten. Im Moment bereiten wir uns auf einen weiteren Überfall vor. Wachsam bleiben!
Solidaritätstext von Mitgefangenen in Griechenland
Am 7. Dezember 2012 entfaltete sich das letzte Stück der kriminellen Verfolgung, die der griechische Staat dem Anarchisten Andrzej Mazurek vorbehalten hatte. Andrzej wurde im Dezember 2008 für seine Beteiligung in der Revolte festgenommen. Nachdem er vier Jahre in griechischen Gefängnissen eingekerkert war, demonstrierten die griechischen und polnischen Behörden ihren außerordentlichen Eifer die Verfahren betreffend und lieferten ihn an Polen aus. Dort wird er aufgrund von Anklagepunkten, die erst nachdem er in Athen festgenommen wurde auftauchten, und deren er für schuldig befunden wurde, weiterhin gefangen gehalten.
Diese vier Jahre Gefangenschaft des Genossen sind ein praktischer Anwendungsfall der Antiaufstandsdoktrien, die der griechische Staat nach dem explosionsartigen Dezember 2008 angenommen hat. Die Zeit, die Andrzej im Gefängnis verbrachte, war gemessen an seinem Gerichtsurteil (das nach dem Beschluss des Athner Berufungsgerichts auf acht Jahre Haft herunterging) aber auch im Vergleich mit den restlichen Gefängnisstrafen, die über Menschen verhängt wurden, die an den Riots beteiligt waren, überproportional. Dieser Fakt offenbart auch das insbrünstige Streben der Herrschenden, eine klare Botschaft beiderseits – in und außerhalb ihres Terretoriums zu schicken. Wer könnte jemals die Bekanntmachungen der staatlichen und journalistischen Klärgrube bezüglich der “Anarchisten, die aus Europa nach Griechenland kommen, um es zu zerstören”, vergessen. Äußerungen, die Angst ausdrücken aber auch den Willen, die internationale Solidarität, die sich entwickelt hat, zu zerschlagen.
Die Geschichte der Verfolgung von Andrzej – die in seiner Auslieferung durch ein Sammelverfahren mündete – demonstriert gleichzeitig die transnationale Kontinuität gegen den Feind im Inneren. Während zur selben Zeit ImmigrantInnen monatelang in irgendwelchen Gefängnissen oder Internierungslagern verbleiben und auf die Abschiebung nach Ablauf ihrer Urteile warten, schafften es die polnischen und griechischen Behörden Andrzejs Einkerkerung durch ein Expressverfahren zu verlängern. Dadurch, dass sie seinen ersten Antrag auf Freilassung unter Auflagen ablehnten – ungeachtet der Tatsache, dass er schon weit mehr als 2/5 seiner Haftstrafe abgesessen hatte – verschafften sie sich Woche um Woche Zeit, um alle notwendigen Schritte einzuleiten, damit er nicht einmal für einen Tag aus dem Gefängnis entlassen wird.
Wir senden ihm unsere Solidarität und freundschaftlichen Grüße nach Polen, wo er jetzt eine Geisel ist und wiederholen seine eigenen Worte:
Wir sehen uns auf der Straße, um einmal mehr die Ladenfront des sozialen Friedens zu zertrümmern…
Wir können keinEn GenossIn in den Händen des repressiven Mechanismus allein lassen
Warschau – Die letzten Tage, die den nationalistischen Krawallen des 11. November 2012 folgten, waren für diejenigen unter uns, die in Polen leben aber auch für unsere zuschauenden FreundInnen rund um die Welt, eine Zeit der ernsthaften Reflektion. Wir sind in einer neuen Realität aufgewacht, nicht im übertriebenen oder theoretischen Sinne, sondern in einer konkreten, neuen Realität des faschistischen Terrors auf den Straßen unserer Städte mit ausgebrannten Wohnungen, im Krankenhaus liegenden AntifaschistInnen, Morden, nationalistischen Massenaufmärschen durch unsere Städte und nun der Formierung von nationalistischen Milizen sowie einem Aufruf zum Umsturz der Republik. Wir fragen uns, genauso wie unsere Großeltern es vor 80 Jahren taten, “wie konnte das in unserer Zeit passieren?”
Historischer Zusammenhang
Der Sturz der “kommunistischen” Diktaturen in den 1990’ern bot neuen politischen Ideologien in den ehemaligen Einparteienstaaten einen Nährboden zum Erstarken. Wo einst die Geschichte durch die stalinistische Propaganda an die Menschen vermittelt wurde, kehrte der Krieg über die historische Wahrheit zurück und die NationalistInnen tun alles in ihrer Macht stehende, um die Geschichte zu ihrem düsteren Vorteil zu verfälschen. Überall im vergessenen Teil Europas beobachten wir heute diese Tendenz. In Dresden organisieren die NationalistInnen Aufmärsche, um der Opfer der Bombenangriffe durch die Alliierten zu gedenken; in Ungarn werden NationalistInnen aus der Vorkriegszeit (und Verbündete der Nazis) als die wahren Verteidiger der Freiheit glorifiziert; in der Ukraine werden Monumente für die terroristische Organisation UPA errichtet, ihren Anführern wird der Status des ‘Nationalhelden’ zugesprochen. Wir leben in extrem unsicheren Zeiten. Die Schwarzweißmalerei, die NationalistInnen anbieten, stößt bei einer Generation, die unter den Gegebenheiten der modernen Ökonomie leidet, auf Resonanz.
In Polen verbrachten die NationalistInnen die letzten 20 Jahre damit, Fußballfans zu rekrutieren, bestrebt, die Kultur und Identität der Arbeiterklasse zu übernehmen. Diese Taktik beobachten wir überall in Europa. Die BBC-Dokumentation, die sich kritisch mit der faschistischen Gewalt innerhalb des polnischen und ukrainischen Fußballs auseinandersetzte, schockierte diejenigen außerhalb dieser Region, die überlegten, einen Urlaubsausflug zu den EURO 2012 Meisterschaften zu machen. Aber nationalistische Kultur und Ideen lassen sich nicht länger nur im Umkreis der Fußballstadien finden, sie dringen immer weiter in den Alltag, die Massenmedien, die Kirchenpredigten und sogar auf den Universitätskampus vor.
Die radikalen NationalistInnen haben ihre Militäruniformen und Fußballklubpolitik zu Gunsten von Anzügen und Krawatten, sowie dem Bündnisaufbau eingetauscht. Durch die Etablierung von Allianzen quer durch die Rechte, was auch Großverlage mit einschließt, brachten sie die 11. November Aufmärsche von 300 Neonazi-Skinheads im Jahr 2009 auf 20.000 “PatriotInnen” im Jahr 2012, bereit “das System umzustürzen”. Aber wir reden hier nicht nur von Propaganda und Aufmärschen, wir stehen auch einer neuen Ära der organisierten und koordinierten Gewalt gegenüber, die es so jahrelang nicht zu sehen gab. Sie fahren eine zweigleisige Strategie, wobei sie einerseits das öffentliche Bild von der extremen Politik säubern (sie bemächtigen sich des Märchens vom ewigen Opfer “wahrer PatriotInnen”, die von einem unterdrückerischen System verdammt werden), während sie gleichzeitig ganz kurz unter der Oberfläche ihrer Organisierung eine Kultur der Gewalt erschaffen. Ihre Strategie erreichte diesen 11. November ihren Höhepunkt.
Mit Entsetzen standen wir da, als nationalistische Gruppen polnische Städte terrorisierten und Straßenkämpfe, die den Hauptaufmarsch begleiteten, von den NationalistInnen und ihrer Masse konspirierender SympathisantInnen als “provoziert durch verdeckte Ermittler” abgetan wurden. Die total inkompetenten polnischen Medien begannen die Behauptungen der ONR zu wiederholen, von der langen, bemitleidenswerten “nationalen Aufopferung”, die nun der Hauptmythos des 11. November zu sein scheinen. Die Mär des vergangenen Jahres von den “ausländischen Antifaschisten, die kommen, um polnische Patrioten zu bekämpfen und Warschau zu demolieren,” wurde ersetzt durch eine neue paranoide Theorie von “verdeckten Ermittlern mit Skimasken, die Krawalle in Warschau verursachen”. Die Realität hat die Masse der Gesellschaft noch zu erkennen, polnisch-nationalistische Gewalt erreicht ihren Höhepunkt und polnische AntifaschistInnen, ImmigrantInnen und LGBT’s erleben es aus erster Hand.
Heute, 30.06.2012 fand in Poznan (Posen) unter dem Motto “Schneidet der extremen Rechten den Sauerstoff ab” eine antirassistische Demonstration statt. Mehr als 150 Menschen demonstrierten in den Straßen des Stadtzentrums, um ihren Widerstand gegen Neonazigruppen zu zeigen, welche versuchen, ihre Präsenz in öffentlichen Räumen der Stadt zu etablieren.
Die Masse rief antirassistische und antifaschistisch Parolen, informierte PassantInnen über die Gefahr von marginalisierten, aber gewalttätigen Rechtsaußen-Gruppen wie der ONR, den Wielkopolska “Patrioten” oder den “autonomen” Nationalisten. Außerdem wurde Flyer bzgl. eines Boykotts der Treffpunkte “Guesthouse” und “U Honzika” verteilt, welche von Maciej Witzberg und Jana Iżyckiego betrieben werden, die ihre Grundstücke nutzen, um faschistische Aktionsgruppen zu finanzieren und ihnen Raum für ihre Treffen bieten. Maciej Witzberg selbst beteiligte sich an einem Angriff auf ein Do-It-Yourself Festival des besetzten Hauses Rozbrat (den wir hier auf polnisch beschrieben haben).
Die Demonstrierenden betonten auch die Heuchelei der Autonomen Nationalisten, die heute – am Tag “zu Ehren” der ‘Helden von Poznan’ vom Juni ’56 – zu tragen kam. Es ist nicht überraschend, dass sie zu den Feierlichkeiten der ArbeiterInnen an dem Cegielski Fabriktor fernblieben. Sie sind nur an der Ausbreitung ihrer kranken Ansichten interessiert, die auf Hass und sozialer Exklusion beruhen, was die Negation der Freiheit darstellt.
Die TeilnehmerInnen der Demonstration kündigten an, dass jeder Versuch, diese Ideen und “Rezepte” zur Lösung von sozialen Problemen zu verbreiten, mit den Antworten begegnet wird, die sie verdienen. In Poznan – wie auch an anderen Orten – gibt es keinen Platz zur Verbreitung totalitärer Ideologien!
Vom 14. – 16. Mai 2012 wird in Katowice der 4. Europäische Wirtschaftskongress abgehalten werden. Die Wichtigkeit dieser Veranstaltung wird dadurch ersichtlich, dass sie innerhalb kürzester Zeit den Titel des “wichtigsten Wirtschaftsereignisses von Zentraleuropa” errungen hat. Während des drei Tage langen Kongresses wird eine Gruppe mit mehreren Tausend Mitgliedern der politischen Klasse aus Polen und dem Ausland Schlüsselthemen, die in Verbindung mit der Wirtschaft stehen, hinter dem Rücken gewöhnlicher EuropäerInnen diskutieren. Es ist bezeichnend, dass wichtige ökonomische und soziale Angelegenheiten, die die Entwicklung Europas betreffen, hinter unserem Rücken diskutiert werden und wir die Ergebnisse nur durch die Medien erfahren.
Das unterstreicht die Tatsache, dass unser Schicksal von einer Gruppe privilegierter Individuen abhängig ist. Wir können solch eine Ordnung nicht akzeptieren. Im Lichte dieses Ereignisses beabsichtigen AktivistInnen der Anarchistischen Förderation Slask eine landesweite Demonstration zu organisieren. Es zeigt unseren Widerstand gegen die autoritäre Idee des Europäischen Wirtschaftskongresses und damit unseren Widerstand gegen alle privilegierten PolitikerInnen, Firmen und Unternehmen und allen anderen Personen und Institutionen, die zur Vertiefung der sozialen Ungerechtigkeiten im herrschenden kapitalistischen System beitragen.
Während der Osterfeiertage führten “Blood & Honour”-Mitglieder zwei Angriffe in Bialystok durch. Das erste Opfer wurde am Sonntag (8. April) gegen 22.30 Uhr bewusstlos aufgefunden und verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus. Danach am Montag, ungefähr gegen 4.30 Uhr, betraten Nazis den Fiction Pub. Sie grölten, dass sie “alle Linken loswerden” würden. Es kam daraufhin zu Auseinandersetzungen mit ArbeiterInnen und BesucherInnen, die die Nazis zwangen, den Pub zu verlassen. Allerdings schafften es die Nazis eine 28-jährige Frau und einen 26-jährigen Mann zu verletzen. Vor den Räumen setzten sich die körperlichen Auseinandersetzungen fort, bis die Angreifer vom Ort des Geschehens flüchteten.
Aufgrund der Ereignisse in Bialystok (das Ergebnis der Aktionen vom Sonntag sind ein Toter und zwei Verletzte) und um weitere Angriffe der Faschoschläger, weitere Verletzte Menschen und eine wachsende Atmosphäre des Terrors in der Stadt zu verhindern, rufen wir zu einer landesweiten antirassistischen Demonstration in Bialystok auf.
Wir als Antifaschistische Aktion Warschau, sind von der Notwendigkeit einer solchen, sofortigen Aktion überzeugt. Wir stehen in Kontakt mit der Bewegung in Bialystok, die dieselbe Meinung teilt. Dieses sind Situationen, in denen die Empörung der Medien nicht genug sind, in denen polizeiliche Ermittlungen nicht ausreichen und wo eine Schweigedemonstration nicht genug ist…
Es gibt Zeiten, wo die einzig richtige Antwort eine laute und entschlossene soziale Antwort ist. Eine solidarische Reaktion mit allen Opfern des rechtsextremen Terrors. Eine Reaktion, die der Anfang vom Ende von dem ist, was sich seit Jahren in Bialystok abspielt.
Wir rufen die gesamte “Koalition des 11. Novembers” auf, sich diesem Appell anzuschließen. Wir wenden uns an alle Bewegungen, die wie unsere, über das Ausmaß der rassistischen Gewalt empört sind. Wir rufen zu einer Großdemonstration unter dem Motto “Stoppt die Nazigewalt” auf.
Die Demonstration wird am Sonntag, den 15. April, um 13 Uhr auf dem Kosciusko Platz stattfinden.
Die Position der Schlesischen Antifaschistischen Bewegung gegenüber der bevorstehenden Demo des National-Radikalen Lagers (ONR), die für den 14. April in Katowitz anberaumt ist
Eine Demo wirde von der ONR vor dem Hintergrund des 78. Jahrestages der Organisation organisiert und wird am 14. April in Katowitz stattfinden.
Dieser Tag soll ihnen Gelegenheit geben, die Losungen der ONR, die zu Hass aus ethnischen oder ideologischen Gründen anstachelt und sich gegen sexuelle Minderheiten und andere gesellschaftliche Gruppen richtet, die von ihnen als “Feinde der Nation” beschrieben werden – dieser Ausdruck richtet sich an all jene, die sich von der neofaschistischen, antisemitischen und nationalistischen Ideologie der Gruppe abgrenzen. Indem die ONR-Mitglieder braune T-Shirts mit Falanga-Symbolen und Keltekreuze tragen, betrügen sie sich selbst, wenn sie damit meinen, dass ihre Demo die Stärke und Echtheit ihres Korpsgeistes beweisen soll. Ihre Jubiläumsversammlung, die durch den Katowitzer Stadtrat bestätigt wurde, ist nicht gleichbedeutend mit der gesellschaftlichen Akzeptanz der geplanten Maskerade. Kein vernünftiger Mensch aus Schlesien wird sie unterstützen oder der Tradition dieser faschistischen Rechtsaußen-Gruppen folgen.
Wir als Schlesische Antifaschistische Bewerbung glauben, dass das Verhalten, das durch Mitglieder der ONR gefördert wird, zur Volksverhetzung führt und zu Gewalt und gesellschaftlichem Rückschritt aufruf durch ihre brutalen Ansichten, die auf einer faschistischen Ideologie beruhen. Unserer Meinung nach reichen eiserne Halsbänder nicht aus, um neue Menschen zu rekrutieren. Die geplante Demo am 14. April ist daher nichts weiter als eine Selbstbeweihräucherung nationalistischer Zirkel, die losgelöst von den wahren sozialen Problemen agieren.
Wir werden der Proklamation von antisemitischen, homophoben und rassistischen Parolen keine Erlaubnis geben, sich in unseren Straßen zu verbreiten. Deshalb rufen wir landesweit dazu auf, sich uns am 14. April anzuschließen und gemeinsam der faschistischen Ideologie der ONR Einhalt zu gebieten.
Die anti-rassistische Demonstration wird um 13:30 auf dem Platz der Freiheit (Plac Wolności) in Katowitz beginnen!
Am 11. März 2012 fanden unter dem Namen ‚Manifa‘ verschiedene Proteste im Zusammenhang mit Frauenrechten, Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung in mehreren größeren Städten in Polen statt. Demos wurden in Warschau, Poznan, Gdansk, Krakau, Torun, Wroclaw, Lodz und Olsztyn durchgeführt. Die diesjährigen Demos wurden von FeministInnen, radikalen Gruppen und Gewerkschaften, lokalen Communities und Gender-Initiativen organisiert. Es ist jener Tag, an dem Frauen und Unterstützer auf die Straßen der polnischen Städte gehen, um ihre Ansichten über Frauenrechte zu äußern.
Es folgt ein Bericht, der sich auf die Warschauer Demonstration bezieht und von Mitgliedern der polnischen anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft ArbeiterInneninitiative (Inicjatywa Pracownicza, IP) verfasst wurde. Die IP wurde 2001 als eine informelle anarchistische Gruppe gegründet, deren Ziel es war, die alltäglichen ArbeiterInnenkämpfe voranzutreiben. Seit September 2004 agiert sie als eine offizielle landesweite anarcho-syndikalistische Gewerkschaft. Continue reading Polen: Manifa 2012 – Bericht von der Warschauer Demonstration→
Das besetzte Haus Elba wurde am 16. März 2012 von Handlangern einer privaten Sicherheitsfirma, unter Mithilfe der polnischen Polizei, gestürmt. Das Projekt besteht seit 2004. Die finnische Firma Stora Enso (Grundstückseigentümerin) weiß sehr wohl über die Existenz und Aktivität Elbas bescheid. Nachdem es vor zwei Jahren Proteste gab, wurden die BesetzerInnen vor Ort akzeptiert. KeinEr der BenutzerInnen des Gebäudes wurde über einen geplanten Räumungstermin informiert. So kam der feindliche Einfall für die BewohnerInnen des Squats total überraschend. Das besetzte Haus ist das größte und älteste aktive, soziale und kulturelle Zentrum Warschaus.
Kurz nach 11 Uhr brachen von der Sicherheitsagentur ‘Skrzecz’ angeheuerte Leute in das Gebäude ein. Sie zeigten keinen Räumungstitel vor und wandten gegen die BesetzerInnen Gewalt an, um sie aus dem Gebäude zu vertreiben. Die BesetzerInnen widersetzten sich. Eine Person verbarrikadierte sich in einem Raum und mindestens sechs andere besetzten das Dach des Gebäudes. Sie riefen sofort zur Unterstützung und Hilfe auf. Bald trafen vor Ort Polizeieinheiten ein. Die Polizei ignorierte die Tatsache, dass die versuchte Räumung illegal war und begann stattdessen die Solidemo zu blockieren.
Ein paar Stunden später standen circa 100 DemonstrantInnen, die die Räumung zu verhindern versuchten, etwa 30 Bereitschaftsbullen gegenüber, die den Sicherheitsleuten assistierten. Es kam zu Zusammenstößen der DemonstrantInnen mit den Bullen, die sie mit Tränengas und Schlagstöcken angriffen. Es fanden aber keine Zusammenstöße in großem Umfang statt. Mit der Zeit tauchten immer mehr Polizeieinheiten auf und kesselten solidarische Menschen und BesetzerInnen ein. Kurz nach 18 Uhr bekamen die Bullen den Befehl, sich zu verteilen und begannen damit, ReporterInnen aus dem Bereich zu entfernen. Das schien der Anfang einer brutalen Räumung zu werden. Doch, die Polizei und die Sicherheitsleute verließen schließlich gegen 20 Uhr den Bereich. So konnten die Menschen das Gebäude betreten und es erneut übernehmen.
Am nächsten Tag verbreitete das Elba-Kollektiv eine Erklärung, in der es die Aktionen der Polizei und der Sicherheitsfirma verurteilten. Das Anonymous Kollektiv griff sogar die Webseite der Sicherheitsfirma und deren E-Mail Konten an. Als symbolische Soliaktion wurde die Webseite Offline gestellt.
Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass die BesetzerInnen vom Besitzer eine Frist von einer Woche für den Auszug gesetzt bekommen haben. Elba ruft zur internationalen Unterstützung auf, um weitere Angriffe zu verhindern. Für den 23. März wurde zu einer Demonstration, zur Verteidigung des besetzten Hauses, in Warschau aufgerufen.
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Weitere Infos/Multimedia: 1, 2, 3, 4, 5, 6 and i, ii
Letztes Wochenende (3-4.02.) besuchten Mitglieder von verschiedenen antikapitalistischen Organisationen Europas das Territorium, das vom polnischen Staat kontrolliert wird, um an einer internationalen Versammlung, die sich auf die neue Gegenoffensive gegen das Kapital und die Regierungen bezieht, teilzunehmen. Die AktivistInnen, größtenteils Mitglieder anarcho-syndikalistischer und antiautoritärer Gruppen kamen aus verschiedenen Ländern, z. B. aus Griechenland, Italien, Österreich, der Ukraine, der BRD, den Niederlanden, Spanien und Portugal. Aus Sicherheitsgründen wurde der Versammlungsort nicht öffentlich bekannt gegeben.
Der Fokus des Treffens lag auf der Strategie der Eskalation öffentlicher Proteste und Direkter Aktionen überall in Europa. Neben vielen anderen Themen, diskutierten die AktivistInnen darüber, wie Schwachpunkte in den Strukturen lokaler Behörden gefunden werden können, wie effektive direkte Aktionen gegen die Banken und Unternehmen durchgeführt werden können und wie während der Massendemos Schutz gegen Polizeirepression bereit gestellt werden kann. Die Leute unterhielten sich auch über Polizeitechniken (in verschiedenen Ländern), die benutzt werden, um Ausschreitungen zu unterdrücken und über weitere Themen, die mit der Infrastruktur des Sicherheitsnetzwerks und der dezentralisierten Organisationsstruktur in Verbindung stehen.
Der Protest “Tage der Wut”, der am 31. März in Warschau stattfinden wird, wird ein Teil einer neuen Gegenoffensive sein. Sehr wahrscheinlich wird es in vier oder fünf der oben genannten Länder an diesem Tag mehr direkte Aktionen geben.